12 Bücher die mein Leben völlig verändert haben und jeder gelesen haben sollte

Es gibt Bücher, die etwas in einem auslösen, die der eigenen Sicht auf die Welt eine neue Richtung gibt. So oft fällt einem so ein Buch nicht in die Hände und wenn doch, dann ist es ein Vergnügen es zu lesen und eine unglaubliche Bereicherung für einen selbst. Manchmal sind es bloß einzelne Dinge, die faszinieren, manchmal eine Reihe von Elementen, die neuartig erscheinen oder sogar das eigene Weltbild ins Wanken bringen. Einige Bücher, die für mich in diese Kategorie fallen, möchte ich euch heute vorstellen und euch Literatur empfehlen, die sehr lesenswert ist und den Horizont auf die ein oder andere Weise erweitert. Seid also darauf gespannt, was ihr in diesem Artikel so finden werdet.

Bevor ich aber anfange, noch ein paar Worte zu den völlig übertriebenen Titel dieses Beitrags. Ich denke jedes Buch verändert und beeinflusst einen, immerhin verbringt man damit ja doch einige Stunden. Manche Leseabende haben nur einen geringen bis nahezu gar keinen Einfluss, wenn man etwas in eine Richtung liest, die man schon gut abgegrast hat beispielsweise. Oder wenn man zur Entspannung zu einem seichten Roman greift. Was für ein Buch kann einen schon völlig verändern? Jedes und keines. Das ist ja völlig individuell. In dem Kontext ist also mein reißerischer Titel nicht ganz ernst zu nehmen. Es gibt keine Bücher, die jeder gelesen haben sollte. Und für mich gibt es auch keine Bücher, die mein Leben völlig verändert haben. Diese Auswahl enthält Bücher, die Denkanstöße geben, deren Inhalt durchaus auch Überraschungen bereit hält und die mir sehr in Erinnerung geblieben sind. Natürlich ist auch das völlig subjektiv. Aber nun los mit meiner feinen Auswahl, die euch hoffentlich eine Inspiration ist. Nicht vergessen: Ihr solltet sie wirklich echt jetzt sofort lesen, damit sich euer Leben komplett verändert.

Die Ordnung der Zeit von Carlo Rovelli

Von Carlo Rovelli habe ich einige Bücher gelesen. Ich mag Sekundärliteratur über Physik und Philosophie, einfach weil sie richtig unterhaltsam ist und die unterschiedlichen Interpretationen einzelner Disziplinen auch sehr individuell mit dem Autoren verknüpft sind. Rovelli schreibt angenehm, unterhaltsam und seine Bücher haben immer eine spezielle Idee, eine Pointe. In Die Ordnung der Zeit ist die zentrale Message, dass es eigentlich gar keine Zeit gibt. Rovelli zeigt im ersten Teil, wieso es keine lineare Zeit gibt, die überall gleich abläuft und wieso es im Universum keine universelle Gleichzeitigkeit geben kann. Im zweiten Teil beschreibt er dann, wie denn die Welt ohne Zeit aussieht und im letzten Teil zieht er Schlussfolgerungen daraus. Ich muss gestehen, an richtig viele Details aus dem Buch erinnere ich mich nicht, was sehr gut ist, denn so kann und werde ich es nochmal lesen. Was sich bei mir aber fest verankert hat: Die Vorstellung von Zeit, die wir haben, die ist falsch, die ist nicht universell gültig und es gibt keine Gleichzeitigkeit in diesem unendlich großen Universum. Wenn man davon liest, dass die Menschen ja mit dem James-Webb-Teleskop Exoplaneten mit Leben entdecken könnten, dann ist es nicht nur so, dass dieses Leben schon lange wieder erloschen sein könnte, aufgrund der weiten Entfernung, nein diese andere Welt, so sie doch mal existiert hat, lief nie synchron mit der unseren. Es ist nicht so, dass zu diesem Zeitpunkt ein Alien irgendwo, super weit weg, auf seinem Planeten herumeiert, weil es keine Synchronität gibt. Ein wirklich faszinierender Gedanke, der einen noch lange nach der Lektüre darüber nachgrübeln lässt.

