Der Name des Windes • Patrick Rothfuss

Ich liebe schöne Prachtausgaben und durchforste regelmäßig die Verlagsvorschauen nach schönen bibliophilen Büchern. Dieses Jahr sah es erst einmal sehr schlecht aus, aber dann habe ich diese schöne Luxusneuauflage von Der Name des Windes entdeckt und mich gleich doppelt gefreut. Einmal weil es ein richtig prächtiges Buch zu sein schien, das sich von der Spezifikation einfach zu perfekt anhört. Und zum anderen, weil Prachtausgaben bei Fantasy-Romanen eine echte Seltenheit sind. Von Tolkiens Der Herr der Ringe gibt es mehrere schön aufgemachte Bücher. Und von Der Hobbit gibt es auch einen schöne Lederausgabe. Da habe ich mich sehr gefreut, dass der Klett-Cotta Verlag den Schritt wagt und eine richtig bibliophilen Ausgabe eines Nicht-Tolkien-Fantasy-Romans ins Programm nimmt. Das Buch ist ein wahres Schmuckstück und einfach prächtig. Ein Genuss, wie es ihn nur selten gibt. Während der Lektüre hat das schöne Buch dann aber doch eine Schattenseite offenbart.

Der Name des Windes von Patrick Rothfuss habe ich schon vor einigen Jahren gelesen und fand die Geschichte richtig unterhaltsam. Der Klett-Cotta Verlag ist für mich im Fantasybereich absolut führend und mit Tolkien und Tad Williams haben sie schonmal zwei Premium-Schwergewichte im Programm. Rothfuss würde ich auch in dieser Liga verorten, wenn er auch nicht ganz an Tad Williams herankommt. Nachdem meine erste Lektüre des Buchs nun schon bald über acht Jahre her ist, war Der Name des Windes auf der Liste der Bücher, die ich unbedingt nochmal lesen wollte. Um so mehr habe ich mich über die Prachtausgabe gefreut.

Die Geschichte handelt von Kvothe, einem jungen Arkanisten, also Zauberer, der sich in ein einsames Dorf zurückgezogen hat und dort inkognito als einfacher Wirt lebt. Ein Chronist spürt ihn auf und Kvothe beginnt ihm, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Ausgehend von seiner Kindheit berichtet Kvothe von einem einschneidenden Erlebnis, dass ihn entwurzelt und schließlich an eine Universität für Magier geführt hat. Also eine klassische Heldenreise, wobei Kvothe besonders mit seinem Einfallsreichtum und seiner Klugheit punktet. Das Ganze ist in einer typischen mittelalterlich geprägten Fantasy-Welt angesiedelt. In Summe also gut abgehangene Elemente, die jeden, der Fantasy mag, recht schnell hinter dem Ofen hervorlocken dürfte. Rothfuss versteht es nämlich, alle erzählerischen Register zu ziehen.

Hinsichtlich seiner Sätze und dem sprachlichen Aufbau ist das Buch eher unspektakulär. Es sind die narrativen Mittel, welche die Geschichte vorantreiben und Rothuss ist da echt gut dabei und nutzt gut ausgetretene Pfade. Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive geschrieben und in der vertraulichen Art und Weise, mit dem Kvothe seinen Lebensbericht schildert, entsteht schnell eine große Nähe zwischen dem Leser und dem Protagonisten. Er erscheint mit seinen Gedanken und Gefühlen sehr menschlich und es fällt einem sehr leicht, sich in ihn hinein zu versetzen und mit ihm zu fühlen. Ausgehend davon erschafft Rothfuss dann immer wieder Situationen, die den Leser sozusagen bei der Stange halten und eine gewisse Grundspannung erzeugen. So bringt er seinen Protagonisten immer wieder in eine missliche Lage und der Leser lernt ziemlich schnell, dass Kvothe zwar immer wieder ordentlich eine auf die Mütze bekommt, am Ende aber ein Edmond Dantes oder Jean Valjean ist und damit im Grunde zur Gruppe der unbesiegbarer Superheld gehört. Es entsteht ein Wissensvorsprung und man freut sich schon im Voraus, wie Kvothe sich mit einem raffinierten Kniff oder seiner Klugheit aus der Affäre zieht. Oder Rothfuss stellt eine ungerechte Situation her, in der der Leser mit dem Protagonisten fühlt und sich dann natürlich freut, wenn sich genau diese ausgleicht. Es gibt auch immer wieder Szenen, wo er Kvothe so richtig gewinnen lässt und der Erfolg ist dann auch für den Leser in einem gewissen Maße nachfühlbar. Damit kitzelt er ein wenig den Narzissmus, der jedem Menschen ein wenig anhaftet, was ebenfalls das Lesevergnügen sehr fördert. Sogar eine ganz plumpe Vorausschau am Kapitelende, im Stile von „und er ahnte nicht, was für eine Katastrophe sich daraus für ihn ergeben sollte“, kommt einige Male vor. Insgesamt finde ich das bei ihm schon sehr auffällig und man merkt, dass er sich mit dem Handwerk des Schreibens intensiv beschäftigt hat. Das mach den Roman zu einem sehr unterhaltsamen Buch, für mich leidet darunter aber auch die Authentizität, denn diese Stilelemente sind dann doch sehr auffällig und die Situationen wirken dann ein wenig konstruiert.

