Lady Mechanika • Joe Benitez

Seit einiger Zeit sind Comics ein fester Bestandteil meines Stapels ungelesener Bücher und selten habe ich es bereut, mich dieser Lektüre zu widmen. Bei Comics denken viele erst einmal an die Heftchen aus ihrer Kindheit und ahnen nicht, was für prachtvolle und schön gezeichnete Ausgaben mit richtig guten Geschichten hier eigentlich darauf warten gelesen zu werden. Es gibt zahlreiche Comics und Graphic Novels, die sich an Erwachsene richten, sehr aufwendig gezeichnet wurden und eine ebenso fein ausgestaltete Story haben, wie man es von Büchern oder Filmen gewohnt ist. Ein richtig genialer Comic ist Lady Mechanika, den ich in diesem Beitrag etwas genauer vorstellen möchte.

Ich frage mich, wieso mir Lady Mechanika so lange entgangen ist. Denn die Comicreihe ist genau mein Ding. Das Setting ist eine richtig schöne Steampunk-Welt, ein Genre, das lange Zeit eine eher unbekannte Subkultur war, bis Literatur, Games, Filme und auch Comics dieses Phänomen aufgegriffen haben. Steampunk ist ein Stilmix bestehend aus dem Ambiente der viktorianischen Zeit, gemischt mit den Maschinen aus der Zeit der Dampfmaschinen, mit Retrotechnik, bestehend aus Zahnräder, schönen Uhrwerken, wundersamen Luftschiffen und viel Abenteuerromantik. Mittlerweile ist Steampunk nicht mehr ganz so unbekannt, aber trotzdem noch eher ein Nischensetting, das man nicht so oft antrifft. In der Literatur liegen die Ursprünge von Steampunk in den Romanen von Jules Verne oder H.G. Wells, aber mittlerweile habe ich auch den ein oder anderen aktuellen Fantasy-Roman mit diesem wunderbaren Setting gelesen. Auch in Spielen findet man die Elemente immer wieder, besonders wer die Bioshock Spiele kennt, weiß wie schön sich das in Szene setzen lässt. Sehr beliebt ist Steampunk bei den Cosplayern und es gibt zahlreiche wirklich prachtvolle Verkleidungen. Wer ein wenig bei Pinterest sucht, der findet für Steampunk echt schöne Kostüme, aber auch sehr cool gemachte Gadgets und Mods. Kurzum: Steampunk ist ein echt schöner Stilmix der richtig viel Potenzial hat, das eigentlich viel zu selten genutzt wird.

Lady Mechanika greift genau dieses Setting auf und handelt von einer junge Frau, welche die Erinnerung an ihre Vergangenheit verloren hat und nicht weiß, wie sie zu ihren künstlichen Armen und Beinen gekommen ist, die sie mit übermenschlichen Kräften ausstatten. Sie macht sich also auf die Suche nach ihrer Herkunft und erlebt so zahlreiche Abenteuer und begibt sich auf einige gefährliche Missionen. Die Story finde ich weder übermäßig herausragend noch schlecht, sie ist eine runde Sache und passt sehr gut zum Gesamtkonzept.

Was diese Comics so wunderbar macht, ist aus meiner Sicht das Gesamtpaket. Die Zeichnungen sind prächtig und wunderschön, sie transportieren hervorragend die Stimmung und die Einzelheiten dieser atmosphärisch dichten viktorianischen Steampunk-Welt. Zusammen mit der Geschichte, die den Leser genau mit dem richtigen Tempo und Intensität durch den Comic zieht, und der starken und attraktiven Heldin Lady Mechanika, ist das ein sehr stimmiges Lesevergnügen und konnte mich sehr schnell in seinen Bann ziehen. Die Illustrationen sind ein Genuss und die mit schönen Kurven ausgestattete Lady Mechanika wird durchgängig in Szene gesetzt.

Genauso oft wie die Kulisse wechselt, erscheint die starke Protagonistin immer wieder in einem neuen Kostüm, die dann immer sehr prächtig gezeichnet und mit dem Blick fürs Detail ausgestaltet sind. Dem Nachwort nach vom ersten Band, hat sich der Zeichner und Autor Joe Benitez besonders von den vielen Cosplayern inspirieren lassen, die sich regelmäßig auf den Comic Conventions in ihren prachtvollen Kostümen präsentieren. Er hat schnelle Skizzen von ihnen angefertigt und sie zur Vorlage für die zahlreichen Outfits seiner Lady Mechanika gemacht. Wenn man den Informationen im Netz glaubt, dann war das britische Model Kate Lambert (oder auch Kato genannt) die wichtigste Inspiration für Lady Mechanika und tatsächlich ist die Ähnlichkeit frappierend. Auch Kato hat zahlreiche Outfits selbst gestaltet und ganz im Stile der Cosplayer präsentiert, wobei es bei ihr in die erotische und burlesque Richtung geht.