Novellen von Guy de Maupassant

Maupassant liebe ich und seine Romane und Novellen habe ich alle verschlungen. Er hat einen wunderbar klaren Stil und in seinen Geschichten überlässt er den Leser völlig alleine das Interpretieren und anders als Autoren wie Balzac, verzichtet er auf Lebensweisheiten oder schlaue Sprüche. Seine Novellen lassen den Leser oft im Leeren hängen und erst nach dem Ende wird einem so richtig bewusst, was das eigentlich für eine Geschichte ist. Warum taucht Maupassant in dieser Auflistung auf? Ganz einfach: Er hat diese Bücher im ausgehenden 19. Jahrhundert geschrieben und das ist ja schon ein bisschen her. Zwei Weltkriege trennen uns von diesem Jahrhundert, zahlreiche große Erfindungen, die ganze abgefahrene Digitalisierung, der gesellschaftliche Wandel durch das Internet. Und wir fühlen uns alle so modern und jetzt ist alles anders und der Mensch hat sich weiterentwickelt, denn es gibt zumindest in Europa Demokratien, es gibt Bildung, es gibt die Wissenschaft, die uns alle aufgeklärt hat. Wenn man allerdings Maupassants Novellen liest, dann merkt man, dass die Menschen vor über 100 Jahren genauso über sich gedacht haben. Sie haben sich auch für fortschrittlich und völlig modern gehalten. Was die Novellen einfangen, was sie wiedergeben, das sind Geschehnisse, das sind menschliche Reaktionen, die könnten völlig aus unserer Zeit sein. In einer Novelle geht es um eine Frau, die einen Versicherungsbetrug begehen möchte, einen ganz kleinen, eine Bagatelle, aber sie probiert es, weil sie was rauslutschen will. In einer anderen Novelle glaubt der erwachsene Sohn mit seiner Frau, dass seine Mutter gestorben ist und sie räumen noch in der gleichen Nacht ihre Wohnung aus, weil sie Angst haben, dass sich die anderen Geschwister ihr Hab und Gut holen könnte. Blöd nur, dass die Mutter nicht tot ist und am nächsten Tag wieder aufwacht. Wer diese Novellen liest, wie sie auf eine versöhnliche, aber erstmal sehr brüskierende Weise die Menschen und die Gesellschaft vorführt, für den wird erlebbar, wie wenig der Mensch sich in den letzten hundertfünfzig Jahren geändert hat und wie angebracht ein gewisses Maß an Demut doch ist. Diese Bücher werden viel zu selten gelesen, dann wäre es mit der Überheblichkeit dieser Tage schnell vorbei.

Der Graf von Monte Christo von Alexandre Dumas

Das Buch Der Graf von Monte Christo und den groben Plot kennt eigentlich nahezu jeder. Ich liebe das Buch und ich habe es mir auch als Prunkunikat anfertigen lassen. Warum taucht dieses Buch nun in dieser Auflistung auf? Einmal ist es ein wunderbares Abenteuer, dass ich nie wieder vergessen habe. Wie Edmond Dantes vom Château d’If flieht, der Moment, wie er auf das nächtliche Rom hinab blickt, seine Begegnung mit einigen anderen Charakteren. Diese und viele andere Szenen sind mir fest ins Gedächtnis gebrannt und erscheinen vor meinem geistigen Auge, fast so wie eigene Erinnerungen. Es gibt aber auch einen anderen Grund, wieso es hier auftaucht. Es rührt ebenfalls an dem ganz elementaren Denken. Es geht um Gerechtigkeit, darum was moralisch noch akzeptabel ist und was nicht. Wenn der Graf beispielsweise mit seinen zwei jungen Gästen auf dem Balkon in Rom sitzt und einer Hinrichtung beiwohnt, dann ist das nicht nur eine Szene, um die Geschichte voran zu bringen. Der Graf sorgt dafür, dass einer der beiden Verurteilten freigesprochen wird. Erst in dem Moment als der Zweite von diesem Freispruch erfährt, verliert er seine stoische Ergebenheit und dreht komplett durch. Eine ganz typisch menschliche Reaktion, denn der Mensch vermag alles zu ertragen, wenn es nur genug Menschen um ihn herum ebenfalls tun. Es sind genau Szenen wie diese, die einen aufrühren und an die ich denken muss, wenn plötzlich in alltäglichen Situationen ähnliche Strukturen ergeben, die mich dann an Bücher wie dieses Meisterwerk von Dumas erinnern. Und der Graf von Monte Christo ist voll von diesem abstrahierenden Blick auf den Menschen.

Die große Verführung von Robert Levine

Im Studium hatte ich ein Semester Sozialpsychologie. Ausgehend davon, hatte dieses Sachbuch nicht mehr so viel Überraschendes zu bieten. In diese Auflistung gehört es aber unbedingt hinein. Ich denke es gibt zahlreiche Bücher dieser Art, also dieses Buch ist nur exemplarisch zu sehen, vermutlich ist es egal, welches man zur Hand nimmt. In Die große Verführung geht es um die vielen Manipulationstechniken, denen man im Alltag praktisch ständig begegnet. Das geht vom Klassiker, dem Supermarkt los, bei dem einem direkt am Eingang eine in warmes Licht gehüllte und bunte und frisch aussehende Gemüseabteilung erwartet, sozusagen um uns in kauffreudige Stimmung zu bringen. Oder das Priming, bei dem unser Gehirn in einen zuträglichen Modus gebracht wird, oder der alte Verkaufstrick mit den billigen, moderaten und super teuren Produkt, so dass der Käufer das Produkt in der Mitte nimmt, das auch verkauft werden soll. Also einen ganzen Sack an Dingen, womit wir im Alltag manipuliert werden und uns auch selbst manipulieren. Ein sehr aufschlussreiches Buch, das bei dem Leser seine Spuren hinterlässt. Bei kostenlosen Produktproben halte ich inne und bei jedem sympathischen Verkäufer suche ich sofort das Weite, um zwei Beispiele zu nennen.

Oblomow von Iwan Gontscharow

Wieder ein richtig guter Klassiker, aber in diesen Büchern stößt man einfach auf Gedanken, die einen selbst nachdrücklich beeinflussen. Was auch kein Wunder ist, denn immerhin haben sich diese Bücher ja auch aus einem bestimmten Grund über die Jahrhunderte gerettet. In Oblomow gibt es viele Elemente, die faszinierend sind. In diese Auflistung muss es aber aus einen bestimmten Grund auftauchen: Es ist eine wunderbare Charakterstudie, die zeigt, wie sich die Kindheit und die Erlebnisse der Kindheit über ein ganzes Leben erstrecken. Oder um es mit den Worten von Irène Némirovsky zu sagen: „Man vergibt seine Kindheit nicht. Eine unglückliche Kindheit ist so, als wäre deine Seele ohne Begräbnis gestorben. Sie stöhnt bis in alle Ewigkeit.“

Das Zitat ist nun ein wenig negativ und das ist Oblomow keineswegs, die Geschichte habe ich auch als sehr humorvoll in Erinnerung. Oblomow ist ein stinkend fauler Adeliger, der den ganzen Tag nicht vom Diwan hoch kommt (er braucht glaube ich tatsächlich fast 100 Seiten um sich davon zu erheben). Erst fragt man sich, was mit ihm nicht stimmt, im Laufe des Buches wird es dann aber klar, denn dann erfährt man immer mehr über Oblomows Vergangenheit und was sein Wesen ausmacht. Hier ist es ein überzeichnetes Bild, aber man selbst und jeder Mensch ist ebenfalls sehr geprägt durch seine Vergangenheit, seine Kindheit und jenen Menschen, die ihm begegnet sind und durch das Leben begleitet haben und begleiten. Dieses Buch macht es greifbar und plastisch und ich habe es genau dafür nie wieder vergessen.

Die Weiße Rose von B. Traven

Von B. Traven habe ich in diesem Blog bereits mehrere Bücher rezensiert. Er ist ein wunderbarer Autor, hat selbst eine abenteuerliche Lebensgeschichte und seine Werke haben viele wunderbare und faszinierende Gedanken. Es ist eigentlich egal, was man von ihm liest, jedes seiner Bücher ist voll mit Gedanken, die man nicht mehr vergisst. Die Weiße Rose ist für mich ein Buch, dessen Lektüre mich mit sehr begeistert hat und das ich mit am meisten empfehlen kann. Es geht darin um einen Haciendabesitzer, der von skrupellosen Kapitalisten um seine Existenz gebracht wird. Was faszinierend ist: Traven beschreibt gleichermaßen das Leben des einfachen Indianers, der die Hacienda besitzt, wie die des Kapitalisten, der sich in dem Wirtschaftssystem mit Raffinesse hochgearbeitet hat. Für den Leser wird verständlich, warum dieser Konzernchef so handelt, so handeln muss und dass es seine Lebensrealität ist, die ihn dazu zwingt. Was ist also dieser Tage mit den Konzernen, die ohne Rücksicht auf Umwelt und Natur mit Fracking Rohstoffe ausbeuten? Was ist mit den großen Lebensmittelkonzernen, die mit fragwürdigen Mitteln Profite machen? Oder was ist mit der Energiekrise, die der Krieg in Mitten Europa uns gebracht hat? B. Traven findet für die Dinge treffende Worte und wenn er beschreibt, wie sein Protagonist ganz bewusst eine Krise herbeiruft (in dem Buch ist es dann der Mangel an Kohle, nicht von Erdgas), dann wird klar, dass jede Krise auch ihre Profiteure hat, die damit das große Rennen machen und dass die Panik, die damit hervorgerufen wird, unberechtigt ist. Wer die Politik dieser Tage besser verstehen möchte, sollte unbedingt Traven lesen. Hier ein Zitat als kleinen Vorgeschmack, was den Leser in diesem Buch erwartet:

Zeige dem Arbeiter eine Zwanzigdollarnote, und er wird sofort Kapitalist. Du glaubst es nicht? Versuche es. Prämien wirken heute besser, als früher Peitschen halfen.

Sofies Welt von Jostein Gaarder

Dieses Buch mag ein wenig abgedroschen sein. Ich habe es als kleiner Junge in zartem Teenageralter gelesen und es geliebt. Ein Geheimtipp ist es glaube ich nicht. Für mich war es damals aber eine Offenbarung, denn das erste Mal wurde mir bewusst, wie viele Menschen sich über all die großen Fragen Gedanken gemacht und mit ihnen gerungen haben. Damals bin ich nach der Lektüre in die Bibliothek und hatte dadurch die Philosophieabteilung für mich entdeckt. Ich denke auch als Erwachsener ist das Buch ein Tipp, denn es verströmt diese kindliche und geheimnisvolle Neugierde und verbindet sie mit den ganz großen Fragen, die sich die Menschen schon immer gestellt haben. Und es ist ein wunderbarer Rundumblick in die Welt der Philosophie. Auf jeden Fall ist es deutlich unterhaltsamer als beispielsweise der ebenfalls durchgelutschte Philosophie-Einstiegs-Klassiker Die philosophische Hintertreppe. Wer sich schon lange nicht mehr um die grundlegenden Dinge Gedanken gemacht hatte und das Buch nicht kennt, kann getrost danach greifen. Und für die eigenen Kinder ist es ebenfalls ein richtig guter Tipp (ich glaube die Altersempfehlung liegt so bei etwa 14 Jahren).