Was mir richtig gut gefällt, ist die Stimmung, die diese Geschichte verströmt. Die Welt wirkt sehr authentisch und Rothfuss erklärt nicht viel, sondern lässt an vielen Stellen offen, was die fremden Wörter für Orte, Völker, Länder und Einheiten genau bedeuten. Dafür ist dann auch das Beiheft gut, um dort mehr über Kalender, Währung und das fiktive Land zu erfahren. Die Karte von Rothfuss Welt wurde, ausgehend von der alten Ausgabe, nochmal verbessert und ist nun optisch ansprechender.

Auch auf emotionaler Ebene konnte mich das Buch sehr überzeugen. Die Gedanken und Gefühle von Kvothe sind nachvollziehbar und man fühlt durchaus mit ihm mit. Besonders gelungen finde ich Denna, die Rothfuss sehr schön ausgestaltet hat, geheimnisvoll, umwoben von dem Schleier der ersten Liebe. Tja, für solche Elemente bin ich einfach empfänglich, denn das ist dann doch immer das Salz in der Suppe. Zuviel ist nicht gut, zu wenig auch nicht und da bekommt der Leser genau die richtige Balance.

Dabei ist mir aufgefallen, dass Rothfuss allgemein die Orte und Menschen nicht so sehr im Detail beschreibt. Das finde ich in dem Buch sehr gelungen, denn für ihn steht das Geschehen im Mittelpunkt und wer beispielsweise von den Landschaftsbeschreibungen in Herr der Ringe nicht begeistert war, findet hier eine Geschichte, die in dieser Hinsicht gar nicht ausschweifend ist und eigentlich durchgehend ein sehr angenehm hohes Tempo hat. Ich mag es ja, wenn ein Autor das Setting auch detailliert beschreibt und insbesondere die Natur stark mit einbezieht, aber in diesem Buch passt es sehr gut, dass genau das nicht der Fall ist. Der Text ist sehr stimmig und man merkt, dass Rothfuss an dem Buch viel gefeilt hat, um hier eine runde Geschichte zu bekommen. Irgendwie hat man dann doch ein sehr genaues Bild von den Figuren und das ist schon eine Kunst, dass mit wenigen Beschreibungen und primär über die Story selbst greifbar zu machen. Im Nachwort erfährt man, dass Rothfuss sich ganz bewusst dafür entschieden hat und möchte, dass jeder Leser eine eigene Vorstellung von den Figuren gewinnt.

Wie schon angedeutet, ist dieses Buch einfach wunderschön und es ist ein Vergnügen es in die Hand zu nehmen. Der Einband ist aus einem goldenen Material, mit geprägten schwarzen Verzierungen und besonders in der Sonne schimmert das Buch richtig prächtig. Die aufgeprägten Wolken symbolisieren den Wind und Kvothes Suche nach dem Namen des Windes. Dabei ist das Buch richtig dick, groß und schwer und strahlt damit auch genau das aus, was man bekommt: Eine richtig schöne umfangreiche Geschichte. Von Fantasyromanen erwartet man ja auch ein bisschen, dass es dicke Schwarten sind und einen ordentlich lange in eine andere Welt entführen.

Das Buch enthält zahlreiche Illustrationen von Marc Simonetti und die sind einfach wunderbar. Das ist genau der Stil, den ich liebe und den man auch oft in der Welt der Computerspiele oder Brettspiele antrifft. Die Zeichnungen visualisieren sehr schön und passend die Szenen aus dem Buch, sind aber genau so dosiert und ausgestaltet, dass man selbst nicht in seiner Vorstellung eingeschränkt wird. Ich habe die Illustrationen vor vielen Jahren schon einmal im Netz entdeckt, nachdem ich das Buch damals gelesen hatte und mir haben sie da schon sehr gut gefallen. Die Illustrationen werten das Buch auf jeden Fall nochmal sehr auf.

