Die Maske des roten Todes • Edgar Allan Poe
Wer immer wieder in der Klassikerabteilung herumstöbert, der stößt unweigerlich auf Bücher von Edgar Allan Poe. Seine Geschichten wurden mir dann auch nochmal persönlich empfohlen und so habe ich mich entschlossen, mir eine der hübschen Ausgaben vom Nikol Verlag mit seinen Schauergeschichten zu holen. Eigentlich eine sichere Sache, denn ein Buch von einem Autor, der nach 175 Jahren noch gelesen wird, da macht man eigentlich nie was falsch. In folgenden Zeilen erfahrt ihr, wie sehr ich mich gegruselt habe.
Edgar Allan Poe ist für seine Schauergeschichten bekannt und diese Sammlung vom Nikol Verlag enthält elf davon. Es beginnt mit Die Maske des roten Todes wo es um einen Prinzen geht, der sich mit seinem Hofstaat während einer Epidemie in sein luxuriöses Anwesen zurückzieht. Der Untergang des Hauses Usher ist eine der bekannteren Geschichten, in welcher der Erzähler bei den letzten zwei Vertretern einer gruseligen Familie zu Gast ist. Das ist schon sehr atmosphärisch, weil das Setting einfach ganz klassisch ist. Das erinnert dann an Dracula, mit der gotischen Gruselkulisse eines alten Familienanwesens. Die längliche Kiste beschreibt eine kurze Episode auf hoher See mit einer unerwarteten Auflösung. Lebendig Begraben hat den Titel auch als Thema. Das Manuskript in der Flasche ist ebenfalls eine kurze Geschichte, die auf einem Schiff spielt. In William Wilson geht es um einen jungen Mann, dessen Schicksal mich ein wenig an Dorian Gray erinnert hat. Metzengerstein ist eine kurze Geschichte über einen Spross aus einer alten Familie, und die ich von der Ausgestaltung eher mittelmäßig fand. Das System des Dr. Teer und Prof. Feder handelt von einer Irrenanstalt. Das hat auch wieder diesen typischen Schauergeschichtenstil, einfach stimmungsvoll zu lesen und auch wieder mit einer schönen Pointe. Hinab in den Maelström handelt von einem großen Gezeitenstrom in den Lofoten, der sich zu einem riesigen Strudel entwickelt und dabei Schiffe und Menschen sofort verschluckt. Auch das ist sehr stimmungsvoll und hat mich ein wenig an Jules Verne erinnert. Natürlich habe ich gleich nach dem Maelström gegoogelt und die Bilder und Videos sind leider gar nicht so spektakulär, wie der tödliche Strudel in dem Buch. Hopp-Frosch spielt am Hofe eines Königs, handelt von Rache und wartet mit vielen Symbolen auf. Die Tatsachen im Falle Waldemar ist ein super Abschluss für das Buch. Darin hypnotisiert der Erzähler einen Sterbenden und möchte herausfinden, was dann passiert. Wirklich fesselnd bis zur letzten Zeile.
Mir haben alle Geschichten ausnehmend gut gefallen. Was bemerkenswert ist, das ist immer die zweite Bedeutungsebene, der Tiefgang und die Vielschichtigkeit, die diesen Geschichten innewohnt. Vordergründig sind es Gruselgeschichten, welche ganz grundlegende Ängste der Menschen aufgreifen. So beispielsweise das lebendig Begraben werden, natürlich der Tod, mysteriöse Krankheiten und auch immer wieder übernatürliche Begebenheiten. Jede der Geschichten ist aber auch so ausgelegt, dass es einen weiten Interpretationsspielraum gibt und neben dem Element der Schauergeschichte es doch auch eine tiefere Bedeutung zu entdecken gibt. Beispielsweise, dass die Angst vor etwas zu einer Art selbsterfüllender Prophezeiung führt. Oder dass es eben nicht möglich ist, sich vor einer Pandemie zu verstecken, was erstaunlich gut zu den Erfahrungen aus Corona passt.