Dieser Fokus auf den Kleidungsstil sieht man sofort, das macht viel aus und ist ein wichtiger Teil von diesen Comics: Die schönen Kleider, die fein verzierten, im viktorianischen Stil gehaltenen, manchmal für Abenteuer ausgelegten praktischen Ausrüstungen, die je nach Setting unterschiedlichen Verkleidungen, sei es für eine Szene in der Wüste bis hin zu der Aufmachung für das mexikanische Fest der Toten, all das sieht in seiner Vielfalt wunderbar aus und kommt immer mit dem nötigen Sexappeal und oft stehen diese Bilder ganz für sich. Ich hatte oft das Gefühl einen Bildband eines Illustrators in Händen zu halten, nur das dieser Bildband mit einer angenehm erzählten Story ausgestattet ist. Das Posen ist ein fester Bestandteil der Comics, trotzdem kommt auch die Action nicht zu kurz und es gibt zahlreiche Szenen, bei denen es ordentlich zur Sache geht.

Mit den Superheldencomics kann ich ja nicht viel anfangen und Lady Mechanika teilt zwar ordentlich aus und behält oft die Oberhand, trotzdem ist sie auf eine angenehme Art menschlich. Comics mit starken Frauen, die auf der Suche nach ihrem eigenen Weg sind, finde ich immer sehr spannend und ich merke, dass ich gerade solche immer sehr gerne lese. Ich weiß nicht genau wieso, wahrscheinlich, weil dieses klassische Superheldending einfach schon zu durchgelutscht ist. Monstress ist da ganz ähnlich gelagert.

Bemerkenswert sind auch die wechselnden und schön gewählten verschiedenen Kulissen. Das reicht von der viktorianischen Stadt Mechanika, bis hin zu Szenen in der Wüste, im Dschungel, in Mexiko, den Schweizer Alpen und vielen Nebenschauplätzen quer über der Welt verteilt. Das sorgt für viel Abwechslung und ist sehr schön anzusehen. Die Farben sind kräftig und wirken kräftig, besonders wenn man die Bücher im Sonnenlicht liest und ansieht, was ich bevorzugt gemacht habe. Entsprechend dieser Schauplätzen ist dann auch Lady Mechanikas Stil angepasst. Die Titelseiten der einzelnen Kapitel zeigen dann immer im Vollformat Lady Mechanika wie sie sich entsprechend gekleidet in Pose wirft. Auch am Anfang und Ende des Buches sind solche Bilder eingestreut. Das hat dann den erwähnten Bildbandcharakter. Benitez beweist auch immer ein gutes Gefühl für schöne Kulissen und so gibt es ein vielfältiges Aufgebot an Szenen. Angefangen von einem Maskenball auf einem prunkvollen Luftschiff oder geheimnisvolle antike Ausgrabungsstätten im Stile von Indiana Jones, bis hin zu einem stimmungsvollen Fest im tiefen Mexiko, ist hier viel fürs Auge dabei.

Ein Interview verrät, dass sich Benitez in den weiteren Bänden Unterstützung geholt hat und einige der Hintergründe von Martin Montiel gezeichnet wurden und auch die Kolorierung übernimmt oft Benitez nicht selbst (was wohl in der Comicwelt nicht unüblich ist). Das fällt mit jedem Buch auf, dass die Hintergründe immer schöner und aufwendiger gestaltet sind.