Das Buch selbst hat eine Fadenbindung. Ja ihr habt richtig gelesen: Eine Fadenbindung. Das gibt es nicht mehr oft dieser Tage und mit dem farbigen, das heißt schwarzen Faden, schlägt mein Herz sofort höher. Das Buch ist richtig ordentlich gebunden. Und es hat zwei Lesebändchen und das ist schon dekadent. Weil eigentlich reicht eines völlig aus, nachdem es kein Nachwort oder Ähnliches in dem Buch gibt. Ein Luxus, der auch sehr nach meinem Geschmack ist, denn die Lesebändchen sind farblich perfekt abgestimmt. Also hier ist alles perfekt und man merkt sofort, dass man hier etwas für sein Geld bekommt. Von der Ausstattung scheint hier jeder Cent gerechtfertigt.

Das Buch steckt nochmal in einem Schuber und auch der fühlt sich sehr hochwertig an. Er ist mit einem schwarzen Leinen bezogen und hat den Titel in goldener Schrift aufgedruck, was besonders im Gegenlicht sehr schön aussieht. Gerade dass der Schuber sozusagen invertiert zum eigentlichen Buch ist, sieht sehr schön aus. Auch, dass farblich alles aufeinander abgestimmt ist, zeigt, dass hier jemand am Werk war, der sein Handwerk versteht.

Mit dabei ist ein dünnes Heftchen, in dem weiterführende Informationen mit ein paar Illustrationen enthalten sind. Das ist eine ganz nette Erweiterung, hätte aber wahrscheinlich auch im Hauptbuch noch Platz gefunden. Aus meiner Sicht ist das aber eine schöne Dreingabe, die alles nach ein bisschen mehr aussehen lässt. Dort enthalten ist auch sein Nachwort, allerdings fällt das eher seicht aus, da erfährt man nur wenig. Die Abschnitte über den Kalender und das Währungssystem fand ich hingegen wieder sehr informativ, da das sonst im Buch nirgends erläutert wird.

Ist das Buch also ein perfektes bibliophiles Schmuckstück? Leider nur fast. Eine Schwäche hat das Buch während des Lesens gezeigt: Es hat einen empfindlichen Bucheinband. Obwohl ich sehr sorgsam mit dem Buch umgegangen bin und es nur im Bett und auf meinem gelben Sessel gelesen habe, hatte es schon nach kürzester Zeit zwei Kratzer auf der Rückseite. Als ich etwa bei der Hälfte angelangt bin, hat sich auf dem Buchdeckel und Buchrücken, genau an dem Gelenk, der schwarze Aufdruck etwas gelöst. So als hätte ich das Buch sehr oft geöffnet. Das fand ich nach ein paar Tagen lesen doch eine ziemlich schnelle Verschleißerscheinung. Wirft man einen Blick auf den Einband, dann ist der Effekt auch nachvollziehbar. Ich weiß nicht genau, was für ein Material das ist, das wunderschön aussieht, aber eben nicht die Widerstandsfähigkeit eines stabilen Leinen hat. Ich glaube Leinen könnte man nicht so einfach mit einem so ungleichmäßigen Wolkenmuster versehen und eine so goldene Farbe ist dann wahrscheinlich auch nicht so einfach umsetzbar. Die klassischen Materialien wie Leder oder Leinen sind halt dann doch unschlagbar und haben sich zurecht durchgesetzt. Ich vermute, da ist auch ein gewisser finanzieller Hebel und mir ist auch bei der Neuauflage der Manesse-Klassiker aufgefallen, dass kein Leineneinband mehr verwendet wird, sondern ein anderes Material, dass dann mit einer Struktur versehen wird, die dem zwar haptisch sehr nahe kommen soll, aber von der Langlebigkeit und Stabilität dann doch nicht die perfekte Lösung ist. Es bleibt für mich offen, wie sehr das Buch bei mehrmaliger Lektüre leidet, oder wenn man es täglich mit in die S-Bahn nimmt. Anders sieht es mit dem Schuber aus, der einen sehr robusten Eindruck macht und auch mit einem sehr widerstandsfähigen Leinenbezug bespannt ist. Nimmt man das Buch mit, so empfiehlt es sich, es im Schuber zu transportieren. Insgesamt ist das Buch aber schon sehr wertig und auch die Fadenheftung wirkt sehr stabil. Am Ende ist es wie bei IKEA Möbel: Ein paar kleinere Macken holt man sich da meistens schon beim Aufbauen, dafür halten sie dann aber die nächsten hundert Jahre.

