Antarktische Wildnis: Südgeorgien • Thies Matzen und Kicki Ericson

Es sind gar nicht so viele Bildbände, die ich in meinem Schrank stehen habe. Ausgehend von der Tatsache, dass ich von Fotografie sehr begeistert bin, mag das vielleicht seltsam anmuten, allerdings bin ich eben auch im Internet zuhause und dort gibt es eine ganze Fülle an wunderbarer Galerien. Ein Buch muss also schon etwas Besonders sein, einen ganz eigenen Einblick gewähren und durch seine Gesamtkomposition bestechen. Dieser Bildband ist so eine Sammlung an Fotografien, die etwas ganz Besonderes ist, das habe ich gleich beim ersten Durchblättern bemerkt.

Bei Südgeorgien denk ich erst einmal nicht an die Antarktis, bis ich recht schnell gemerkt habe, dass nicht der Süden Georgiens gemeint ist, sondern die Insel Südgeorgien (hier weitere Informationen bei Wikipedia), die an der Ostküste Südamerikas bzw. der Falkanlandinseln zu finden ist. Also kein Ort wie Island oder Irland, Inseln die schon unzählige Male fotografiert wurden und von denen es bereits zahlreiche Bücher gibt.

Das Ehepaar Thies Matzen und Kicki Ericson haben 26 Monate, also zwei Winter in ihrem gerade mal neun Meter langen hölzernen Segelboot auf dieser einsamen Insel verbracht und sind dabei in die wunderbare Landschaft und in die tierischen Vielfalt eingetaucht, die diese kleine Oase der Antarktis bietet. Ein Bild von der kleinen Kajüte des Bootes „Wanderer III“ wirkt super gemütlich und einladend und man kann sich gut vorstellen, wie die Beiden dort der widrigen Witterung getrotzt haben.

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 © Thies Matzen und Kicki Ericson

Südgeorgien ist hinsichtlich seiner Tierwelt reich gesegnet, was sich natürlich auch in diesem Buch sofort bemerkbar macht. Das Beobachten der Königspinguine, der Wanderalbatrose, Seeleoparden, Antipodenseeschwalben, Seeelefanten, der Robben und zahlreichen anderen Tierarten wird sowohl in Bildern, aber auch in den Begleittexten beschrieben und die Begegnungen aufgearbeitet. Dabei wechseln sich Kicki und Thies in ihren Erzählungen, die Tagebuchcharakter haben ab. So erfährt man, dass die Beiden dort geheiratet und auf Südgeorgien ihren zehnten Hochzeitstag verbracht haben. Aber auch die vielen persönlichen Beschreibungen, in Kombination mit den Bildern geben einen schönen Eindruck, wie es an diesem schönen Ort wohl ist.

Pinguine hopsten, tausende Vögel schwebten, um uns herum tanzten Eisbrocken kalbender Gletscher. Und was sich dann vor uns entschleierte – diese vereiste und verschneite Gebirgskette eines Meereshimalajas, klar-blau über den 3000 Meter hohen Gipfeln, sattgrün der Küstenstreifen -, war so grandios, so gewaltig, so schillernd: Südgeorgien platzte förmlich in unser Leben – wie Prägung. (S. 17)

Der Bildband ist angereichert mit zahlreichen eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen, die eine typisch arktische Stimmung sehr gut einfangen, die ganz besonderen Lichtstimmungen wiedergeben. Am besten gefallen mir hier nicht die extremen, also Aufnahmen vom wogenden Meer oder den völlig verschneiten Gebirgsketten, sondern die im stimmungsvollen Schein der arktischen Mittagssonne aufgenommenen Bildern von den dort heimischen Vögeln oder den Roben. Immer mit den eindrucksvollen Gebirgszügen im Hintergrund, zum Teil mit sehr schönen Lichtstimmungen, hervorgerufen von Woken, die den Himmel nur zum Teil verdecken. Immer ist das Meer allgegenwärtig und meist ist dieses Eldorado der Tiere auch immer bewohnt.

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 © Thies Matzen und Kicki Ericson

Ein großen Teil des Buches ist den Königspinguinen gewidmet. Viele Fotografien zeigen diese bei ihren Brutstätten, wie sie an der Küste umgeben von unendlichem Weiß ihre Eier ausbrüten. Manchmal wirkt das ganz seltsam, diese Massen an Pinguine in der leeren Unendlichkeit da am Meer. Ein sehr schönes Zitat, das mir in Erinnerung geblieben ist, zeigt, dass die Autoren hier oft passende Worte finden (wenn sie mir auch an vielen Stellen etwas zu pathetisch waren):

1976: vier Milliarden Menschen, als ich das Gymnasium verließ.
1987: fünf Milliarden Menschen, als ich von Europa wegsegelte.
1999: sechs Milliarden Menschen, als wir auf Südgeorgien heirateten.
2009: sieben Milliarden Menschen, und wir sind hier allein. (S. 22)

Die Bilder sind zwar wirklich sehenswert, ich bin aber eher von eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen zu begeistern, als von Detailaufnahmen von Tieren. Wenns also nach mir ging, hätte ich gerne noch mehr von den grünen Küstenstreifen im Sommer gesehen.

