Die Baumwollpflücker • B. Traven

Von B. Traven habe ich schon ein paar Bücher gelesen und ich kann nicht sagen wieso, aber ich hatte plötzlich sehr viel Lust auf ein weiteres Buch von ihm bekommen. Das mag daran liegen, dass seine Romane ganz in der Tradition der alten Abenteuerromanen stehen, wie sie beispielsweise auch von Jack London oder Karl May geschrieben wurden. Auch das Setting, Mexiko Anfang des 20. Jahrhunderts hat etwas Reizvolles, weil es doch sehr ungewöhnlich ist. Nicht zuletzt sind es seine Sätze, die deutlichen und einfachen Worte, gesprochen mit der Stimme des Proletariats, die mir einfach richtig gut gefallen. Die Baumwollpflücker erschien mir vom Inhalt ganz interessant und da habe ich mir eine gebrauchte durchgelutschte Low-Budget Ausgabe bei Booklooker geholt. Diese will ich hier näher vorstellen, sozusagen als Lesetipp für den ganz kleinen Geldbeutel.

Die Baumwollpflücker handelt von Gerald Gale und beginnt an einer abgelegenen Bahnstation irgendwo in Mexiko. Dort findet er unweit eine Anstellung als Baumwollpflücker und Traven beschreibt die Lebensumstände der einfachen Arbeiter. Darüber hinaus nimmt der Protagonist noch ganz verschiedene Stellungen an, immer ganz einfache Tätigkeiten und immer im Milieu des verarmten und ausgebeuteten Proletariats. Der Leser folgt Gale auf verschiedenen Stationen, mitten in Zentralamerika, im Mexiko der 20er Jahre.

Tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht und habe in dem Roman wieder diese angenehm deutliche und ausdrucksstarke Stimme Travens gefunden. Er stellt mit einer Klarheit und Einfachheit dar, unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen die Arbeiter damals ausgebeutet wurden. Dabei bedient er sich immer der Stimme des Proletariats. Seine Folgerungen, die moralischen und politischen Schlüsse, die er zieht, offenbaren aber einen Autoren, der mit einer intellektuellen Tiefe ganz bewusst diese Szenerien darstellt. Traven nimmt kein Blatt vor den Mund und das ist einfach ein Genuss. Man spürt, dass er aus seiner eigenen Erfahrung heraus schreibt und um so wirkungsvoller sind einige seiner Aussagen. Und um so zeitloser sind sie auch, denn die Rücksichtslosigkeit, die kapitalistische Gier, die gesellschaftliche Verrohung, die findet man vielleicht nicht in exakt dieser Form, aber doch in anderem Gewande immer wieder, auch in den Gesellschaften der Gegenwart. Weil sie ein fester Bestandteil des Menschen ist, universell, damals wie heute.

„Wir versuchten aus dem Acker, den wir bebauten, soviel herauszuholen wie nur möglich. Ob die, die nach uns auf diesem Acker sich ansiedeln mußten, darauf verreckten, das war uns gleichgültig. Jeder ist sich selbst der Nächste. Ich grase einmal ab und ziehe auch noch die Wurzeln mit heraus, wenn das Gras nicht langt. Nach uns die Sündflut. Was gehen mich meine Mitsklaven an?“ (S. 108)

Der dargestellte Lebensabschnitt von Gale hat auch etwas von einem Abenteuerroman, folgt aber keiner wohlüberlegten Geschichte, sondern der Leser begleitet Travens Hauptfigur, wie er sich von einem zum anderen Job durchschlägt. Dabei wagt Traven immer wieder Seitenblicke und zeichnet ein detailliertes Bild des einfachen sozialen Milieus. So gibt es eine Szenen, in denen Gale ein Rotlichtviertel besucht, wobei eine wirklich hervorragend geschriebene Episode aus dem Leben einer Prostituierten eingefügt ist. In einem Café kommt es zu einem Aufbegehren der Arbeiter. Eine andere Szene, die mich sehr gefesselt hat, handelt von einem Indianer, der auf einem öffentlichen Platz auf einer Bank einschläft und von einem Polizisten gepeitscht wird. Traven beschreibt das mit einer solchen Klarheit, mit so deutlichen Worten, die unter die Haut gehen, sprüht denn diese Szene geradezu von Ungerechtigkeit gegenüber den Menschen, besonders den Schwächsten und Ärmsten. Dabei spannt er auch den Bogen zu den Gesellschaften in Europa.

Grundsätzlich nehmen die Figuren von Traven eine neutrale oft beobachtende Haltung ein. Ich hab einmal gelesen, dass Traven ein gewisser Anarchismus nachgesagt wird, den ich allerdings so gar nicht in seinen Büchern bisher gefunden habe. Vielmehr nimmt er die Position der Arbeiter ein und stellt ihre Rolle in den kapitalistischen Systemen in Frage. Wobei er das immer aus der Sicht der Arbeiter macht, wodurch seine Ausführungen besonders aufgrund ihrer Authentizität noch mehr Gewicht bekommen. Es sind immer verlumpte Seeräuber, Indianer, Gesetzlose und heruntergekommene Hungerlöhner, die er darstellt, vorgeführt werden dabei aber immer die zivilisierten Gesellschaften, welche mit ihrer moralischen Überlegenheit diese Umstände zulassen und befördern.

