Narziß und Goldmund • Hermann Hesse

Im Augenblick bin ich dabei, meinen Stapel ungelesener Bücher komplett auszulesen und komme nun auch zu Bücher, die bisher weiter unten rangiert sind. Von Hermann Hesse habe ich schon das ein oder andere gelesen, er konnte mich bisher aber nur mäßig begeistern. Der Steppenwolf habe ich als sehr gelungen in Erinnerung, insgesamt kann ich aber mit dem spirituellen Anteil seiner Werke nicht viel anfangen. Narziß und Goldmund hat mich trotzdem gelockt. Nicht zuletzt wegen Hesses schöner Sprache, denn seine Sätze zu lesen, ist etwas sehr Angenehmes.

Narziß und Goldmund spielt im Mittelalter und beginnt im Kloster Mariabronn, wo der junge Novizen Narziß und der Schüler Goldmund aufeinander treffen. Sie werden enge Freunde, erkennen aber ihre Gegensätzlichkeit. Während Narziß der rationale Denker ist, erweißt sich Goldmund als nach dem sinnlichem und weltlichem Leben sehnenden Künstler. Goldmund verlässt schließlich das Kloster, um ein Wanderleben als (Lebens-)Künstler zu führen. Im Zentrum des Romans steht die Gegensätzlichkeit zwischen diesen beiden Typen und Lebensentwürfen, zwischen dem asketischen Geistesmenschen und dem Lebemenschen.

Der Leser folgt in dieser Erzählung Goldmund, der auf seinem Wanderleben die verschiedensten Eindrücke und Begegnungen durchlebt und Stück für Stück an seinen Erfahrungen wächst, diese auch immer wieder an der Oberfläche reflektiert und schließlich in die Kunst eintaucht. Dabei fließt die Geschichte gleichmäßig dahin, ist angenehm zu lesen und kommt ohne größeren Spannungsbogen aus. Trotzdem war ich immer neugierig, was bei der ganzen Sache rauskommen wird und das wilde Leben von Goldmund hat natürlich auch ein bisschen etwas von einem Abenteuer. Goldmund verliert Narziß schnell aus den Augen, aber es ist von vornherein klar, dass Hesse hier wieder den Bogen zu seinem Jugendfreund spannen wird. In diesem Kontext liest sich Goldmunds Lebensgeschichte ein wenig konstruiert, denn es ist klar, dass Hesse hier einen nach Leben und Liebe strebenden Künstlertypus porträtieren möchte. Das gelingt ihm natürlich auch, Goldmund ist durchaus der Inbegriff eines Künstlers, aber ich habe das als etwas überzogen empfunden. Zudem bin ich mir nicht sicher, ob es im Mittelalter wirklich so zuging und es so einfach war, den weiblichen Teil der Landbevölkerung so schnell flach zu legen. Goldmund wird zwar als hübscher Bursche beschrieben, aber das kam mir schon etwas zu einfach vor. Andererseits ist er auch nicht zimperlich. Insgesamt sind besonders die amourösen Abenteuer recht unterhaltsam zu lesen.

Aus Der Steppenwolf habe ich zahlreiche wirklich tiefsinnige Zitate herausgeschrieben. Das Buch war voll mit Gedanken, die ich sehr faszinierend fand, da sie uns in vielen Facetten alle betreffen, weil sie so grundsätzlicher Natur sind und der Steppenwolf als Außenseiter mit seinem ganz eigenen Blick auf die Gesellschaft blickt. Solche faszinierenden Gedanken habe ich in diesem Buch nur sehr wenige gefunden, was zuletzt auch daran liegt, dass die Frage der Gegensätzlichkeit zwischen Denker und Künstler mich nicht sonderlich berührt. Natürlich schwingt in dem Buch auch noch mehr mit, was beispielsweise in dem Bild der „Großen Mutter“ immer wieder zum Ausdruck kommt, die Goldmund spirituell leitet und immer wieder in die Welt lockt. Ein Leben als einsamer Wanderer, fern der Sicherheit durch ein geregeltes Leben, ohne einem festen Zuhause, bar von Geld und Anerkennung, das wirft natürlich noch einige andere Fragen und Gedanken auf. Beispielsweise sind die Vergänglichkeit, das Sterben und der Tod Elemente, die Goldmund immer wieder begegnen und ihn durch sein Leben und auf seiner Wanderschaft ständig begleiten. Insgesamt eiert Goldmund aber eher plan- und gedankenlos durchs schöne deutsche Reich, reflektiert nur in einem festen Rahmen und war mir am Ende auch nicht sonderlich sympathisch. Meine Empathie hat das Buch nicht geweckt.