Poe schreibt spannend und der Leser ist, zumeist durch die Ich-Perspektive, immer sehr nah am Erzähler. Man fühlt mit und kann die Gedanken des Erzählers gut nachvollziehen, was den Geschichten noch mehr Authentizität gibt. Man wird ins Vertrauen gezogen und bekommt ein Erlebnis weitergegeben, von dem man einfach wissen möchte, was daraus entspringt. Ich habe in mir immer die Neugierde verspürt, zu erfahren, wie die Geschichte endet. Das hat mich schon sehr durch die einzelnen Erzählungen gezogen.
Zudem ist Poes Sprache einfach wunderbar. Der Stil ist durchgängig sehr fein, schöne Sätze, eine gediegene Sprache, die einfach angenehm zu lesen ist und die man eigentlich nur in richtig guten Klassikern findet. In aktuellen Büchern ist dieses hohe Niveau extrem selten. Das habe ich richtig genossen. Man merkt, dass man es mit einem gebildeten und sehr wachen Geist zu tun hat und umso schöner ist es, von diesem ins Vertrauen gezogen zu werden.
Ich liebe ja die Kombination aus Buch und Arte-Doku und bei Edgar Allen Poe gab es glücklicherweise wieder eine hervorragende Dokumentation. Ich habe also das Buch gelesen und mir dann die Doku „Edgar Allan Poe – Amerikas abgründiger Pop-Poet“ angesehen. (Wer das Video nicht mehr aufrufen kann, weil unsere Steinzeit-Öffentlich-Rechtlichen es gelöscht haben, dem kann ich empfehlen, nach dem Titel auf YouTube zu suchen. Manchmal wird es von anderen Nutzern nochmal hochgeladen und ist doch noch verfügbar).
Ich fand es sehr interessant, mehr über Poes Leben zu erfahren. Er wurde 1809 in Boston geboren und wurde gerade mal 40 Jahre alt. Seine Mutter starb ebenfalls sehr früh mit 23 Jahren an Tuberkulose und der verwaiste Edgar kam mit knapp drei Jahren zu einer Pflegefamilie. Diese versorgte ihn gut und ermöglichte ihm ein Studium. Dort begann er allerdings zu spielen und dem Alkohol zu verfallen. Es kam zu einem Zerwürfnis mit seinem Pflegevater und so verließ er das Zuhause und verpflichtete sich beim Militär. Die strenge Disziplin war aber ebenfalls nichts für Poe und nach wenigen Jahren siedelte er nach Baltimore um, wo er bei seiner Tante und Cousine lebte. Mit 27 Jahren heiratet er seine 13-jährige Cousine, was selbst für damalige Zeiten skandalös gewesen wäre, weshalb sie die Cousine dann älter gemacht haben. Ein Liebesbrief, den Poe ihr schrieb, zeigt, dass er eine vielschichtige Persönlichkeit und sicherlich kein ausgeglichener Mensch war. Im Laufe seines Lebens war er beruflich durchaus erfolgreich, kam im Leben aber durch seine Alkoholsucht immer wieder sehr ins Wanken. Als seine Frau, wie bereits seine Mutter, ebenfalls in jungem Alter an Tuberkulose verstarb, verarbeitete er dies in Gedichten. Nur zwei Jahre später verstarb er unter mysteriösen Umständen. Er wurde von Bekannten vor einer Kneipe betrunken oder krank aufgegabelt und in ein Krankenhaus gebracht, wo er wenige Tage später verstarb.
Zu Lebzeiten erlangten zwar einige seiner Veröffentlichungen Bekanntheit, sein Ruhm stellte sich aber erst nach seinem Tod ein und besonders im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert inspirierte er zahlreiche Schriftsteller. Laut der Arte-Doku ist er in Amerika mittlerweile ein Popstar, mit Merchandising und diversen Adaptionen, aber das halte ich für etwas übertrieben. Er hatte ein dramatisches Leben und zusammen mit seinem Werk, der Daguerreotypie mit seinem Portrait, aber auch den zeitlosen und außergewöhnlichen Texten ist es aber durchaus verständlich, dass er noch immer einen gewissen Kultstatus geniest.