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 © Thies Matzen und Kicki Ericson

Ebenfalls zu sehen sind alte Walfängerhäfen. Dort wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ordentlich die Bestände geplündert und dezimiert. Die Bilder der heruntergekommenen Bauten und verlassenen, mit Gras überwachsenen Schiffswracks wirken unheimlich. Ein Bild des Wracks „Bayard“ im Mondlicht mit einem ganzen Deck voll von Tussockgras hat mir besonders gut gefallen. Und die Beschreibung, wie ein Vier-Tonnen-See-Elefant die Rückfahrt mit dem Beiboot begleitet hat. Solche Anmerkungen werten das Buch sehr auf.

Andere Aufnahmen erinnern mich wieder an die Westfjorde Islands oder an die Lofoten, insbesondere die Lichtstimmungen, der Blick auf die Gebirgszüge oder das Licht der blauen Stunde. Aber mit einem anderen Ort kann man Südgeorgien nur schwer vergleichen, denn die Insel hat seine ganz eigene Ausstrahlung.

Der Bildband selbst ist, wie auch schon der Island Bildband, gewohnt gut verarbeitet. Der Leineneinband gefällt mir sehr gut, weil er schön hell ist und die Prägung des Titels sehr elegant aussieht. Eine Kleinigkeit, aber ich bin für sowas sehr empfänglich.

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Das Buch hat genau das richtige Format um es angenehm durchblättern zu können und trotzdem große Fotos zu haben. Der Druck und die Qualität der Bilder ist durchweg perfekt, da gibt es aus technischer Sicht nichts auszusetzen, da war ein Profi am Werk, das merkt man sofort.

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Auch die Bindung ist sehr stabil, ich glaube das Buch kann ich noch einige Male durchblättern, ohne das da was kaputt geht.

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Wer übrigens einen kleine virtuellen Rundgang durch Südgeorgien machen möchte, der kann das bei Google Streetview tun. Einmal gibt es eine schöne 360° Aufnahme von einem hübschen Strand, an dem die Königspinguine brüten. Und die Walfangstation Grytviken, oder die kleine Kirche, die in dem Buch erwähnt wird, kann man sich auch ansehen (sogar auch hinein gehen). Sechs Rundgänge gibt es hier.

Fazit: Ein durchweg gelungener Bildband, der mit hochwertigen, sehr schönen Fotografien überzeugen kann und in Zusammenspiel mit Text und Auswahl der Fotos einen in die Welt Südgeorgiens entführt. Man bekommt ein schönes Bild von der Landschaft und den zahlreichen Bewohnern dieser auf den ersten Blick so verlassenen, arktischen Insel. Mit der Vielschichtigkeit, die Island zu bieten hat, kann Südgeorgien nicht mithalten (tja, Island ist die Messlatte) und mir war das Buch an einige Stellen zu königspinguinrobbenlastig (cooles Wort), daher gibt es einen Stern Abzug. Ein Buch das aus meiner Sicht uneingeschränkt empfehlenswert ist.

Buchinformation: Antarktische Wildnis: Südgeorgien • Thies Matzen und Kicki Ericson • mare Verlag • 144 Seiten • ISBN 9783866482463

12 Kommentare

  1. Moin, lieber Tobi,

    allein Deine kleine Auswahl an Bildern ist schon eine Wucht. Ich liebe auch Bildbände und wie soll’s bei mir anders sein, habe ich einige zum Thema „Bücher über Bücher“. Auch zu diesem Thema gibt es diverse Bilder im Internet, aber diese Bücher aufzuschlagen, mit der Hand drüberzufahren, das ist noch einmal etwas ganz anderes. – Wird Zeit, dass ich sie mal vorstelle.
    Komm gut ins Wochenende.

    Liebe Grüße
    Didonia

    1. Liebe Didonia,

      also da solltest du unbedingt deine Bildbände mal vorstellen. Das ist schon immer spannend, weil das einfach eine ganz andere Art von Buch ist und in den Buchblogs meist nicht beachtet wird. Aber bei so gelungenen Bildbände wie dieser hier über Südgeorgien ist es schade, dass man meist eher durch Zufall auf solche schönen Bücher stößt.

      Liebe Grüße und auch dir ein schönes Wochenende
      Tobi

  2. Lieber Tobi,

    das ist ja ein wundervoller Bildband! Ich bin doch so ein riesengroßer Pinguinfan ♥ wie das Ehepaar da in seinem kleinen Boot sitzt, sie liest, er liest – so stelle ich mir meinen Lebensabend vor. Irgendwo dort draußen, am Meer, in einem kleinen Haus, lesend. Das muss eine sehr schöne Erfahrung gewesen sein. Und die Fotos sind atemberaubend! Das Buch merke ich mir mal, danke dir 🙂

    Liebe Grüße zum 1. Mai
    Sandra

    1. Liebe Sandra,

      da hast du recht, also das Bild, wie die Beiden da in ihrem kleinem Boot sitzen, das wirkt schon sehr einladend. Aber ich wäre nicht abenteuerlustig genug für so eine Reise. Wie sich das so liest ist das ja auch nicht ungefährlich an diesem entlegenen Ort Wind und Wetter ausgesetzt zu sein. Aber glücklicherweise gibt es zahlreiche schöne Orte, die einfacher zu erreichen sind. Allerdings gibts da keine brütende Pinguine 😉

      Liebe Grüße
      Tobi

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