„Vielleicht gab es Ehemänner und Familienväter, denen über der Treue nicht die Sinnenlust verloren ging? Vielleicht gab es Sesshafte, denen der Mangel an Freiheit und an Gefahr das Herz nicht eindorren ließ? Vielleicht. Gesehen hatte er noch keinen.“ (S. 241)

Besonders auf das Ende war ich gespannt, auf das Resumé, das Hesse für diese beiden Schicksale zieht und was seine Erkenntnis daraus ist. Diese fällt auch eher spirituell aus und endet in einem Hinwenden und Streben zur Vollkommenheit Gottes durch die Selbstverwirklichung, wobei das Wie dabei nicht entscheidend ist. Das fand ich etwas dünn, wobei es natürlich Hesses Verständnis und Bild von Religion gut entspricht. Geprägt durch seinen frühen Kontakt mit dem Hinduismus und Buddhismus und seiner christlichen Erziehung, hatte Hesse scheinbar ein Bild von Gott, dass unabhängig von der jeweilig gelebten Religion ist und in dem er jede Glaubensform als gleichwertig betrachtete. Das ist ein individuelles und freiheitliches Verständnis, das ich sehr schön finde.

Meine Ausgabe aus dem Suhrkamp Verlag, ist ein Buch aus einem Sammelschuber, das ich im Familienkreis abgestaubt habe. Die Suhrkampbücher finde ich nicht sonderlich hübsch. Inhaltlich kann man nicht meckern, aber besonders bibliophil sind diese schmucklosen Büchlein, mit der grellen und schnöden Schrift auf dem Cover, nicht sonderlich. Auch die Klebebindung ist nicht sonderlich wertig und ist mir bei einigen Seiten unten eingerissen. Am Ende hab ich mich nicht mehr getraut, das Buch ganz aufzuschlagen. Es gibt auch kein Nachwort oder Anmerkungen. Das ist schon eher die untere Skala. Dafür sind die Bücher sehr preiswert. Die grossen Romane: 7 Bände (9783518066966) bekommt man schon für 8 Euros gebraucht.

Fazit: Ein Hermann Hesse Fan bin ich nicht und werde ich wohl auch nicht werden. Das Buch fand ich unterhaltsam und Hesses Sätze sind sehr angenehm zu lesen. Goldmunds Wanderleben zu verfolgen ist durchaus ein kleines Abenteuer, wenn auch das Buch nicht den Tiefgang hat, den ich so bei Der Steppenwolf genossen habe. Der Gegensatz zwischen Denker und Künstler ist hier das zentrale Thema, das Hesse sehr schön porträtiert. Wer Hesse mag, wird sicher auch dieses Buch mögen, für mich ist es aber kein Titel den man gelesen haben muss.

Buchinformation: Narziß und Goldmund • Hermann Hesse • Suhrkamp • 305 Seiten

4 Kommentare

  1. Hallo, ich habe mich auch noch nicht mit Hermann Hesse beschäftigt. Allerdings habe ich bisher die Erfahrung gemacht, dass der Suhrkamp Verlag wirklich nur guten Lesestoff verlegt. Ich werde natürlich ebenfalls mich in ein Buch von Hesse hinein lesen und gebe Dir dnn gerne meinen Kommentar weiter!
    Anneli Treibig

  2. Moin,
    mit Hesse bin ich nie warm geworden. Den Steppenwolf habe ich zwar gelesen, fand ich aber nicht sonderlich prickelnd. Siddartha war einfach nur furchtbar und habe das Glasperlenspiel erst gar nicht angefangen. Und selbst wenn Hesses Werke demnächst Public Domain werden werde ich mir wohl kein weiteres Werk von ihm auf meinem eSUB legen. Es würde wohl auf ewig unten im Stapel bleiben. Habe gerade zwei Werke von Philip Roth oben aufgelegt, den ich so gar nicht auf dem Radar hatte. Die ersten angelesen Seiten fand ich sogar recht gut.

    //Huebi

    1. Lieber Huebi,

      der Steppenwolf fand ich schon ganz gut. Siddartha finde ich auch eher durchwachsen, das hat einfach zu krass was Esoterisches, das ist für mich auch immer nichts. Das Glasperlenspiel hab ich noch auf meinem SuB. Das werde ich schon noch lesen, aber einen Knaller erwarte ich auch da nicht. Aber ein kompletter Reinfall ist Hesse auch nicht, bisher waren seine Bücher schon ganz nett zu lesen.

      Philip Roth ist mir bisher entgangen, das ist einfach zu neu. Wen du da ein Buch durch hast, musst du mir nochmal schreiben, ob das etwas ist. Wobei ich momentan mir kaum neue Bücher gönne und nur meinen bestehenden Stapel abbaue. Das ist echt nicht schlecht, jetzt kommen auch mal die Bücher dran, die länger warten mussten (z.B. Hesse eben).

      Herzliche Grüße
      Tobi

  3. Hermann Hesse – immer wieder faszinierend und tiefsinnig.
    Gegensätzlichkeiten üben immer wieder eine gewisse Anziehung aus.
    Danke für den Beitrag,
    Evelin Brigitte Blauensteiner

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