Nein! Er war nicht im Recht! Nein! Nein! Mir stieg das Blut zu Kopfe. In allen Ländern der hohen Zivilisation, in England, in Deutschland, in Amerika und erst recht in den anderen Ländern, ist es die Polizei, die peitscht, und ist es der Arbeiter, der gepeitscht wird. Und da wundert sich dann der, der zufrieden an der Futterkrippe sitzt, wenn plötzlich an der Krippe gerüttelt wird, wenn die Krippe plötzlich umgeschleudert wird und alles in Scherben geht. Aber ich wundere mich nicht. Eine Schußwunde vernarbt. Ein Peitschenhieb vernarbt nie. Er frißt sich immer tiefer in das Fleisch, trifft das Herz und endlich das Hirn und löst den Schrei aus, der die Erde erbeben läßt. Den Schrei: „Rache!“. Warum ist Rußland in den Händen der Bolsches? Weil dort vor dieser Zeit am meisten gepeitscht wurde. Die Peitsche der Polizisten ebnet den Weg für die Heranstürmenden, deren Schritte Welten erdröhnen und Systeme explodieren macht.“ (S. 63)

Wer B. Traven ist, war lange Zeit nicht klar und nach jahrelangen Spekulationen und Nachforschungen ist man nun überzeugt, dass hinter B. Traven ein Deutscher mit dem Namen Otto Feige steht. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Metallfacharbeiter und Gewerkschaftssekretär musste nach dem Scheitern der Münchner Räterepublik fliehen, wurde 1923 in London in Abschiebehaft genommen, konnte dann aber über Umwege nach Mexiko übersiedeln. Wenn man sich seine Biografie so durchliest, dann ist das sehr abenteuerlich, wie er verschiedene Identitäten annahm, ein Erdbeben von Kalifornien nutzte, bei dem sämtliche Akten und Urkunden vernichtet worden waren, und sich eine neue Identität zulegte. Er war als Schauspieler tätig, war in der Presse aktiv und trat erst 1925 literarisch in Erscheinung. Er hat einige Romane geschrieben, die in Summe eine Gesamtauflage von über 30 Millionen erreichten. Der Schatz der Sierra Madre wurde verfilmt und diese kommerzielle Erfolg befeuerten die Spekulationen zu seiner Identität nur noch mehr. Angeblich setzte das Magazin „Life“ sogar einen Preis von fünftausend Dollar aus, für den, der B. Traven aufspüren würde.

Meine Ausgabe ist wieder bei der Büchergilde Gutenberg erschienen, die sehr lange Travens exklusiver Verlag in Deutschland war. Das Buch erschien 1974 und ist ein Nachdruck der Originalausgabe von 1926. Entsprechend speckig ist es und die Schriftart sieht auch sehr altbacken aus. Es ist aber in einem stabilen und sehr guten Zustand, mit dem robusten Leineneinband. Es müffelt aber ganz schön, es gibt kein Lesebändchen und ist aus meiner Sicht etwas zu groß geraten. Das Buch ist aber für ein paar Euro zu haben, also Preis-Leistung stimmt hier auf jeden Fall. Wer sich bei Booklooker oder Abebooks ein wenig umschaut, findet zahlreiche günstige Ausgaben. Es lohnt sich einfach immer wieder, zu den alten Büchern zu greifen, auch wenn eine prächtige Neuausgabe natürlich deutlich ansprechender ist.

Fazit: Mir hat Die Baumwollpflücker wieder sehr gut gefallen. Travens deutliche Sprache, das Portrait des Lebens der einfachen Arbeiter, das er hier zeichnet, Mexiko als Setting und die zahlreichen Szenen, welche das einfache Milieu der Menschen in diesem Land beschreiben, sind einfach sehr spannend. Dabei bleibt Traven angenehm neutral, hebt nicht belehrend den Zeigefinger, schwingt nicht die moralische Keule, wie es ja dieser Tage laufend passiert, sondern überlässt es dem Leser, seine Schlüsse zu ziehen. Wie sich der Protagonist so von Job zu Job treiben lässt und die einzelnen Erlebnisse haben schon etwas von einem Abenteuerroman, wobei das Buch keinen Fokus darauf hat, eine aufgeräumte Geschichte zu erzählen. Dennoch ist es sehr unterhaltsam. Eine Lektüre, die ich sehr empfehlen kann, besonders für den kleinen Geldbeutel.

Buchinformation: Die Baumwollpflücker • B. Traven • Büchergilde Gutenberg • 184 Seiten • ISBN 3763217711

3 Kommentare

  1. B. Traven kenne ich aus dem Bücherschrank meiner Eltern – ich habe vor langer Zeit einige Bücher von ihm gelesen und auch das Rätselraten um seine wahre Identität ist mir noch im Gedächtnis. Ich fand seine Schilderungen gleichfalls eindrücklich- am besten hatte mir vom ihm „ Das Geisterschiff“ gefallen.

  2. Wieder einer meiner Lieblingsschriftsteller … ! Genau diese Ausgabe habe ich auch. Und auch ich kann das Buch nur jedem empfehlen. Bei Traven möglichst Originalausgaben oder deren Nachdrucke beschaffen, weil er im Laufe der Jahrzehnte immer wieder nachträglich geändert und erweitert hat. Die Publikationsgeschichte seiner Romane ist ungefähr so abenteuerlich wie diese selbst. Zum Teil wurde aus den (geänderten und erweiterten) amerikanischen Ausgaben rückübersetzt, sodass es z.B. vom „Totenschiff“ sieben oder acht verschiedene Fassungen gibt.
    — Du hast jedenfalls mit dieser Originalfassung der „Baumwollpflücker“ einen guten Griff getan.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert