Bücher und Musik

Die letzten Monate habe ich spürbar weniger gelesen, was besonders auch daran lag, dass ich mich verstärkt den Genüssen der Musik hingegeben habe. Musik ist in den letzten Jahren bei mir etwas ins Hintertreffen geraten und ich habe zwar manchmal bei der Arbeit ein wenig gehört, aber eben nur im Hintergrund auf der Nebenspur. Vor einigen Monaten habe ich dann im Keller mein Grammophon wieder gefunden und alle meine Platten durchgehört. Das war ein ziemliches Vergnügen und mir ist dabei wieder klar geworden, dass ein ganz bewusster Genuss von Musik eine ganz andere Qualität hat, als dieses nebenbei mal was anhören. Am Thema Schallplatten habe ich lange nicht gerührt, denn mir war klar, dass ich da ein ordentliches Fass aufmache. Aber schließlich habe ich mir doch einen schönen Plattenspieler gegönnt und seitdem habe ich mir einige wunderbare LPs besorgt. Abends einfach nur Musik zu hören, habe ich früher oft gemacht und auch jetzt ist es eine Entschleunigung, die sehr angenehm ist. Mir ist dabei zudem klar geworden, dass Musik und Bücher für mich eng miteinander verwoben sind. Darüber will ich heute ein wenig philosophieren.

Über das Thema Bücher und Musik hatte ich bereits einmal geschrieben und dabei festgestellt, dass viele beim Lesen gar nicht Musik hören, das nicht mögen oder können und absolute Stille bevorzugen. Ich mag beide Varianten, ich mag es sehr gerne, wenn es einfach völlig still ist, ich liebe es aber auch, Musik zu hören, während ich eine schöne Geschichte lese. Überhaupt habe ich mich daran gewöhnt, auch in lauter Umgebung mich ganz in meine Bücher zu vertiefen und mich völlig abzugrenzen. Ich kann auch entspannt lesen, wenn neben mir jemand in der S-Bahn sich unterhält und das ist etwas, das ich auch erst lernen musste und mir Anfangs schwer gefallen ist. Bei Musik verhält sich das anders, selbst wenn sie überhaupt nicht zu dem Buch passt, harmoniert das oft sehr schön. Als ich zuletzt Das Quartett der Liebenden gelesen habe, da habe ich mir immer die Platte von Paramore (mit selbigen Titel) angehört und Indie-Rock passt ja irgendwie nicht zu dieser Liebesgeschichte. In meinem Kopf hat es allerdings gepasst und immer wenn ich mir nun die Platte auflege, dann muss ich unwillkürlich an Carmen denken und die ungestüme Liebe zwischen ihr und Moro.

Nach und nach habe ich mir die verschiedensten Platten geholt und dabei gemerkt, dass sich Musik wie ein roter Faden durch mein Leben zieht. Am Ende sind es gar nicht so viele Alben, die zu meiner persönlichen Hall-of-Fame gehören und der Soundtrack meines Lebens ist eigentlich gar nicht so umfangreich. Zumindest nicht die Musik, die mir wirklich zu Herzen geht und etwas bedeutet. Die Auswahl, die ich aber getroffen habe, steht oft in Verbindung mit Büchern, denn auch diese sind ein fester Bestandteil meines Lebens. So wecken viele Songs nicht nur die Erinnerung an ein einziges Buch, sondern auch an lange vergangene Gefühle und Gedanken und gerade diese Verbindung ist selten und ist damit sehr positiven behaftet. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich damals den Soundtrack von Dances with Wolves das erste Mal gehört und lieben gelernt habe. Damals auf Kassette und später dann auf CD. Wenn ich der Musik lausche, dann kommt es mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich damals von Noah Gordon Der Schamane gelesen habe. Das weiche Streichorchester hat wunderbar zu der Kulisse des Romans gepasst, der neuen Welt, die ja auch in dem Film das Setting ist. Ich habe das Buch seitdem nicht mehr gelesen und ich kann mich auch an nichts mehr daraus erinnern, aber diese Stimmung, die ich damals bei der Lektüre empfunden habe, nicht nur aus dem Buch heraus, sondern auch das weiche orangefarbene Sonnenlicht in meinem Zimmer, das die durchscheinenden Gardinen damals diffus eingefärbt haben, die Erinnerung an die warmen Sommertage meiner Kindheit und auch die Musik selbst, sind ein fester Teil meines Ichs geworden. Wenn ich jetzt diese Platte auflege, dann sind die damit verbundenen Emotionen natürlich nur ein Schatten dessen und auch stark verändert, denn das Gehirn führt einen ja hinsichtlich solcher Reminiszenzen immer in die Irre. Die wunderschöne sanfte Orchestermusik, die besonders auf Schallplatte genau die richtige warme Färbung hat und diese dabei ausgelösten Gedanken, das sind eine angenehme Zerstreuung. Und natürlich steht die Musik auch darüber hinaus für sich und bietet noch immer ein wunderbares Klangerlebnis.

