Medusa und Perseus • André Breinbauer

Ganz unerwartet ist vor einer Woche diese schöne Graphic Novel bei mir eingetrudelt. Es war schon echt wieder einige Zeit her, dass ich einen Comic gelesen hatte und ich hab mich sehr über das Buch gefreut. Thema ist Medusa und Perseus, eine Sage aus der griechischen Mythologie, die in dem Debüt des Illustrators André Breinbauer neu erzählt wird. Hält das Buch was es verspricht? Erfahrt es in diesem Beitrag mit vielen Fotos, die euch einen Einblick in die Graphic Novel gibt.

Die eigentliche Story ist schnell zusammengefasst: Die wunderschöne Medusa wird in Athenes Tempel von Poseidon vergewaltigt und aus dieser Vereinigung ging Pegasos, ein geflügeltes Pferd hervor. Athene war so erzürnt, dass sie Medusa in ein Ungeheuer mit Schlangenhaaren verwandelte. Ein Blick von ihr genügte, um die Menschen versteinern zu lassen. Perseus, der Sohn von Zeus und Danaë wird von Polydektes genötigt, ihm den Kopf Medusas zu bringen. Eigentlicher Wunsch von Polydektes ist es, dass Perseus sterben sollte, so dass er dessen Mutter Danaë für sich alleine besitzen würde.

Genau diese Geschichte erzählt auch André Breinbauer in diesem Buch nach, wobei er allerdings sowohl Medusa, als auch Perseus genug Raum einräumt, um sie menschlich darzustellen. Medusa ist also in dem Comic nicht das hässliche Monster, welches einfach bösartig ist, sondern er zeichnet eine Frau, die Opfer von Poseidons Vergewaltigung und so Opfer ihres Schicksaals wurde. Auch Perseus macht sich nur auf den Weg, um seine Mutter vor Polydektes zu retten. Was ich so aber von dem Mythos gelesen habe, entspricht trotz dieser veränderten eigenen Interpretation die Geschichte dem, was die Sage überliefert.

Die Story hat also zwei Seiten: Einmal die von Medusa und dann die von Perseus. Und das finde ich an dem Buch richtig gut gelungen: Es ist ein Wendebuch. Medusas Geschichte liest mal also von der einen Seite und wenn man das Buch umdreht, dann kann man Perseus Seite erfahren. Diese kreative Idee finde ich hervorragend und kenne ich sonst nur von Kinderbüchern.

Der Zeichenstil ist vielseitig und schafft es hervorragend, die Emotionen, Gedanken und Handlungen der Charaktere zu transportieren. Oft wirken die Zeichnungen sehr schlicht und wenn Medusa sich erinnert, dann wechselt Breinbauer ein einen skizzenhaften Stil, der in schwarz-weiß gehalten ist. Oft sind die Panels, die auch immer mal wieder eine komplette Seite oder Doppelseite einnehmen, auch sehr schön koloriert. Während Medusas Teil mit deutlich weniger Text auskommt, ist Perseus Seite dafür um so geschwätziger. Wenn Perseus über die Zusammenkunft seiner Mutter Danaë mit Zeus oder ihrer Entführung berichtet, wechselt der Stil und erinnert stark an alte griechische Wandmalereien.

Die Zeichnungen haben mir stellenweise richtig gut gefallen, oft waren sie mir für eine Graphic Novel dann aber auch zu comichaft. Ein humorvoller Unterton ist immer wahrzunehmen, auch in der Sprache, die sehr alltäglich wirkt. Auf der einen Seite suggerieren einige Zeichnungen eine gewisse Ernsthaftigkeit, gerade wenn Medusas Schicksaal gezeigt wird, auf der anderen Seite wirken einige Szenen und auch die Mimik der Figuren eher komisch. Diesen Spagat bekommt das Buch aus meiner Sicht nicht so richtig hin.

Ein zweiter Haken ist der Umfang des Buches. Es ist ja schon ganz schön dick und man bekommt hier schon eine Menge Zeichnungen geboten. Allerdings war bei mir das Lesetempo schon hoch, da auf den einzelnen Panels nicht so viel zu sehen ist. Besonders wenn sich Medusa zurück erinnert. In Summe ist der Comic also dann erstaunlich schnell gelesen. Es muss einen also der Zeichenstil schon zusagen, so dass man auch öfters zu dem Buch greift. Das ist für mich auch der Grund, wieso meine Comicsammlung recht klein ist und ich nur zu handverlesenen Comics greife, da ja der Platz im heimatlichen Bücherregal ohnehin schon sehr knapp ist.

André Breinbauer lebt in Wien und ist dort ein freischaffender Illustrator und Comiczeichner. Ursprünglich in Passau geboren, studierte er an der Kunstakademie Nürnberg Grafikdesign und gibt mittlerweile auch Kurse für Comiczeichnen in der Zeichenfabrik Wien. Betrachtet man die Zeichnungen, dann wird schnell klar, dass Breinbauer Erfahrung hat und Übung darin hat, seinen Zeichnungen Ausdruck zu verleihen. Schon in seiner Kindheit hat er eine Faszination für die griechische Mythologie entwickelt, welche er in dieser Graphic Novel aufgegriffen hat.

Die Aufmachung von dem Buch gefällt mir gut, denn es ist schön gebunden, hat eine Fadenheftung und auch das Papier wirkt angenehm dick. Farben und Druck kommen gut zur Geltung und auch das Vorsatzpapier ist sehr ansprechend gestaltet. Hinsichtlich der Verarbeitung gibt es hier nichts zu klagen, da merkt man am Carlsen Verlag einfach die Erfahrung.

Fazit: Das Debüt Medusa und Perseus von André Breinbauer ist eine Graphic Novel, die mit ihrer Neuinterpretation des griechischen Mythos um Medusa und Perseus solide umgesetzt ist und mit seinem vielseitigen skizzenhaften Zeichenstil besticht. Einige der Zeichnungen haben mir sehr gut gefallen, andere waren mir für eine Graphic Novel etwas zu comic- und zu skizzenhaft. Auch die Lesezeit ist trotz des Umfangs leider recht kurz. Die Idee ein Wendebuch zu gestalten, das von zwei Seiten gelesen wird, finde ich wiederum sehr gelungen. Insgesamt ist das Buch eine unterhaltsame Lektüre, es fühlt sich gut an es in die Hand zu nehmen und wer in die griechische Mythologie eintauchen möchte, der findet hier durchaus eine passende Lektüre. Meinen Geschmack hat es allerdings nur zum Teil getroffen.

Buchinformation: Medusa und Perseus • André Breinbauer • Carlsen Comic Verlag • 288 Seiten • ISBN 9783551796103

4 Kommentare

  1. Danke, Tobi, immer wieder spannend, wie aktuell die griechische Mythologie doch sein kann. Ich setze dieses Buch einfach mal auf meine Wunschliste für meine Lieben, die immer wieder gerne und sensibel nach passenden Geschenken suchen.
    Es erzählt ja offensichtlich die ganze, ungekürzte Medusa-Geschichte und darf
    – vorbehaltlich einer eigenen Lektüre bzw. Ansicht 😉 – womöglich in eine feministisch-patriarchatskritische Interpretation griechisch-mythologischer Frauengestalten eingeordnet werden (?); ähnlich wie bspw. „Kassandra“ von Christa Wolf.
    Von dieser Erzählung liegt mir ein mir persönlich gewidmetes Exemplar des dtv vor, auf das ich besonders stolz bin.
    Auch mit Blick auf die bzgl. der selbstverständlichsten Frauenrechte `gen Steinzeit gerichtete aktuelle Supreme-Court-Entscheidung in den USA oder auf chauvinistisch-maskulinistische Kriegstreiber wie Putin oder Erdogan (und im letzten Halbsatz bleibe ich, um nicht ausufern zu müssen, nur in den europäisch oder europanahen Grenzen) freut es doch immer wieder, solch progressive Literatur entdecken zu können.
    „Mit meiner Stimme sprechen. Mehr, andres hab ich nicht gewollt.“
    So lautet ein vor den Realitäten kapitulierendes, jedoch nicht ganz hoffnungsfreies, Kassandra zugeschriebenes Zitat; ein Resümee der Seherin, der niemand glaubte, die für ihre Autonomie kämpfte und für dieses Ziel sogar ihren Tod in Kauf nahm.
    „Christa Wolf hat die Figur Kassandra lebendig phantasiert und sie aus dem Mythos in ein utopisches Einst als ihren Ort eingeschrieben – ein Einst, das die Vergangenheit und zugleich die Zukunft meint. Es war einst und wird einst sein eine Frau namens Kassandra, eine exemplarische Dissidentin, eine Frau am Schnittpunkt zwischen Patriarchat und Matriarchat, eine Frau, die für sich und ihresgleichen eine lebbare Alternative zum (männlichen) Gewalt- und Herrschaftsdenken sucht, eine Frau, die auf dem rechten Weg scheitert, aber dadurch ihn beglaubigt.“ (profil, Wien, als Klappentext zu und zitiert nach: Christa Wolf, Kassandra, Deutscher Tachenbuch Verlag GmbH & Co. KG, 5. Aufl., München 1997)
    Lesenswert hierzu auch ein Link zum BR Zündfunk, Laura Freisberg, Stand 08.04.2020: „Christa Wolfs ´Kassandra` ist eine Seelenverwandte für alle, die es sich gedanklich nicht zu bequem machen wollen.“
    Danke, Tobi, Deine Literaturtipps regen eben zu einem solchen Blick über den komfortablen Tellerrand an.

  2. Vielen Dank für den schönen Lesetipp! Deine Rezension hat mir wieder sehr gut gefallen – sehr gut lesbar und geschrieben und jederzeit nachvollziehbar. Vielen Dank!

  3. Hallo Tobi, danke für den spannenden Einblick. Ich habe vor kurzem erst in LORE wieder von Medusa und Perseus gelesen und bin daher hier gleich hängengeblieben, um zu sehen, wie sie hier porträtiert werden. Mir persönlich wirken die Illustrationen etwas zu kindlich, da hätte ich mir „erwachsenere“ Illustrationen gewünscht, aber gut, es ist halt auch in einem Kinder- und Jugendbuchverlag erschienen, also ist das sicherlich passend. Trotzdem hast du mich neugierig machen können.

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