Nachdem ich den ersten Band angelesen hatte, habe ich mir direkt alle fünf bisher erschienene Bände bestellt und dann am Stück gelesen. Mir war recht schnell klar, dass das wieder eine Premiumreihe ist, bei der ich jeden Band haben muss (wie auch bei Monstress). Wenn man nach den englischen Originalcomics sucht, dann findet man verwirrend viele Ausgaben und irgendwie passt das nicht so richtig mit der deutschen Ausgabe zusammen. Daher hier eine kurze Auflistung, welche Geschichten denn in den einzelnen Büchern sind:

  • Band 1: Das Geheimnis der mechanischen Leiche Teil 1
  • Band 2: Das Geheimnis der mechanischen Leiche Teil 2 und Die Schicksalstafel Teil 1
  • Band 3: Die Schicksalstafel Teil 2
  • Band 4: Die verlorenen Jungen von West Abbey und La Dama de la Muerte
  • Band 5: Der Uhwerk-Assassine

Band 1 und 2 haben also offene Enden, erst Band 4 und 5 sind jeweils für sich abgeschlossen. Die einzelnen Geschichten sind wiederum in Kapitel aufgeteilt. Übergreifend geht es zwar um Lady Mechanikas Suche nach ihrer eigenen Herkunft, dabei wird sie aber immer in Abenteuer gezogen, die nicht unmittelbar mit dieser Suche zusammenhängen. Lady Mechanika muss dann oft Verschwörungen aufdecken, korrupte Waffenfirmen aufhalten oder mysteriöse Morde aufklären. Insgesamt sind es Plots, die einen angenehmen Spannungsbogen haben und mich immer sehr gut unterhalten haben.

Was die Aufmachung und die Qualität der Bücher selbst betrifft, bin ich echt wieder überrascht. Der Splitter Verlag macht einfach hochwertige Bücher und ich geb gerne ein paar Euros mehr aus und halte eine wertige Ausgabe in Händen. Das ist hier wieder der Fall und ich bin sehr begeistert: Die Bücher haben sogar alle eine Fadenbindung (!!). Der Druck hat schöne kräftige Farben und die Seiten verströmen den sehr angenehmen frischen Geruch nach neuem Buch.

Joe Benitez wurde 1971 in Mexiko geboren, ist aber in Los Angeles aufgewachsen und ist wohl schon länger in der Comicwelt aktiv und hat auch schon für DC Comics gezeichnet. Im Band 4 macht er dann auch seine mexikanischen Wurzeln zum Thema, indem er die Feierlichkeiten zum Tag der Toten als Hintergrund wählt. Zwischen den einzelnen Geschichten sind dann auch immer Interviews und Texte von ihm eingestreut und im Anhang findet man auch oft Konzeptzeichnungen. Das waren Ergänzungen, die ich immer sehr interessant fand, da er auch immer ein wenig über den Schaffensprozess verrät.

Fazit: Die Lady Mechanika Comics zählen für mich zu den absoluten Favoriten und alle künftigen Teile werde ich mir auf jeden Fall holen. Die Zeichnungen gefallen mir richtig gut, genauso die schöne Protagonistin mit ihren wunderbaren vielseitig gezeichneten Kostümen und den unterhaltsamen Geschichten um ihre Herkunft und den finsteren Machenschaften korrupter Waffenkonzernen in einer stimmungsvollen viktorianischen Steampunk-Welt. Die sorgfältig gezeichneten und farbenprächtigen Illustrationen anzusehen ist einfach ein Genuss. Nächstes Jahr geht es weiter mit Band No 6, der alleine von der Zeichnung auf dem Cover schon sehr die Vorfreude weckt. Lady Mechanika ist definitiv eine Kaufempfehlung.

Buchinformation: Lady Mechanika. Band 1: Das Geheimnis der mechanischen Leiche • Joe Benitez • Splitter Verlag • 112 Seiten • ISBN 9783958395206

2 Kommentare

  1. Guten Morgen!
    Die Lady Mechanika habe ich letztes Jahr auf der Leipziger Buchmesse kennen und lieben gelernt! Die wunderschöne Steampunk-Welt mit all ihren ausgefallenen Details haben es absolut in sich. Dabei sind die erzählten Geschichten jedes Mal anders, jedes Mal neu und immer hoffe ich, endlich mehr zu den finsteren Machenschaften im Hintergrund zu erfahren. Schön, dass immer mehr Gefallen an dieser schlagfertigen Lady finden. 🙂

    Liebe Grüße!
    Gabriela

    1. Liebe Gabriela,

      ich habe gerade auf Deinem Blog vorbei geschaut und Du scheinst ja auch einige echt gute Comic Tipps zu haben. Unter anderem die Lady Mechanika. Und auch die Monstress. Hm, also ich glaub da muss ich bei Dir mal stöbern. Es freut mich, dass ich mit meiner Begeisterung für die schönen Lady Mechanika Comics nicht alleine bin! 😉

      Liebe Grüße und vielen Dank für Dein Feedback
      Tobi

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