Es gibt einige Interpreten, die kann ich mir immer anhören. Dem entsprechend bringe ich sie auch nicht mit bestimmten Büchern in Verbindung. Dennoch entsteht gedanklich eine Mischung aus all den Lektüren und auch den Lebensphasen, zu der ich diese Musik gelauscht habe. Wobei es auch Alben gibt, die ich dieser Tage nicht mehr hören möchte.

Während Musik natürlich Emotionen weckt oder verstärkt, so hat sie für mich eine noch weitreichendere Wirkung. Beispielsweise habe ich zur Lektüre von Horcynus Orca immer die Releax Editions von Blank & Jones gehört. Der anspruchsvolle Roman hat eine ganz spezielle Sprachmelodie und in den wunderschönen und ausladenden Sätzen hört man auch immer das Rauschen des Meeres, das Wogen der Wellen, den Fluss einer ganz eigenen Musik, wie sie nur kunstvoll arrangierte Sätze erschaffen können. Es gibt einige Bücher, bei denen ich beim Lesen das Empfinden habe, eher einer schönen Melodie zu lauschen. Wenn, wie bei Horcynus Orca, dann die dazu gehörte Musik so wunderbar zum Gelesenen passt, wenn sich beides ergänzt, dann steigert das die Qualität der verbrachten Lesestunden sehr. Das ist auf eine ganz eigene Weise entspannend und man kommt beim Lesen in einen Flow, den ich sonst nur von meiner Arbeit, der Softwareentwicklung, kenne.

Was hingegen bei mir nie ein Quell für Musik war, sind die Bücher selbst. Ich kann nicht sagen, dass ich jemals aus einem Buch einen Musiktipp gewonnen habe. Natürlich gibt es sehr schöne Bücher über Musik. Der Klang der Zeit von Richard Powers beispielsweise. Das ist ein wunderbarer Roman, darüber wie grausam Rassismus ist, aber auch darüber, was für eine Tiefe und Bedeutung Musik für ein Menschenleben haben kann. Sehr schön fand ich damals die Ausführungen Powers über die Entstehung des Jazz und Blues, die er mit eben genau so einer besonders schönen Sprachmelodie vorgebracht hat. Das weckt natürlich Lust auf Jazz und bei so einer Lektüre komm ich dann auch nicht darum herum mein Grammophon heraus zu holen. Dennoch würde ich nicht sagen, dass ich jemals einen bestimmten Künstler über ein Buch entdeckt hätte.