Gödel Escher Bach von Douglas Hofstadter

Dieses Buch war damals ein Tipp von meinem Professor in Theoretische Informatik. Ich mochte den Professor echt gerne und hab immer wieder mit ihm geplaudert, einfach weil er ein so ganz klassischer Typ war, der alles ausgestrahlt und verkörpert hat, was man sich von einem Professor erwartet. Leider hat er Zigaretten geraucht und keine Pfeife. Auf jeden Fall war er immer enttäuscht, dass es nie zur Vorlesung Theoretische Informatik II kam, weil alle schon bei Teil I durchgedreht sind. Mich hat das sehr fasziniert, weil die großen Fragen der Theoretischen Informatik (beispielsweise das Halteproblem von Turingmaschinen oder das PNP-Problem) sehr eng mit der Mathematik zusammen hängen. Die Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit von Mengen oder der Gödelsche Unvollständigkeitssatz sind damit verknüpft und auch die Mengenlehre mit ihrer Betrachtung der Unendlichkeit. Das Buch fasst das ganze Themengebiet aber noch weiter. Es zeigt, dass es auch eine Verbindung zu den Fugen von Johann Sebastian Bach und den unmöglich und verwirrend erscheinenden Gemälden von M. C. Escher gibt. Hofstadter nennt es „seltsame Schleifen“. Was mich aber so fasziniert hat, ist der Bogen, den er zu dem menschlichen Gehirn spannt und die Frage stellt (zumindest zwischen den Zeilen) inwiefern das Gehirn ebenfalls von diesen „seltsamen Schleifen“ betroffen ist. Ob die Grenzen der Berechenbarkeits- und Komplexitätstheorie vielleicht auch irgendwie für das Gehirn gelten. Und da gibt es einen sehr starken Bezug. Auch das Erzeugen von Bildern aus synchronisiert aktiven Neuronen ist hier ein Thema und das Buch hat so viele Gedanken, so viele Ideen, dass es bei mir ein Feuerwerk an Überlegungen ausgelöst hat und ich im Anschluss noch zahlreiche Bücher über diese Themen gelesen habe. Gödel Escher Bach ist ein Meisterwerk und in dieser Auflistung mit das Buch, das ich am meisten empfehlen kann. Auch wenn die Lektüre sicherlich für nicht Informatiker-Nerds eine Herausforderung ist.

Schwarze Schwäne von Gaito Gasdanow

Wer meinen Blog öfters liest, der weiß, dass ich Gasdanows Bücher liebe. Warum taucht er aber in diesem Beitrag auf? Tatsächlich ist das Buch, das man von ihm wählt, gar nicht so entscheidend, auch seine anderen Romane sind in diesem Kontext eine klare Empfehlung. Schwarze Schwäne ist eine Sammlung von Erzählungen und aufgrund ihres breiten Spektrums ein guter Tipp. Gasdanows Bücher passen deshalb so wunderbar in diese Auflistung, weil seine Figuren, aber auch er selbst, aufgrund seines unfreiwilligen Exils, immer eine Außenseiterrolle eingenommen haben. In seinen Werken stößt man also immer auf Menschen, die abseits der Gesellschaft stehen und mit einem ganz eigenen Blick auf die Welt schauen. Figuren, die einem irgendwie auch fremdartig erscheinen, in die man sich aber dennoch einfühlen kann. Dabei berührt Gasdanow auch immer philosophische Themen und portraitiert Charaktere, mit ganz individuellen und authentischen Wesenszügen. Den Impuls, den man als Leser von diesen Erzählungen bekommt, ist ein diffuser und auch latenter, aber er wirkt nach und rückt einen selbst ein wenig ins Abseits, was den Horizont zuweilen auf ganz eigene Art erweitert.

Krieg und Frieden von Lew Tolstoi

Ja ich gebe zu, Krieg und Frieden ist natürlich aufgrund seiner Popularität einfach abgedroschen. Das macht aber nichts, denn es ist ein Meisterwerk und es ist inhaltlich so breit gefächert, dass man es nicht lesen kann, ohne darüber nachzudenken, ohne davon ins Grübeln zu kommen. Und wenn man Tolstoi nicht mag, dann denkt man darüber nach, um ihn zu widerlegen. Mir sind zahlreiche Dinge fest in Erinnerung geblieben und ich musste in verschiedensten Situationen meines Lebens immer wieder an Szenen aus diesem Romanepos denken. Da sind auf der einen Seite die beiden Hauptfiguren Andrej Bolkonski und Pierre Besuchow. Beide durchleben verschiedenste Lebenssituationen, probieren sich auf ganz unterschiedliche Arten aus und suchen auf diese Weise nach dem Sinn ihres Lebens. Mich hat das fasziniert und es stellt sich unweigerlich die Frage, was einen denn selbst antreibt und inwiefern man sich denn in den Figuren wieder findet. Darüber hinaus fand ich die geschichtsphilosophischen Ausführungen sehr fesselnd, auch wenn sie gewisse Längen haben. Wenn Tolstoi beschreibt, dass eigentlich die großen mächtigen Menschen in ihrer Freiheit massiv eingeschränkt sind und nicht die Entscheidungsfreiheit haben, wie man annehmen möchte, dann ist das absolut plausibel, was er beschreibt. Oder wie er erklärt, dass es nicht Napoleon war, der sich an die Spitze zur Eroberung Europas gesetzt hat, sondern dass es die Menschen der damaligen Gesellschaft waren, dass es das Kollektiv war, dass ihn zwingend hervorgebracht hat. Ob darin nun die Wahrheit liegt oder nicht, das ist gar nicht so wichtig. Man fängt an über die Dinge nachzudenken und in Anbetracht der aktuellen geopolitischen Lage sind es Gedanken, die wichtig sind und die einem die Gemengelage aus einer anderen Perspektive sehen lassen. Natürlich ist in dem Buch noch viel mehr zu finden, aber alleine für die hier genannten Dinge ist es schon ein ganz wichtiges Buch, das hier nicht fehlen darf.

1984 von George Orwell

Ich glaube 1984 von George Orwell kann man nicht oft genug empfehlen. In Anbetracht dessen, was dieser Tage mit den Daten von milliarden Menschen passiert, von denen sehr viele völlig gedankenlos damit umgehen, mutet dieses Buch aktueller den je an. Mit Blick auf einige Länder erscheint es eher eine Anleitung denn eine Warnung zu sein. Orwell beschreibt in 1984 nicht nur die vollständige Überwachung der Menschen als eine Dystopie, er konstruiert eine Gesellschaft, die einen stabilen Zustand erreicht hat, die aber zum Nachteil der in ihr lebenden Menschen wirkt. Konzepte wie das Zwiedenk oder wie die Funktionäre seines fiktiven Staates die Sprache verändern, um das Denken der Menschen zu beeinflussen (ganz gemäß Wittgenstein: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“) ist schockierend und erhellend zugleich. Wer sieht, wie auch hierzulande in Sprache eingegriffen wird, der weiß, wie aktuell das Buch auch für den deutschen Leser ist. Ich glaube niemand kann 1984 lesen und davon unberührt bleiben. Das Buch wurde erst vor wenigen Jahren gemeinfrei und seitdem sind zahlreiche neue Übersetzungen davon erschienen. Ich hatte eigentlich eine richtig alte durchgelutschte Ausgabe, die ich aber (zum Glück) nicht mehr wieder gefunden habe. Das war für mich gleich Anlass mir die günstige aber schöne Neuauflage vom Nikol Verlag zu holen.

Die menschliche Komödie von Honoré de Balzac

Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. Honoré de Balzac liebe ich und ich habe von ihm so viel gelesen, wie von keinem anderen Autoren. Sein Lebenswerk Die menschliche Komödie ist unübertroffen, sein Einfluss auf die Literatur, die Autoren seiner Zeit, aber auch auf die folgenden Literaturepochen bis in die Gegenwart ist unbestreitbar. Sein Lebenswerk ist gigantisch, seine Romane damals wie heute faszinieren, unterhalten und sind voll mit philosophischer Weisheit. Einem Weitblick und einer Aktualität, die in seiner Zeit, die der französischen Restauration, aber auch in die Gegenwart passt und das menschliche Denken und Handeln auf eine abstrahierende Art porträtiert, das etwas Allgemeingültiges und Universelles hat. Zum Einstieg kann ich sehr Vater Goriot empfehlen, das Buch gibt einen wunderbaren Einblick in sein Werk und transportiert auf sehr unterhaltsame Weise zahlreiche Gedanken, die einfach unglaublich inspirierend sind. Ich habe mich immer wieder ertappt, wie ich bei seinen Büchern mir gedacht habe, dass es genau so ist, dass er den Menschen, seine Art zu Denken und zu Handeln genau getroffen hat. Natürlich überzeichnet er ganz bewusst, einfach um Unterhaltungswert zu schaffen, aber er beschreibt auch, wie der Mensch seit jeher tickt. Immer wieder liest man auch im Feuilleton Schlagzeilen wie „Warum es in Krisenzeiten lohnt, Balzac zu lesen“. Balzac wollte Zeit seines Lebens reich werden, er hat viel versucht und dieses Streben findet sich auch in seinen Büchern wieder. Wenn er beschreibt, wie César Birotteau Opfer von Immobilienspekulationen wird, dann könnte das zweifellos auch aus diesen Tagen stammen. Oder wenn er die Bänker porträtiert, wie sie ihre krummen Geschäfte machen, bis hin zum Adel, der natürlich auch ordentlich mitmischt und wie die einzelnen Figuren immer wieder versuchen die Zwiebelschalen der sozialen Schichten zu durchbrechen. Es ist unterhaltsam, faszinierend und voll mit Impulsen, mit Gedanken, die man schwer wieder abschütteln kann. Lest Balzac, mehr kann man nicht sagen.

Fazit: Ich hoffe euch hat meine Auflistung gefallen und ihr findet ein paar gute Buchtipps. Gerne könnt ihr mir die Bücher schreiben, die euch begeistert haben, die für euch einen besonderen Stellenwert haben und euer Denken beeinflusst haben. Ich freue mich sehr über solche Buchtipps, die von Herzen und aus der eigenen Erfahrung heraus kommen, genau wie diese Auswahl hier.

13 Kommentare

  1. Gut, dass du deinen Titel gleich wieder relativiert hast 😉
    Ich wollte schon schimpfen, dass das gar nicht zu deinen sonst so ausgewogenen Artikeln passt – da du hast den Wind aus diesem steilen Segel selbst gleich wieder rausgenommen und durchaus mit einer frischen Brise Werke der Weltliteratur zum Besten gegeben, von denen ich – zugegeben gerade mal die Hälfte gelesen habe.
    Danke für die Anregung – machmal hilft ja auch ein reißerischer Titel – aber bitte nicht so oft.
    Beste Grüße.

    1. Lieber David,

      na das war natürlich die Absicht mit einem provokanten Titel die Leser anzulocken. In der hiesigen Medienwelt ist das ja schon fast zur Norm geworden. Aber keine Sorge, das wird nun hier nicht die Regel 😉

      Ich hoffe, Du hast den ein oder andern Tipp mitnehmen können?!

      Liebe Grüße
      Tobi

  2. Lieben Dank für die Empfehlungen an Tobi!

    Ich selbst muss zugeben, dass ich in bellizistischen Zeiten wie diesen, in denen die Rüstungsindustrie Hochkonjunktur feiert und man (frau) weder in schöngeistiger Literatur noch in eher eskalierend und also keineswegs objektiv-kritisch, sondern – statt dissonant und diskursiv hinterfragend – eine gefährliche Gewaltspirale überwiegend harmonisch begleitendem Journalismus eine logische oder menschliche Antwort finden kann, diese in Sachbüchern zu finden hoffe.

    Neben Richard David Precht/ Harald Welzer, Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, wenn sie keine ist., S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022, habe ich eine halbwegs stringente, wenn auch alles andere als beruhigende Orientierung auch in Jürgen Habermas, Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik, Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 3. Aufl., 1922, finden können.
    Und natürlich hatte ich bei der Lektüre nicht nur ein Déjà-vu-Erlebnis zum hier von Tobi angesprochenen „1984“ von Orwell.
    Etwa, als ich in Precht/Welzer, a.a.O. z.B. S. 181 ff. von der schon seit der Jahrtausendwende benutzten Erkenntnis las, „dass Suchmaschinen nicht einfach ein hübscher Ort für Werbekunden“ sind, „sondern eine Goldader für die Durchleuchtung der Nutzer“.
    Und dass die Leit- und Printmedien, um mit den linearen, komplexe Zusammenhänge gefährlich vereinfachenden, indexierenden „Dot-com-Blasen“ Schritt halten zu können, immer mehr kaufmännische als inhaltlich redaktionelle Entscheidungen treffen, die letztlich nichts mit einer „realistischen Beschreibung von Vorgängen“, mit „verifizierbaren Beobachtungen“, mit also der eigentlichen, der selbstverständlichen Aufgabe von Journalismus zu tun haben (Precht/ Welzer, a.a.O., S. 177).

    Dies alles macht wenig Zuversicht und trotzdem bleibt – selbst in (mehr oder weniger deutlich erklärten) Kriegszeiten immer die Hoffnung.
    Und wenn Tobi die Frage stellt, welche Bücher am meisten prägend waren, so sind es für mich ganz klar und konkurrenzlos jene von Franz Kafka.
    Und dessen allegorische und symbolische Navigatoren helfen mir immer wieder durch den Alltag – ob begeisternd in sonnigen oder tröstend in neblig-düsteren Stunden.
    Hier eine seiner schönsten lyrischen Gedanken:
    „Träume sind angekommen, flußaufwärts sind sie gekommen, auf einer Leiter steigen sie die Quaimauer hinauf.
    Man bleibt stehen, unterhält sich mit ihnen, sie wissen mancherlei, nur, woher sie kommen wissen sie nicht …
    Warum hebt ihr die Arme, statt uns in sie zu schließen?“
    (Franz Kafka in seinen Tagebüchern, zitiert nach Max Brod, Über Franz Kafka, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1980, S. 169)

    1. Liebe Sandra,

      ich denke man muss, sowohl bei Belletristik, als auch bei Sachbüchern, auf eine ausgewogene Bücherauswahl achten. Bei den Büchern, die Du nennst, sind schon einige Themen dabei, die man gut dosieren sollte, weil es sonst doch zu sehr auf das Gemüt schlägt. Deshalb liebe ich auch Bücher über Astrophysik, über die Zeit, über Kognitionswissenschaft oder eben eine Gesellschaft, die weit zurück liegt und natürlich einen ganz starken Bezug zu dieser Tage hat, aber eben nicht den trüben Blick in das aktuelle Zeitgeschehen öffnet.

      Kafka hat für mich auch immer eine echt schwermütige Komponente. Da muss ich immer an Kaffeehaussitzers Blogbeitrag Kafkaesk in Prag denken. Besonders ist mir ja „Der Prozess“ von Kafka in Erinnerung geblieben.

      Ich hoffe in der Auswahl war vielleicht auch für Dich ein guter Tipp dabei, wobei ich mir sicher bin, dass Du schon zahlreiche Bücher davon gelesen hast.

      Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar. Überhaupt freue ich mich immer sehr über Deine gehaltvollen und fundierten Kommentare, die jedes Mal wirklich eine Bereicherung sind.

      Liebe Grüße
      Tobi

      1. Lieber Tobi,
        danke, ja, Kafka wird hier oft sehr Unrecht getan. Ich zitiere nur seinen besten Freund, Max Brod:
        „Es ist ein neues Lächeln, das Kafkas Werk auszeichnet, ein Lächeln in der Nähe der letzten Dinge, ein metaphysisches Lächeln gleichsam, – ja manchmal, wenn er uns Freunden eine seiner Erzählungen vorlas, steigerte es sich, und wir lachten laut heraus.“ (Max Brod, zitiert nach: Der komische Kafka. Eine Anthologie, hrsg. von Günter Stolzenberger, marixverlag in der Verlagshaus Römerberg GmbH, Wiesbaden 2015).
        Und ich selbst kriege mich regelmäßig vor Lachen nicht mehr ein, wenn ich folgende Anekdote von Franz Kafka lese:

