Schilf im Wind • Grazia Deledda

Es gibt zahlreiche bekannte Klassiker, die an jeder Ecke in verschiedensten Ausgaben angeboten werden und die ich mit Vergnügen lese und die zumeist auch sehr gut sind. Und dann gibt es da die unbekannten Bücher, die unter dem Radar sind, von deren Autoren ich noch nie was gehört habe, die im Bücherladen nur ganz kurz ausliegen (wenn überhaupt) und die irgendwo auf der zehnten Seite in der Suchliste ganz unauffällig auftauchen und genauso schnell wieder verschwinden. Gute Bücher dieser Art zu finden, das ist die Kunst. Und das ist die Leistung eines guten Verlages: Solche Geheimtipps aufzuspüren und in hoher Qualität neu aufzulegen. Schilf im Wind würde ich als so ein Buch bezeichnen. Ich habe zuvor noch nie etwas von der Autorin oder diesem Buch gehört, habe mich aber sowohl vom Klappentext als auch von der ganzen Aufmachung angesprochen gefühlt. Ob das Buch tatsächlich ein Geheimtipp ist, oder in den Untiefen meines Bücherregals in völliger Bedeutungslosigkeit wieder verstauben wird, das erfahrt ihr in diesem Artikel.

Schilf im Wind spielt in Sardinien und handelt von dem Knecht Efix und einer verarmten adeligen Familie. Von dem ehemals wohlhabenden Hause sind nur noch die drei erwachsenen Töchter übrig, die in dem alten und heruntergekommenen Anwesen ein einfaches Leben fristen. Nach und nach offenbart sich dem Leser ein Drama, das sich vor Jahren abgespielt hat und die Familie zu Fall gebracht hat und noch in der Gegenwart nachwirkt. Als der Neffe der Tanten vom Festland zu seinen Tanten zurück kehrt, müssen sich alle Beteiligten dieser Vergangenheit stellen.

Grazia Deledda, 1871 auf Sardinien geboren, entstammte einer wohlhabenden Familie und wuchs auf der Mittelmeerinsel auf. Ein Klassiker einer italienischen Autorin ist mir noch nicht so oft untergekommen und überhaupt ein Klassiker von einer Autorin habe ich auch schon länger nicht mehr gelesen. Alleine deshalb fand ich dieses Buch schon spannend. Zudem wird im Klappentext auch mit herausragenden Naturbeschreibungen geworben, was auch genau mein Ding ist. Tatsächlich erwarten den Leser dann auch sehr schöne Landschaftsbilder, die Deledda immer wieder einstreut und die mit ihrem klaren Stil, mit ihren Blick auf die Farben, die Flora, dem Wetter und dem ganz eigenen Charme der sardischen Natur bestechen. Diese sind, so zahlreich, wie sie eingestreut sind, aber auch ein ganz elementarer Teil der Charaktere und der Kultur Sardiniens. Diese üppig anmutende Insel, mit all ihren Farben und Schattierungen, ist ein Teil der Menschen, die Deledda hier portraitiert und spiegelt ihr Wesen auf einer weiteren Ebene wider.

Die Welt dehnte sich weit vor ihm aus wie das Tal nach einem Sturmwind, wenn Nebel aufzieht und sich wieder verflüchtigt. Die Burg vor dem blauen Himmel, die Ruinen, auf denen das Gras voller Tauperlen erzitterte, die Ebene dort unten mit den rostroten Flecken der Binsenhaine, alles war erfüllt von der Süße der Kindheitserinnerungen, der vor langer Zeit verlorenen, vor langer Zeit herbeigesehnten, beweinten und dann vergessenen Dinge, die man am Ende aber wiederfindet, wenn man schon nicht mehr an sie denkt und ihnen nicht mehr nachtrauert. (S. 253)

Gerade die Menschen in diesem Roman fand ich faszinierend. Deledda beschreibt hier eine archaisch anmutende Gesellschaft, die geprägt ist von heidnischem Aberglauben und einem von zahlreichen Festen und Ritualen durchsetztem christlich-katholischen Volksglauben. Im Nachwort hat Federico Hindermann den Eindruck, dass die Geschichte zeitlos ist. Es gibt zahlreiche Hinweise, die durchaus vermuten lassen, dass der Roman Anfang des 20. Jahrhunderts spielt, beim Lesen hat man aber eher das Gefühl, dass er im späten Mittelalter angesiedelt ist. Die Figuren sind praktisch permanent auf irgendwelche christlichen Festen, die in ihrer ritualisierten Ausführung aber so stark von einem christlichen Aberglauben durchdrungen sind, dass man das Gefühl hat, hier eine intellektuell noch sehr einfach ausgestattete Kultur anzutreffen. Zudem sind die Bewohner der dörflich wirkenden kleinen Ortschaften alle so ganz typische ländliche Inselmenschen, die sehr egozentrisch sind, in sich gekehrt, auf den eigenen Vorteil bedacht und dabei ein sehr einfaches Leben führen. Ganz stark ist das bei dem Protagonisten Efix zu sehen. Ganz zu Beginn gibt es ein Fest, deren Ablauf beschrieben wird und dann doch deutlich zeigt, wie man hier in althergebrachten kulturellen Leitlinien lebt.

In die Figuren konnte ich mich nur mäßig einfühlen. Deledda gibt ihnen zwar eine realistische Tiefe, sie sind allerdings in ihrem rein auf Tradition und Aberglaube begründeten Gottesglauben verhaftet und diese Denkweise bestimmt ihr Handeln und Leben. Das ist gleichzeitig auch die Stärke des Buches, denn der Leser bekommt so einen Einblick in die kulturelle Lebenswirklichkeit der sardischen Inselbewohner der damaligen Zeit. Ein Umstand, der literarisch eine Besonderheit ist und für den sie 1926 auch den Nobelpreis für Literatur bekommen hat. So ein Einblick in das Denken einer vergangenen Kultur ist etwas, das ich, hin und wieder, ganz spannend finde und das mich an die Pellisquadre aus Horcynus Orca erinnert hat.

Die Sprache ist weder übertrieben einfach, wie das oft bei Romanen der Fall ist, die Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben wurden, noch sind die Sätze komplex oder sperrig. Das Buch liest sich angenehm flüssig und immer mal wieder sind auch sehr schöne wohlklingende Sätze zu finden, was zu lesen sehr genussvoll ist. Die Naturbeschreibungen haben tatsächlich etwas Herbes, sind zumeist nicht so blumig und poetisch, wie das bei anderen Büchern der Fall ist, haben aber durchaus ihren Reiz. In meiner Vorstellung sind vor meinem geistigen Auge schöne Landschaften entstanden, so richtig begeistert haben mich allerdings nur wenige Passagen.

Es hat ein bisschen gedauert, bis ich in der Geschichte angekommen bin. Die Autorin nimmt sich viel Zeit die Charaktere und die Gesellschaft einzuführen und gerade am Anfang ist das Tempo des Romans sehr langsam. Tatsächlich ist das notwendig, denn gerade die einzelnen Figuren und ihre Art zu denken sind dann für den weiteren Verlauf wichtig. In der Mitte hat mich das Buch dann gefesselt und ich habe mich gefragt, worauf das Ganze hinaus laufen wird, wohin sich die Geschichte entwickeln wird, was sehr spannend war. Zum Ende hin nimmt das Tempo des Buches wieder stark ab und hatte wieder ein paar Längen, das habe ich dann wieder als etwas zu langsam empfunden.

Wirklich hervorragend sind die Anmerkungen, welche die Feste und Rituale aber auch die Handlungsorte näher beleuchten und erklären. Das hat erst mit aller Deutlichkeit gezeigt, wie stark hier der alte Volksglaube die ganze Handlung und das Denken der Figuren beeinflusst. Das wertet das Buch nochmal richtig stark auf und das hat der Manesse Verlag wieder sehr gut hinbekommen. Das Nachwort fand ich ganz okay, das war durchaus informativ, hätte aber sogar fast etwas umfangreicher ausfallen können. Nach der Lektüre habe ich mir doch einige Fragen zur Geschichte gestellt und ein bisschen Interpretation wäre ganz interessant gewesen.