Hält man nun ein Buch in den Händen, dann kann man bei der Wahl der passenden Musik, jegliche Rahmenbedingungen über Bord werfen und das mach ich natürlich, oder man kann ganz bewusst zu einem bestimmten Genre greifen. Filmmusik liegt hier nahe, was gut beim Bewegtbild funktioniert, das ist auch für Bücher gut. Oder klassische Musik vielleicht, das geht auch immer. Ein Genre, das ich hingegen für das Lesen als hervorragend geeignet empfinde, sind Video Game Soundtracks. Filmmusik ist ja sehr auf die Einzelszenen eines Films abgestimmt und genau das funktioniert bei Computerspielen nicht. Dort kann niemand wissen, wie lange ein Spieler an einer Stelle verweilt, wie lange er eine Episode in dem Spiel erlebt. Entsprechend ist die Musik aufgebaut und muss den Hörer auch über einen längeren Zeitraum akustisch angenehm einhüllen, ohne dass es zu schnell als langweilig empfunden wird. Hinzu kommt, dass Musik zu den großen Computerspiele-Blockbustern sehr aufwendige Produktionen sind. Bedenkt man die Budgets, die Spiele haben, die gängige Filmproduktionen bei weiten übersteigen, dann ist klar, dass hier hervorragende Musik geboten wird. Der Soundtrack von Horizon Zero Dawn hatte sogar vier Komponisten und wer die Musik, so wie ich, auf einer prachtvollen Premium-Vinyl-Ausgabe geniest, der bekommt hier ganz großes akustisches Kino geboten. Oder der Soundtrack von Skyrim von Jeremy Soule, der einfach ein Meisterwerk ist. Mit Einflüssen von Filmkomponisten wie John Williams, aber auch musikalischen Strukturen, die stark an Wagners Opern erinnern. Episch und gleichzeitig sanft und emotional. Für mich ist das eine ganz wunderbare Möglichkeit das Lesevergnügen um einiges zu steigern.

Wie ist das bei euch? Hört ihr beim Lesen auch Musik? Welche Rolle spielt Musik in eurem Leben? Habt ihr einen Plattenspieler? Oder kommt für euch Musik beim Lesen gar nicht in Frage?

5 Kommentare

  1. Hallo Tobi,

    Lesen und Musikhören sind bei mir zwei getrennte Dinge, die – glaube ich – für mich nicht zusammen funktionieren. Das liegt daran, dass ich beim Lesen komplett abschalte und nichts mehr um mich herum wahrnehme. So hatte ich auch noch nie Probeme mit Umgebungsgeräuschen um mich herum beim Lesen, z.B. beim Zugfahren etc. Früher habe ich sogar manchmal heimlich unter der Schulbank gelesen, wenn mich das Fach nicht interessierte. Vielleicht nimmt man die Musik unterbewusst wahr; wenn man die Musik als Soundtrack zum Buch betrachtet, dann könnte das schon funktionieren – muss ich vielleicht einmal ausprobieren, Deine Beschreibung macht jedenfalls Lust darauf.

    Musik hat in meinem Leben einen sehr hohen Stellenwert. Ich höre so oft es geht Musik, sehr gerne auch beim Arbeiten. Gerade beim Arbeiten unterstützt mich die Musik in der Inspiration und manches Mal habe ich das Gefühl, dass der Code regelrecht aus meinen Fingern fliesst, wenn ich dem Klang der Musik lausche und es passiert immer wieder, dass ich eigentlich gar nicht merke, was ich da programmiere – aber am Ende funktioniert der Code.

    Ich kann verstehen, dass man der Schallplatte derart viel abgewinnen kann, so wie Du das tust. Ich bin allerdings eher ein Fan der CD. Ich liebe meine Sammlung, lege dabei grossen Wert auf die Gestaltung und ein schönes Booklet und bin regelrecht enttäuscht, wenn diese lieblos ausgefallen sind oder – bei Gesang – gar die Lyrics fehlen. So macht es mir auch besonders Spass die Texte zu studieren und zu sehen, welche Anmerkungen die Künstler in den Booklets hinterlassen. Ein besonderes Fest sind natürlich schöne Box-Sets oder aber auch wenn ein Label ein durchgängiges Design wählt und sich alle Veröffentlichungen in der Gestaltung ähneln, das ist dann für mich ein echter Hingucker im Regal.