        https://www.franzkafka.de/fundstuecke/kafka-lacht-den-praesidenten-aus

        😉

  3. Lieber Tobi,
    zu Oblomow, 1984, Krieg und Frieden, Sofies Welt. Das sind Geschichten, die mir nach wie vor im Kopf rumschwirren – und die ersten drei davon habe ich vor knapp 60 Jahren zum ersten Mal gelesen. Oblomow und 1984 später noch mehrmals.
    Mein Leben hat „Der Fänger im Roggen“ von J.D. Salinger verändert. Ja, Leben verändert! 1966 in biederen Verhältnisse aufgewachsen, in konservativem Schulumfeld „gebildet“, zur Tanzstunde mit Krawatte gegangen und nicht nur Hully Gully und Twist gelernt, sondern auch gutes Benehmen den „Damen“ gegenüber. Dann habe ich Holden Caulfield kennengelernt, das Gegenstück zu mir und den Mitschüler des alt- und neusprachlichen Gymnasiums für Jungen.
    Das Buch, an dessen Übersetzung Heinrich Böll beteiligt war, hat mir die Augen geöffnet für die Welt außerhalb der Blase, in der ich lebte.
    Als ich 1968 an die Uni ging, war ich trotzdem nicht der ’68er Revoluzzer, aber wesentlich kritischer Politik und Gesellschaftsstrukturen gegenüber, als ich es vermutlich ohne den Fänger im Roggen gewesen wäre.

  4. Lieber Tobi,
    herzlichen Dank für diese Zusammenstellung. Die meisten der Titel kenne ich bzw. habe sie auch gelesen. Die bisher unbekannten habe ich mir notiert für die Zukunft, denn irgendwie werden gute Bücher immer weniger….
    Die bewußte Übertreibung, dass die Bücher gleich Dein Leben verändert haben, nehme ich schmunzelnd wahr. Dabei glaube ich schon, dass Bücher den Leser verändern können, nicht abrupt, nach einer einzigen Lektüre. Eher allmählich und langfristig, aber schon merkbar.
    Auch in kultureller Sicht: Erst mit der Lektüre von den »Erzählungen Iwan Belkins“ von Alexander Puschkin bin ich offen für Literatur aus dem russischen Sprachraum geworden. Damit kann ich Dein Lob von Tolstois »Krieg und Frieden« gut nachvollziehen, auch wenn ich »Anna Karenina« für mindestens gleichwertig halte.
    Sandras Beitrag, den ich hervorragend finde, hat mir Mut gemacht ein Thema anzuschneiden: Erst mit der Lektüre von Sarah Wagenknecht »Die Selbstgerechten« und Feddersen/Gessler »Kampf der
    Identiäten« ist mir klar geworden, welchen Holzweg die Identitätspolitik eingeschlagen hat.
    Ein bischen dort hinein gehört auch Philipp Roth »The human stain«, der deutsche Titel war wohl »Der menschliche Makel«.
    Es sind also keineswegs nur Sachbücher, die einen beeinflussen.
    Eher im Gegenteil, ich suche geradezu nach Literatur, die meinen Horizont erweitert und das Verständnis für fremde Kulturen.Wie es Gusel Jachina atuell in ihren Romanen aus dem Kulturraum der Wolgadistrikte Russlands schafft.
    Oder Werke wie die des Norwegers Aksel Sandxemose, die vor philosophischen und psychologischen Erkenntnissen gerdezu strotzen. Das sind für mich auch Gründe, warum ich die Tendenz in der Ukraine, alles an russischer Kultur
    auszumerzen für völlig falsch halte, auch in Anbetracht der russischen Invasion.
    Dass ich kein Kafka Fan bin, geschenkt, der ist mir einfach zu depressiv, ähnlich wie Dostojewski.
    Aber auf einen Punkt möchte ich noch hinweisen. Welche Bücher für einen wichtig sind, hängt sehr stark vom Lebensabschnitt des Lesers ab. Im Studium fand ich Hermann Hesse wegweisend. Später die SF eines Stanislaw Lem. In den Dreissigern Bergsteiger-Bücher wie Reinhold Messner oder Reinhard Karl. Darüber muss ich heute eher lächeln, sie geben mir nicht mehr viel.
    Und ich suche nun Bücher, die mir helfen den Sinn des Lebens und der Menschheit helfen zu verstehen.
    Ob man besser von den wichtigsten Büchern eines Lebensabschnitts spricht?

    1. Dankeschön an Michael, dem ich das Kompliment gerne zurückgebe, ebenso wie an viele andere Kommentatorinnen und Kommentatoren und letztlich an Tobi, der einen ebenso sachlichen wie uneitlen Blog betreibt, der Kommentatorinnen und Diskutanten nicht nur inspiriert, den eigenen „Senf“ hinzuzugeben, der vielmehr auch einen Diskurs unter Vielen auf Augenhöhe ermöglicht.
      Dass ich kein Sahra-Wagenknecht-„Fan“ bin – ebenfalls „geschenkt“ 😉
      Das hindert mich aber nicht, einen u.a. von ihr initiierten Appell für mehr Diplomatie und gegen die grauenvolle Kriegslogik, die ich nicht als logisch erkennen kann, zu unterschreiben.
      Und der Begriff „Identitätspolitik“ ist ja in allen möglichen, sich teilweise widersprechenden Sinnen konnotiert.
      Ich verstehe IP als ein Bewusstsein, dass auf individuellen Identitäten beruht, die sich in Gruppen wiederfinden, weil sie sich im Vergleich zu anderen benachteiligt, wenn nicht gar diskriminiert fühlen.
      Und so lange, um nur ein Beispiel zu nennen, der genetisch-wissenschaftlich inzwischen gesicherte Fakt nicht anerkannt wird, dass es keine menschlichen „Rassen“ gibt, so lange also Rassismus grassiert, so lange finde ich etwa die BLM-Bewegung, und also IP wichtig und richtig.

      Ich selbst finde die Headline von Tobi übrigens nicht übertrieben.
      Franz Kafkas Werk hat tatsächlich mein Leben verändert. So bin ich Mitte der Nuller-Jahre eher zufällig auf Kafkas „Amerika“ aus der SZ-Bibliothek gestoßen (auf dem Buchrücken fand sich sein wunderschönes charismatisches Portrait). Und seither lässt mich seine glasklare, reine, schnörkellose Prosa, die trotz ihrer unprätentiösen Art gewaltige Bilder malt, nicht mehr los.
      Und seitdem fahren mein Mann und ich jedes Jahr zum ersten Advent (mit Ausnahme zweier schmerzlicher Corona-Zwangspausen) nach Prag, um Kafkas Wege nachzuvollziehen.
      Und dass Kafka alles andere als humorlos war, habe ich oben schon versucht darzustellen.
      Und wenn er immer wieder in das „unverbindliche Dämmerlicht des Bloß-Phantasierenden (oder des völlig Welt-Zerstörenden, Sich-selbst-Zerstörenden, Nihilistischen)“ gerückt wird, so widerspreche ich mit einem, der ihn besser kannte, als jeder andere, seinem langjährigen Freund Max Brod.
      Alle, die Kafkas Werk deprimierend und nihilistisch nennen und ihn gar mit einem frauenverachtenden, macht- und kriegsverherrlichenden und also lebensfeindlichen Möchtegern-Philosophen vergleichen, sei also mit Max Brod wie folgt erwidert:
      „Denn Nietzsche ist ja in der Geschichte des letzten Jahrhunderts der fast mathematisch genaue Gegenpol Kafkas. Es zeigt die Instinktlosigkeit mancher Kafka-Erklärer, dass sie sich nicht scheuen, Kafka und Nietzsche (.etwa mit der Begründung, dass beide krank waren und zur Gesundheit strebten) auf einer Ebene zusammenzubringen, – als ob es hier irgendwelche noch so vage Bindungen, Vergleichsmöglichkeiten und nicht den puren Gegensatz gäbe; als ob das, was Kafka Gesundheit nennt, nämlich ein reines, liebevolles, niemanden schädigendes Leben, und Nietzsches betonte Mitleidlosigkeit der ´blonden Bestie` einen gemeinsamen Nenner hätten.“ (Max Brod über Franz Kafka, a.a.O., S. 259)
      Schon die Ansichten zu „Krieg“ und „Macht“ trennen Nietzsche und Kafka. So meint Nietzsche (leider aktueller denn, wenn auch ebenso abwegig wie eh und je): „Eine Rechtsordnung, als Beschränkung des Krieges gedacht, wäre ein lebensfeindliches Prinzip; ein Zeichen der Ermüdung, ein Schleichweg zum Nichts!“.
      Dem setzt Kafka diametral entgegen: „Macht ist der Würgegriff der Alexanderschlacht, den auszulöschen Inhalt unseres Seins bedeutet.“ (zitiert nach Max Brod, a.a.O., m.w.N., S. 258).

      Kafkas Werk kann man m.E. nur in seinem biografischen Kontext verstehen. Und man muss ihn unbedingt als Mensch kennenlernen, so wie etwa seine große Liebe, Milena Jesenska, ihn in ihrem berührenden Nachruf beschreibt:

      https://www.franzkafka.de/fundstuecke/milenas-nachruf

  5. Schönen guten Morgen!

    Eine echt interessante Liste und die meisten Titel kenne ich dem Namen nach. Vieles davon ist aber für „zu schwere Kost“ muss ich ganz einfach zugeben 🙂

    Allerdings hab ich Der Graf von Monte Christo gelesen – das fand ich auch total klasse, ist aber bei mir schon sehr lange her.
    1984 ist auch schon eine Weile her, aber das war auch für mich beeindruckend. Welche Ausgabe ich hatte weiß ich nicht mehr… den Stil fand ich aber etwas zäh, wenn ich mich richtig erinnere.

    Was auch bei mir zu den Büchern zählt, die etwas bei mir im Leben bewegt haben, war Sofies Welt. Das hab ich gelesen, ich weiß nicht mehr, als ich Anfang 20 war? Oder kurz vor 20? Jedenfalls hat es mich sehr bewegt und mir die Philosophie eröffnet – über die ich vorher nie so wirklich nachgedacht hatte.

    Deinen Beitrag hab ich heute gerne in meiner Stöberrunde verlinkt 🙂

    Liebste Grüße, Aleshanee

  6. Ich habe „die weiße Rose“ von Traven bestellt, nachdem ich hier davon gelesen habe, den Autor kannte ich vorher nicht.
    Es ist ein absolut wunderbares Buch, vielen Dank für diese Empfehlung, ich hatte große Freude beim Lesen!

    1. Vielen lieben Dank für den Kommentar und das Feedback. Das freut mich sehr, dass ein Buchtipp von mir gefallen gefunden hat. Traven ist einfach echt gut und wenn ich alleine an die Beschreibung von dem Konzernboss denke, bekomme ich schon wieder Lust auf ein weiteres Buch von Traven.

      Liebe Grüße
      Tobi

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