Meine Ausgabe ist vom Nikol Verlag und kommt mit Leineneinband mit Goldprägung und hübschen Vorsatzpapier. Für kleines Geld bekommt man hier ein wirklich schönes Buch, das auch als Geschenk gut geeignet ist. Grundsätzlich mag ich die Bücher vom Nikol Verlag echt gerne. Wer die Erzählungen lieber im Original lesen möchte, dem empfehle ich die hübsche Ausgabe im Penguine Classics Verlag, die als kleines leinengebundenes Bändchen ebenfalls richtig schick ist.
Fazit: Poes Schauergeschichten sind definitiv eine Leseempfehlung. Seine Geschichten sind tiefsinnig, angereichert mit Symbolen, haben eine atmosphärisch dichte Erzählweise, eine sehr feine Sprache und bestechen immer mit einer weiteren Bedeutungsebene, welche den Leser auch noch nach der Lektüre beschäftigt. Gegruselt habe ich mich nicht, aber die Geschichten schon verschlungen, denn sie sind einfach spannend geschrieben und haben immer ein angenehmes Tempo und einen gelungenen Spannungsbogen. Aber auch Edgar Allan Poe war eine sehr interessante Persönlichkeit und die Arte Dokumentation bereichert die Lektüre sehr. Ich werde mir auf jeden Fall noch die schöne Ausgabe vom Coppenrath Verlag holen, da sind zwar einige Erzählungen enthalten, die auch Bestandteil der Nikol Ausgabe sind, aber es sind nochmal einige andere Geschichten dabei und das alles als schöne Prachtausgabe. Mit Poe macht man sicher nichts falsch, das ist wieder höchste Qualität. Diesen Erzählband kann ich nur empfehlen.
Buchinformation: Die Maske des roten Todes und weitere Schauergeschichten • Edgar Allan Poe • Nikol Verlag • 192 Seiten • ISBN 9783868206296
Grüß Gott!
Wie immer verfolge ich Ihre Rezensionen mit Interesse aber beim besten Willen, mit Poe kann man mich nicht hinterm Ofen hervorlocken. Ich werde bei Gelegenheit meine Ausgabe in einen Bücherschrank stellen.
LG Rezipient Mst
Sehr geehrter Herr Doktor Stähr,
da sollten sie aber schnell mal den Poe in unseren Bücherschrank stellen, damit ich das Buch abgreifen kann 😉 Zugegeben, Poe ist nun mal nicht der neueste heiße Scheiß, aber verglichen mit dem zeitgenössischen Bullshit noch immer eine andere Liga. Ich empfehle Ihnen sich ein Bild zu machen, mit „Poe kurz angerissen, die Gesammelten Werke in nur 9000 Seiten als handliche Taschenbuchausgabe“. 😉
Liebe Grüße
Jenosse Tobi
Guten Morgen!
Ich bin schon seit meiner Jugend ein großer Poe-Fan. Aber ich suche seitdem vergeblich nach einer Geschichte, die uns im Unterricht in der Mittelstufe vorgelesen wurde und von der ich bis heute vermute, sie müsste von Poe gewesen sein.
Darin geht es um eine Person, die lebendig in einem Zimmer eingemauert wird. Sagt Dir das was?
Danke für die tolle Rezension und den Tipp mit der Dokumentation. Ich werde sie mir die Tage auf jeden Fall ansehen.
Liebe Barbara,
vielen lieben Dank für Deinen Kommentar. Tatsächlich wird die von Dir gesuchte Geschichte auch in der Dokumentation erwähnt. Die Geschichte ist von Poe und heißt „The Cask of Amontillado“ bzw. in deutsch „Das Fass Amontillado“. Bei solchen Fragen hilft ChatGPT super. Das findet das auch sofort. Ich hatte auch schon ein Zitat, an das ich mich nur noch sinngemäß erinnern konnte und auch nicht den Autoren mehr wusste und ChatGPT konnte das echt sofort sagen. Die Geschichte ist aber nicht in dieser Ausgabe enthalten. Aber in der schönen Ausgabe vom Coppenrath Verlag (https://www.amazon.de/Untergang-Hauses-Usher-Dark-Romance-Klassiker-Schmuckausgabe/dp/3649648652/), da ist sie drinnen und das Buch hole ich mir noch.
Herzlichen Dank nochmal für Dein Feedback.
Liebe Grüße
Tobi