Das Geheimnis der See • Bram Stoker

Auch dieses Jahr führte mich der Urlaub ans Meer und passend dazu habe ich meine Lektüre gewählt. Ein Buch aus der mare Klassiker Reihe ist ein Garant für hervorragende Literatur mit der entsprechenden Brise Meer. Von Stoker habe ich vor gar nicht so langer Zeit Dracula gelesen und fand diese klassische und dichte Atmosphäre sehr fesselnd. Doch was erwartet den Leser in Das Geheimnis der See?

Der Protagonist Archie Hunter reist an die Schottische Küste und trifft dort auf eine wunderliche alte Frau, von der er über ein Geheimnis der See erfährt. Er begibt sich auf die Suche und verstrickt sich schnell in ein uraltes Rätsel. Dabei trifft er auf die geheimnisvolle und schöne Amerikanerin Marjory, in die er sich schnell verliebt. Es beginnt ein rasantes Abenteuer, das seinen Ursprung im 16. Jahrhundert hat und Archie von einer Gefahr in die nächste stürzt.

Um ehrlich zu sein, habe ich den Klappentext vor der Lektüre nicht gelesen. Für mich war klar, dass das Buch einfach gut ist. Dracula von Stoker fand ich gelungen, auch wenn ich es als etwas zu lange empfunden habe. Das Geheimnis der See ist in zahlreiche eher kurze Kapitel unterteilt und liest sich sehr schnell und flüssig. Es hat einfach diese schöne Sprache und Erzählweise, wie man sie eigentlich nur in den alten Klassikern und Abenteuerromanen findet. Mir hat das richtig gut gefallen. Ich war schnell in der Geschichte und als die Liebesgeschichte um Marjory begann (was recht früh der Fall ist) war ich voll dabei. Das Buch ist ein Abenteuerroman im Stile von Dumas, Stevenson oder Verne. Einfach gut.

Das Tempo ist gut und es passiert viel. Mir hat der Mix gefallen, denn es ist eine Horrorgeschichte, es ist eine Gothic Novel, es ist ein Abenteuerroman, es ist ein Klassiker, es ist von allem ein bisschen. Es wechselt seine Ausrichtung immer wieder und man findet verschiedenste Elemente darin. Ein altes geheimnisvolles Schloss, eine Liebesgeschichte, rasante Verfolgungsjagden, eine Schatzsuche, schöne (nicht zu lange) Landschaftsbeschreibungen. Eine bunte Mischung, die aber trotzdem stimmig ist und in der eigenen Vorstellung wie ein Film abläuft. Auch der Spannungsbogen ist sehr gut gelungen und man bleibt bis zum Ende gut dabei.

Stoker hat ein paar schöne Ideen in das Buch gepackt. Beispielsweise einen Geheimcode, der für die Geschichte eine zentrale Bedeutung hat. Das hat mich an Die Jangada von Jules Verne erinnert, wo eine Entschlüsselung auch ein Spannungselement ist. Stoker hat im Anhang auch den Binärcode und dessen Modifikation beschrieben. Dieser Tage wäre diese Chiffre völlig unbrauchbar und könnte durch statistische Analysen schnell entschlüsselt werden. Aber die Idee auf diese Weise Nachrichten zu verstecken ist interessant und das könnte schon funktionieren. Besonders wenn diese binären Zeichen in variierten Schriftarten oder ähnlich schwer zu entdeckenden Strukturen versteckt werden.

Mir hat Marjory sehr gut gefallen, da sie nicht dem damals vorherrschenden Frauenbild entspricht. Sie ist selbstbewusst und selbstbestimmt, auch wenn Stoker das dann im Verlauf ein bisschen aufweicht. Man merkt einfach das antiquierte Frauenbild, das damals vorherrschend war. Da muss man berücksichtigen, dass es einfach ein Buch ist, das um die Jahrhundertwende geschrieben wurde. Die Geschichte bringt es aber voran und gerade Marjory gibt dem Buch erst die entsprechende Würze.

Von der Sprache fand ich das Buch sehr gelungen. Die Übersetzung von Alexander Pechmann ist gewohnt hervorragend. Er hat bereits mehrere Bücher der mare Klassiker Reihe übersetzt und es war klar, dass hier alles gut passen wird. Ich fand die kurzen Kapitel sehr angenehm, die gerade im Urlaub, wo man doch immer wieder unterbrochen wird, für eine gute Unterteilung gesorgt haben. Das Nachwort ist informativ und interessant, genau so wie es sein soll.

Bram Stoker, geboren 1847 war Ire und sein Lebenslauf liest sich schon auch interessant. Als drittes von sieben Kindern war er bis zu seinem siebten Lebensjahr krank und konnte nicht stehen und laufen. Seine Genesung war wohl ein Wunder für die Ärzte und er wurde sogar Athlet und spielte hervorragend Fußball. Er studierte im Trinity College Geschichte, Literatur, Mathematik und Physik. Ich finde es faszinierend, wie vielseitig seine Begabungen und Interessen waren und das spiegelt sich auch in seinen Büchern wider. Er war Theaterkritiker, Herausgeber einer Zeitschrift, Manager von Henry Irving und Agent von Mark Twain. Später verkehrte er auch in der High Society, kannte Oscar Wilde und Arthur Conan Doyle.

Die Aufmachung des Buches ist wieder hervorragend. Die Gestaltung des Buches folgt der ersten Ausgabe aus dem Jahr 1902, die ebenfalls diesen schwarzen Leineneinband mit dem Mond hinter den Wolken hat. Ein Detail, das mir richtig gut gefallen hat, denn es gibt dem Buch etwas von einem Faksimile und man erlebt es so, wie es auch vom Autoren gedacht war. der Schuber, die Fadenheftung, das graue Lesebändchen, die gewählte Typographie und nicht zuletzt das angenehm weiche und hochwertige Papier machen das Buch zu einem bibliophilen Vergnügen. Einfach wunderbar, ich bin da wunschlos glücklich. Die mare Klassiker mögen ihren Preis haben, sie sind aber jeden Cent wert.

Fazit: Wer einen vielseitigen und spannenden Abenteuerroman zu schätzen weiß, der wird Das Geheimnis der See so wie ich lieben. Eine spannende und einfach wunderbare Geschichte, die sich angenehm liest, die nicht langweilig wird, die ganz unterschiedliche aber sehr harmonisch zusammenwirkende Elemente hat und nicht zuletzt mit der für den mare Verlag typischen Brise Meer aufwartet. Die Aufmachung des Buches, die stark an der Erstausgabe angelehnt ist, erfüllt alle bibliophilen Wünsche und ist einfach hervorragend. Wer Autoren wie Alexandre Dumas, Robert Louis Stevenson oder Jules Verne mag, der wird auch dieses Buch einfach nur genießen. Das Geheimnis der See ist eine uneingeschränkte Empfehlung.

Buchinformation: Das Geheimnis der See • Bram Stoker • mare Verlag • 544 Seiten • ISBN 9783866487048

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