Interessant fand ich auch die Editorische Notiz, in der die Textgrundlage genauer erläutert wurde. Das Buch erschien 1913 und die erste Ausgabe im Manesse Verlag 1951 und entsprechend alt ist die Übersetzung von Bruno Goetz. Anstatt das Buch neu zu übersetzen, wurde der Text von Jochen Reichel neu überarbeitet und mit der Erstausgabe von 1913 abgeglichen. Das reicht von einem sprachlichen Nachschärfen hinsichtlich der Prägnanz, der Rekonstruktion der gezielte Tempuswechsel vom Imperfekt ins Präsens bei Perspektivwechsel, bis hin zu Orts- und Eigennahmen, die orthografisch angeglichen wurden (z.B. Noëmi wurde zu Noemi). Zudem wurden die bereits erwähnten Anmerkungen hinzugefügt und zahlreiche weitere Änderungen vorgenommen, die in der editorischen Notiz genauer erläutert werden. Man merkt, ganz im Sinne aktueller Neuübersetzungen, dass versucht wurde, so nah wie möglich am Original zu bleiben und so stark wie möglich genau die sprachliche Wirkung beim Leser hervorzurufen, die auch im italienischen Original vorzufinden ist. Ich habe allerdings schon von Maupassant ein paar Übersetzungen vom Manesse Verlag aus den 50ern gelesen und die waren schon immer sehr hochwertig, selbst ohne nachträglichem Pimpen.

Von der Aufmachung entspricht das Buch der üblichen Qualität der neuen Manesse Klassiker. Der Schutzumschlag ist aus einem angenehm wertigen und stabilen Papier und ist von der Gestaltung sehr gelungen. Ich mag dieser den Keramikfließen nachempfundenen Zeichnung, die mich an die Azoren erinnert, wo ebenfalls eine Manufaktur für diese angesiedelt ist. Das hat etwas richtig schön Südländisches und gleichzeitig Altmodisches. Das Buch selbst hat wieder eine farbige Fadenheftung, abgestimmt auf den Pappeinband, was mir ebenfalls wieder sehr gut gefällt. Gleichermaßen ist ein Lesebändchen vorhanden. Hinsichtlich der Typographie folgt das Buch dem Stil der neuen Manesse Klassiker-Reihe und wirkt angenehm modern und aufgeräumt. Großer Wehrmutstropfen ist wieder der fehlende Leineneinband. Ohne Schutzumschlag sieht das Büchlein plötzlich sehr gewöhnlich aus und ich vermisse die schönen farbigen Leineinbände der alten Manesse Klassiker der Weltliteratur sehr.

Fazit: Schilf im Wind wird mir besonders für die von heidnischen Aberglauben und starken christlichen Glauben durchdrungenen Charaktere in Erinnerung bleiben. Die Geschichte und die Entscheidungen und Gedanken der Figuren geben, zusammen mit den beschriebenen Riten und Festen, einen guten Einblick in die Denkweise und Kultur der sardinischen Bevölkerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Naturbeschreibungen harmonieren mit der erzählten Geschichte und betten die Protagonisten in ein prägendes Landschaftsbild. Sprachlich bekommt der Leser hier einen soliden Roman, wenn auch nicht herausragend oder besonders poetisch, sondern von einer angemessenen Schlichtheit, die den Figuren und der Geschichte gerecht wird und deren Charakter sehr authentisch darstellt. Der Roman ist unterhaltsam, stellenweise spannend, aber gerade der Anfang und das Ende des Buches sind langsam und haben deutliche Längen. Die Aufmachung des Schutzumschlags, das Lesebändchen, die Fadenheftung und Typographie sind wieder sehr gelungen und auch die überarbeitete Übersetzung konnte mich wieder überzeugen. Der fehlende Leineneinband ist, wie bei den anderen Büchern der neuen Klassiker-Reihe des Manesse Verlags noch immer ein Wehrmutstropfen. Insgesamt ein schönes und lesenswertes Buch, das kein Meisterwerk ist, mir aber gut gefallen hat.

Buchinformation: Schilf im Wind • Grazia Deledda • Manesse Verlag • 448 Seiten • ISBN 9783717525240

12 Kommentare

  1. Das klingt ziemlich gut. Werde ich mir mal bestellen. Habe bereits die Erfahrung gemacht, dass aus Sizilien viel gute Literatur kommt.
    Und ja, irgendwie sind italienische Klassiker in Deutschland recht unbekannt, angesichts der beinahe-Nachbarschaft…

  2. Dass Deledda den Nobelpreis überhaupt bekommen hat war wohl mehr eine Konsensentscheidung. Insgesamt wurde sie 13 Mal nominiert, 1926 zum 12ten Male. Nur wurde der Nobelpreis für Literatur im Jahr 1926 überhaupt nicht vergeben, da keiner der Nominierten die Kriterien aus Nobels Testament erfüllte. Der Literatur-Nobelpreis für 1926 wurde Deledda erst 1927 verliehen. Ich weiß nicht, was der Preis in einem solchen Fall wirklich wert ist. Deine Rezension hat mich auch nicht neugierig gemacht. Zudem ist auffallend, dass von Deleddas unzähligen Romanen nur eben dieser eine noch im Handel erhältlich ist. Ich fürchte, hier wird einfach nur mit dem Titel „Nobelpreis 1926“ geworben. Für Sammler von Nobelpreis-gekrönten Werken sicherlich schön, für mich aber kein Thema.