Der Name des Windes ist der erste Band der Königsmörder-Trilogie und erschien 2008 in deutscher Sprache. Das zweite Buch erschien 2011 und 2012, denn in seiner deutschen Ausgabe wurde es auf zwei Bücher aufgeteilt. Das dritte Buch lässt seitdem auf sich warten. 2015 kam eine ziemlich schlechte Kurzgeschichte heraus, von der ich damals sehr enttäuscht war. Seitdem hört und sieht man nichts von einer Fortsetzung. Das ist schon fast wie bei George R. R. Martin, der sich ja auch immer ziemlich viel Zeit gelassen hat. Im Netz wird wild spekuliert und angeblich hat Rothfuss seinen dritten Band The Doors of Stone bereits vollendet und er befindet sich schon in Revision. Sogar ein Bild von einem Stapel Blätter, vor einer Tastatur aus den 90er Jahren, ist zu sehen, was nun nicht unbedingt das Vertrauen in die Informationsquelle stärkt. Auch hinsichtlich einer Verfilmung wird gemunkelt, aber da hab ich nicht weiter recherchiert, denn selbst wenn es eine solche geben sollte, würde ich sie nicht anschauen. Wozu auch, es gibt ja das Buch.

Patrick Rothfuss wurde 1973 in Wisconsin in der USA geboren und war wohl ein Dauerstudent, der zig Fächer studiert hat und sehr vielseitig interessiert war. Dass er mit dem Unileben sehr viel Erfahrung hat und es viel Raum in seinem Leben eingenommen hat, das merkt man auch an Der Name des Windes, wo genau darauf stark der Fokus liegt. Diese Vielseitigkeit des Autoren merkt man aber auch an der inhaltlichen Ausgestaltung des Buches. Alleine wie er die Magie in seiner Welt beschreibt, ist einfach faszinierend und wirkt wie ein Zweig der Naturwissenschaft. Besonders produktiv ist er allerdings nicht, neben den zwei (bzw. im deutschen drei Büchern) und der Kurzgeschichte hat er nichts veröffentlicht. Ich hoffe sehr, dass er seine Königsmörder-Trilogie bald fertigstellt, denn die Geschichte ist schon sehr schön und unterhaltsam und man möchte einfach wissen, wie es weitergeht mit seinem Kvothe, was ihn nun zum Königsmörder gemacht hat und natürlich mit der schönen Denna.

Fazit: Diese Luxusprachtausgabe von Der Name des Windes ist einfach wunderbar. Eine sehr unterhaltsame und klassisch schöne Fantasy-Geschichte wurde hier in einem wunderschön gestalteten, sehr bibliophilen und optisch sehr ansprechenden Buch verpackt, das obendrein noch mit ebenso phantasiereichen und gelungenen Illustrationen aufwartet. Fadenbindung, Schuber, zwei Lesebändchen, güldener geprägter Einband: Was will man mehr? Leider ist das Buch selbst sehr empfindlich und es empfiehlt sich eine Lektüre im heimatlichen Lesesessel. Insgesamt ist diese Prachtausgabe ganz großes Kino, Lesegenuss pur und jeden Cent wert. Eine klare Kaufempfehlung und auch hervorragend als Geschenk geeignet, für alle, die Fantasy oder Tolkiens Bücher mögen und ein prächtiges Buch zu schätzen wissen. Ich hoffe sehr, dass dies ein Auftakt für noch viele weitere solcher Prachtausgaben aus dem Hause Klett-Cotta ist.

Buchinformation: Der Name des Windes • Patrick Rothfuss • Klett-Cotta Hobbit Presse • 864 Seiten • ISBN 9783608938159

6 Kommentare

  1. Was für eine mitreißende Rezension. Leider lese ich kein Fantasy, sonst wäre ich glatt schwach geworden, denn du hast mich definitiv mit den richtigen Worten angesprochen und auch die Optik des Buches macht was her. Danke dafür. Die Woche kann nicht schöner beginnen. Ich liebe gelungene Rezensionen – egal zu welchen Themen.

    Liebe Grüße, Yvonne

    1. Hallo,

      Auch ich lese so gut wie nie einen Fantasy-Roman, da ich mich lieber mit etwas realistischeren, alltäglicheren Literaten auseinandersetze. An dieser Stelle muss ich aber einwerfen: dies ist tatsächlich eine Ausnahme! Nun gut, um ganz ehrlich zu sein: Ich habe beim zweiten Band aufgehört, aber verdammt, lies den ersten!

  2. Das ist wirklich eine sehr schöne Ausgabe!
    Ich persönlich finde diese Edition, dadurch, dass sie eben nicht ledergebunden ist, umso interessanter: 🙂 Werde ich sicherlich im Auge behalten. Danke für die schöne Vorstellung!

    Liebe Grüße
    Karin

  3. Wow!!!
    Das ist eine richtige schöne Ausgabe!! Ich habe die Geschichte damals als Hörbuch verschlungen. Obwohl ich sie als CDs tatsächlich im Regal stehen habe, hab ich zwischen durch immer überlegt sie mir auch als Buch zu holen.
    Ich hab es dann aber immer gelassen. Jetzt hätte ich einen richtig guten Grund dazu.
    Danke, dass du sie hier vorgestellt hast.
    LG Chia

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