  2. Moin,
    bei mir ist Mike Oldfield – Incantantions mit dem Herrn der Ringe verknüpft. Wenn ich das höre tauchen sofort Gestalten und Landschaften auf.
    Ansonsten höre ich mal Musik – mal nicht, Es muss aber etwas bekanntes sein, so daß es nichts ausmacht wenn ich so ins Buch vertieft bin dass ich von der Musik nichts mitkriege- Und es muss schon etwas ruhigeres sein – Deep Purple, Led Zeppelin oder Golden Earing geht da gar nicht.
    Ansonsten ist bei mir wie bei Büchern auch alles elektronisch. Die LPs sind mit der Zeit verschwunden und durch CDs ersetzt, welche aber wiederrum alle gesamplelt auf meiner Synology liegen. Abgespielt wird das alles über einen Sonos Amp. Der CD Spieler fristet sein Dasein im Keller – ein 45 bit Directplayer. Den Plattenspieler hat mir mein Sohnemann abgeschnorrt – mit S-Arm, Stroboskop, Direktantrieb und was weiss ich was damals modern war 🙂
    Abgespoelt wird alles über einen Sonos Amp. Ich mag es wenn ich Oldfield oder Renaissance an einem Stück hören kann ohne die Platte umdrehen zu müssen. Auch knistern löst bei mir keine nostalgischen Gefühle aus. Spotify habe ich natürlich auch – aber das ist eher für unterwegs oder zB zum Frühstück,
    Du siehst bei Medien bin ich durchdigitalisiert – Mit Filmen ist das ganz ähnlich. Hier habe ich den Schritt Blu-Ray sogar ganz übersprungen.
    Bücher habe ich noch im Wohnzimmer – ausgewählte Exemplare. CDs und DVDs sind alle im Keller und versauern da eigentlich.

    //huebi

  3. Ein schöner Beitrag! Aktuell lese ich leider auch weniger bis gar nicht. Irgendwie gibt es kaum ein Buch, dass ich beginne und dann tatsächlich beende. Das liegt aber mehr an meiner aktuellen (fast schon chronischen) Leseunlust und an der fehlenden U-Bahn-Fahrt zur Arbeit, die ich gerne zum Lesen genutzt habe. Zurzeit schaue ich mir lieber mal online ein Konzert oder einen Film an. Oder lese eine Zeitung/ein Magazin. 🙂

    Ich persönlich höre während des Lesens oft Musik nebenbei – leise im Hintergrund. Das stört mich absolut nicht. Es entspannt mich eher. Ich konnte früher auch für die Schule lernen und nebenbei Musik hören. Musik gehört für mich auch einfach zum Leben dazu ebenso wie Bücher (normalerweise).

    In der Vergangenheit habe ich beim Lesen oft auf die YouTube-Monats-Playlist von dem Indie Label AlexrainbirdMusic (Indie Pop/Folk/Rock/Alternative Musik) zurückgegriffen, die ich auch über die YT Music App hören kann. Wobei das MP3-Format gewiss nicht mit dem Klang deines Grammophons mithalten kann. Die Bilder zu deinem Beitrag dazu finde ich da auch sehr gelungen. Hier harmonieren Buch und Platte ebenfalls sehr gut miteinander. Paramore trifft auch meinen Musikgeschmack. Die Band habe ich vor Jahren mal Live bei Rock im Park gesehen. Da muss ich sofort wieder dran denken.

  4. Der Blog gefällt mir gut und ja, ich höre auch oft Musik beim Lesen. Entweder von einer unser CD´s (sind so um die 1200) oder auch gerne vom Webradio.
    Favoriten sind DK P8 Jazz, Folkradio DK, Svensk Folkmusik Akka, NRK Folkemusik und NRK Klassisk. Streamingdienste interessieren mich weniger, ich habe keinen Mainstream Geschmack.
    Unter den CD´s bieten sich einige passend zur Lektüre an, z.B. Ketil Børnstad „Vindings Music“ zum Roman „Vindings Spiel, Kari Bremnes „Løsrivelse“ zu einer Biografie über Edvard Munch und Musik von Edvard Grieg zu einer Biografie über ihn.
    In meinem Leseleben gibts immer wieder Phasen mit sehr wenig Lesen, das gehört anscheinend dazu.
    Dass Du Platten wieder rausholst, finde ich sehr schön. Ich habe viele, von denen ich mich nicht trennen kann und die ich irgendwann noch digitalisieren will.
    Aber Alben wie „Rubber Soul “ (Beatles), „Köln Concert“ (Keith Jarrett) oder von Karat kann man einfach nicht wegwerfen.

    Danke für die Anregung zu dem Thema.

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