    1. Interessant, das mit den vielen Nominierungen wusste ich nicht und dass der Nobelpreis erst später vergeben wurde. Wobei ich von den ganzen Auszeichnungen grundsätzlich nicht viel halte. Für mich ist das ganz sicher kein Kaufanreiz, aber möglicherweise ist das bei anderen Lesern anders.
      Hast Du bereits ein anderes Buch von Deledda gelesen, so dass es zu der eher ablehnenden Haltung gegenüber der Autorin kommt? Wie im Fazit geschrieben fand ich das Buch kein Meisterwerk, es war aber sicherlich nicht schlecht und ist schon lesenswert.

      Liebe Grüße und herzlichen Dank für Deinen interessanten Kommentar
      Tobi

      P.S.: Sehr schöner Nickname, ich stell mir da gerade vor, wie dieser Kommentar von einem auf einem Diwan hingestreckten trägen Russen in einem weichen Chalat geschrieben wurde 😉

      1. Nee, ich habe Deledda nicht mal vom Namen her gekannt. Meine Ablehnung beruht zum einen auf eigenen Leseerfahrungen und zum anderen auf deiner Rezension. Ich habe einfach keinen Zugang zu Romanen, die in ein strenges biblisches Korsett gepackt werden. In diese Richtung bin ich nicht gebildet, das läuft dann komplett unter mir durch. So ist Efix z.B. einer der Schutzheiligen der Stadt Cagliari. Ich bin mir sicher, dass die sardischen Leser in den 1920er Jahren das wussten und alleine von den Namen und bestimmten Handlungen der Charaktere her weitere Rückschlüsse auf die Geschichte ziehen konnten. Die heutige Bildung ist einfach eine andere. Ich bin kein Anhänger davon, während des Lesens die Suchmaschine als ständigen Begleiter zu haben.

        Vor einigen Jahren erschien im Hanser „Das erste Gewand“ von Donataschwili, hat sich ganz interessant gelesen. Nur fühlte ich mich durch Passivität des Domenico provoziert. Erst nach der Lektüre habe ich dann erfahren, dass auch diesem Roman eine biblische Sequenz zu Grunde lag. Ich konnte den Roman in seiner Gänze also gar nicht verstehen. Ich habe ihn ausschließlich als politische Ansprache im damaligen Sowjetrussland gelesen – besonders der Teil Canudos war sehr informativ (wobei ich da auch im Netz nach weiteren Informationen gesucht habe, da mich die lateinamerikanischen Namen der Akteure irritiert hatten) . Doch bei Schilf im Wind sehe ich diese Möglichkeit nicht. Dass die Süditaliener bzw Insulaner lange Zeit und in Teilen auch heute noch sehr rückständig leben ist nichts, was ich mir neu erlesen muss.

        Wenn ich dann noch lese, dass weder Anfang noch Ende des Romanes überzeugen können, dass die Personen dich nicht erreicht haben, dass selbst die Naturbeschreibungen nicht lobend hervorgehoben werden, dann weiß ich, dass das nichts für mich ist.

        In einem Nachruf auf Deledda stand geschrieben, dass sie vor allem dafür geachtet wurde, dass sie an ihrer Schreibkunst arbeitete. Da stand nicht, dass sie eine gute Autorin gewesen sei. Das passt dann wieder dazu, dass von ihren ca vierzig Romanen lediglich drei „überlebt“ haben (Die Mutter, Schilf im Wind und den dritten habe ich schon wieder vergessen). Nee, die 450 Seiten spare ich mir.

        Übrigens gefällt mir, dass du nichts hochlobst, was dir nicht zu loben wert ist. Eine Rezension, die mir eine enttäuschende Lektüre erspart ist mir mindestens so wertvoll wie eine, die mich zum Lesen auffordert. Dafür danke.

        1. Das ist ein sehr schöner Kommentar und ich kann das, was Du schreibst voll nachvollziehen. Aus Deinen Worten spricht auch echt Erfahrung, was die Wahl passender Lektüre betrifft.

          Was den Kontext der Zeit betrifft, da hat der Manesse Verlag mit den Anmerkungen echt gute Arbeit geleistet. Die Bedeutung des Namens Efix beispielsweise findet darin tatsächlich Erwähnung, was ich auch nicht gewusst hätte. Ich wäge immer ab, bei manchen Romanen habe ich das Bedürfnis mehr zu erfahren und gehe dann auf Recherche, bei Schilf im Wind war es tatsächlich dann eher so, dass mich eher visuelle Eindrücke interessiert haben. Wie es wirklich dort aussieht und wie die Ortschaften auf Bilder so sind. Die Figuren an sich hatten zusammen mit den Landschaftsbildern schon etwas Schönes, auch wenn sie rückständig sind und ihren veralteten Glauben verhaftet sind. Man muss aber auch immer in der Stimmung zu so etwas sein und da bin ich sehr wankelmütig. Die Kunst ist es eben immer auch, das richtige Buch zur richtigen Zeit zu finden.

          Es freut mich sehr, dass meine Rezension einen so guten Einblick in das Buch geben konnte. Deine Eindrücke und Schlussfolgerungen sind durchaus korrekt und dann mit einer Rezension Leser von einer Lektüre abzubringen, die frustrierend oder langweilig gewesen wäre, halte ich für genauso wertvoll, wie jemand für ein Buch zu gewinnen, das dann auch Vergnügen bereitet.

          Herzliche Grüße und nochmal vielen Dank für das wertvolle Feedback
          Tobi

          1. Der Roman ist wunderschön geschrieben, gemächlich, aber doch ohne sich zu verlieren erzählt, und ob er sich christlicher Symbolik bedient, tut der Qualität keinen Abbruch. Unter all den lächerlichen Nobelpreisen, u.a. an Premierminister, die nie ein literarisches Werk verfasst haben, an Musiker und an die Julia Engelmann des 20. Jhdts, Hermann Hesse, ausgerechnet diesen anzuzweifeln, scheint mir da eher anmaßend. Von Deledda ist auch nicht nur dieser Roman im Handel erhältlich, sondern allein auf Deutsch mindestens 5 weitere. Das Angebot auf Italienisch ist natürlich deutlich breiter, und auf Englisch gibt es nicht nur mehrere Romane, sondern auch die Kurzgeschichten bzw. Erzählungen.

          2. @Soeren

            Aufgrund deines Beitrages bin ich nochmal im Netz auf die Suche gegangen und habe eine Leserunde zu dem Buch entdeckt. In dieser Runde wurde „Schilf im Wind“ von mehreren Lesern als eher für Spezialisten geeignet ausgewiesen – Literaturstudierende oder am Literaturbetrieb teilnehmende etwa. Bin ich beides nicht. Auch wird in der Runde mehrfach geschrieben, dass sich den Lesenden nicht alles der Handlung erschlossen habe – mit dem Nachsatz: ist ja auch egal. Am Ende wird „Schilf im Winde“ dann unter „Bildung“ verbucht. Das ist doch mein Kritikansatz: „Schilf im Wind“ wäre für mich nicht in Gänze zu verstehen. Geeignet für Menschen, die sich beruflich mit Literatur beschäftigen, die schon eine Beziehung zur italienischen Literatur oder zu Sardinien im allgemeinen aufgebaut haben. Für den Rest dürfte dieses Werk eher anstrengend sein.

            Ich habe mir Deledda auch nicht speziell herausgesucht, um ihr den Nobelpreis streitig zu machen. Ich habe zu anderen Nobelpreisträgern gar keinen Bezug genommen. Lediglich habe ich geschaut, was zur Entscheidungsfindung in 1926 zu finden war. Und da ging bei mir eben die rote Lampe an.

  3. Herzlichen Dank für den Beitrag und die Anregung. Das Buch steht bei mir (noch) ungelesen im Regal in der ganz besonderen Ausgabe des Coron-Verlages zum Literaturnobelpreis, in dem neben einem Werk auch eine kurze Biografie, die Antrittsrede und Hintergründe zur Auswahl des Preisträgers / der Preisträgerin enthalten sind. Bisher habe ich von Grazia Deledda nur „La Madre“ gelesen, in dem es um Religiosität und Zölibat geht. „Schilf im Wind“ werde ich dann demnächst lesen.

  4. Mich wundert es auch, dass italienische Literatur bei uns gar nicht so sehr verbreitet ist. Meine Mutter kommt gebürtig aus Italien und daher haben wir einiges hier.

    Vorher viel mir das gar nicht so auf, da ich damit groß wurde. Aber in den Buchhandlungen ist davon nicht so viel zu sehen!

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