Fünf Wochen im Ballon • Jules Verne

Die Romane von Jules Verne führen bei mir immer wieder in eine Endlosschleife und ich vermute, aus der werde ich erst wieder heraus kommen, wenn ich alles von ihm gelesen habe. Immer wenn ich ein Buch von ihm gelesen habe, dann bin ich so begeistert, dass ich mir sofort das nächste Buch bestelle. In der Zwischenzeit beginne ich mit einer anderen Lektüre und irgendwann trudelt dann das Buch ein, dass in mein Regal ungelesener Bücher wandert. Dort harrt es dann einige Zeit, bis ich wieder richtig Lust auf einen Abenteuerroman bekomme und erstmal eher lustlos zu Verne greife. Mit jeder Zeile wächst dann wieder die Begeisterung und ich bin wieder voll gefangen in seinen spannenden und fesselnden Abenteuern. Diesmal habe ich Fünf Wochen im Ballon gelesen und will meine Eindrücke teilen und vielleicht den ein oder anderen ebenfalls für diese schönen alten Abenteuerromane begeistern.

Fünf Wochen im Ballon handelt von Dr. Samuel Fergusson, der zusammen mit seinem Freund Dick Kennedy und seinem Diener Joe mit einem Gasballon Afrika von der Ost- zur Westküste durchqueren möchte, um so die Quellen des Nils zu finden. Durch eine zusätzliche Vorrichtung kann er das Gas im Ballon erwärmen und so die Höhe des Luftschiffs kontrollieren, um dadurch in verschiedenen Flughöhen Luftströme aufzufinden, die den Ballon dann in die gewünschte Richtung steuern. Zusätzlich nutzte er die Passatwinde, um sich von der Insel Sansibar bis zum Atlantik treiben zu lassen. Natürlich erleben die drei Freunde zahlreiche Abenteuer über und auf dem damals noch nicht ganz erschlossenen afrikanischen Kontinent.

Die Victoria überquert den Senegal unweit des Kataraktes von Gouina (Illustration der Originalausgabe)

Zu Beginn gibt Verne einen Einstieg in den Gasballon Victoria und dessen Funktionsweise, gibt dann aber auch einen Einblick in die verschiedenen Forschungsreisen, die bereits nach Zentralafrika unternommen wurden. Diese waren im 19. Jahrhundert mit großen Strapazen und Gefahren verbunden und die Frage, wo der Nil wirklich entspringt, war damals noch ungeklärt. Samuel Fergusson kann die Königliche Geographische Gesellschaft in London von seinem Vorhaben überzeugen und sammelt sehr schnell Gelder für ein solch gewagtes Projekt. Wie gewohnt bekommt der Leser hier viele Fakten und technische Tatsachen geboten, die dann natürlich mit Fiktion gemischt werden. In der Zeit als Verne den Roman geschrieben hatte, starteten die Engländer John Hanning Speke und James August Grant tatsächlich eine Expedition, ausgehend von Sansibar, um den Ursprung des Nils zu erkunden. Nur eben auf dem Landweg. Speke wird auch in dem Roman erwähnt, allerdings nur mit einer früheren Reise und Verne verschweigt den neuen Anlauf, um die Nilquellen aufzufinden. Wie im Roman wird der Ursprung in einem See gefunden und Speke teilt in einem Telegram stolz mit, dass er mit dem Victoriasee den Quell gefunden hat. Später hat sich dann aber herausgestellt, dass die eigentliche Quelle in Burundi und Ruanda liegt. Für den Roman ist diese Frage allerdings nicht ganz so wichtig und bietet lediglich eine Motivation für diese Forschungsreise. Die Faszination liegt auf die Ballonfahrt und das überqueren völlig unbekannter Gefilde.

Verne packt wieder alle Elemente aus, für die man seine Romane kennt. Wütende Tiere, gefährliche Eingeborene, waghalsige Manöver und zahlreiche knappe Situationen, denen die Helden alles abverlangt. Richtig schön fand ich die Beschreibungen der Landschaft und Natur, das konnte ich mir richtig gut vorstellen und das war wieder sehr genussvoll. Höhepunkt dahingehend ist ein Gewitter, das Fergusson und seine Freunde von oben beobachten und Verne richtig stimmungsvoll beschreibt. Grundsätzlich schafft Verne ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen Naturbeschreibungen und den spannenden Szenen, die seine Geschichte weiter voran treiben. Immer wenn ich gerade dachte, dass nun doch etwas passieren könnte, ging auch eine fesselnde Episode los, bei denen ich dann das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Eine Karte der genauen Route lässt sich recht schnell im Internet finden und gibt nochmal eine ganz gute Übersicht darüber, welchen Weg die Protagonisten zurück gelegt haben. Parallel bei Google Maps die Satellitenbilder anzusehen ist also ganz gut möglich, wobei es in der Region ja leider kein Streetview gibt.

Quelle dieser Karte: Wikipedia (CC Attribution Lizenz)

Das Buch erschien erstmals 1863 und war der erste veröffentliche Roman von Verne. Mit seinen ersten beiden Büchern konnte er den Verleger Hetzel nicht überzeugen. Fünf Wochen im Ballon war aber dann sein erster großer Erfolg. Wobei das Buch nicht sofort ein Kassenschlager war, sondern sich einfach über die Zeit hinweg kontinuierlich immer gut verkauft hat. Soweit ich aus seiner Biografie herauslesen konnte, hatte Verne zu dem Zeitpunkt Afrika nicht besucht, auch wenn er in den späteren Jahren noch viele Reisen unternehmen sollte. Auch bei seinem Roman Jangada hat er auf Reiseberichte anderer Autoren zurückgegriffen und als Leser nimmt man ihm auch in Fünf Wochen im Ballon die beschriebenen Einzelheiten ab.

Inspiriert zu dem Roman wurde Verne von seinem Freund, dem Fotografen Nadar, der kommerzielle Rundflüge mit Ballons ermöglichen wollte. Verne selbst bestieg wahrscheinlich nur einmal recht kurz einen Ballon. Er war allerdings trotzdem mit den Einzelheiten ganz gut vertraut und so entsprach die Beschreibung, wie beispielsweise in Sansibar das Gas für den Ballon aus Eisen, Schwefelsäure und Wasser gewonnen wurde, dem damals tatsächlichen Vorgehen. Das Problem der Steuerbarkeit eines Ballons war damals nicht gelöst und auch dieser Tage ist dies nicht möglich. Vernes Protagonist Fergusson hat dafür eine Vorrichtung ersonnen, mit der sein Protagonist die Höhe des Gasballons über eine Erwärmung des im Inneren des Ballons hermetisch abgeschlossenen Gases regulieren konnte. Das liest sich ganz plausibel, trifft aber nicht ganz den Tatsachen. Bei der Beschreibung des Aufbaus des Ballons geht Verne durchaus ins Detail und ausgehend von seinen Angaben hat ein Physiker das einmal durchgerechnet (hier nachzulesen) und scheinbar würde ausgehend von der aktuellen Nickelkadmium-Akku-Ladekapazität etwa nach 18 Stunden die Energie ausgehen. Schade eigentlich, aber das war zu erwarten, sonst könnte ja jeder bei Jochen Schweizer sich eine Afrika-Ballon-Überfahrt buchen.

Was mir wieder bei diesem Abenteuer wieder sehr gut gefallen hat, ist der Ballon Victoria als sicheres Gefährt. Ganz wie die Nautilus, einem viktorianisch gemütlich eingerichteten U-Boot, oder die Jangada, einem ganzen kleinen komfortablen Dörfchen auf einem Floss, ist der Ballon mit seiner Gondel so etwas wie das sichere Zuhause der Abenteurer. Das ist einfach eine angenehme Vorstellung, selbst in sicheren Höhen auf ein Land voller Gefahren hinab zu blicken, sich aber dort sicher zu fühlen. Entsprechend hat die Gondel ein Zelt, Vorräte und auch ausreichend Platz. Was hingegen unerwähnt bleibt, sind die Sanitären-Einrichtungen, aber was solls, das sind drei Männer, die sind da nicht zimperlich. Es gibt also natürlich einige Unschärfen und gerade wenn Verne mit den abenteuerlichen Geschehnissen Spannung erzeugt, dann wird auch der Zufall mal wieder über alle Maßen überstrapaziert, was ich von den Franzosen des 19. Jahrhunderts schon gewöhnt bin und man ihnen auch nie übel nehmen kann, wenn dadurch die Geschichte noch fesselnder wird.

Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob das Buch auch dieser Tage noch politisch korrekt ist. Immerhin ist meine Übersetzung von 1936. Erneut gibt es, außer ganz am Anfang der alten Haushälterin von Kennedy, keine einzige Frau. Das kommt bei Verne wohl öfters vor. Mit dem Blick auf die afrikanischen Ureinwohner nimmt Verne auch immer die europäischen Menschen aufs Korn und wenn er beispielsweise beschreibt, wie sich die einzelnen Stämme auf grausame Weise bekriegen, dann spannt er den Bogen zum nicht minder schrecklichen Treiben der sogenannten Zivilisation in Europa. Der Fokus liegt aber auf dem Abenteuer und dem Science Fiction und aus meiner Sicht ist Verne hier angenehm neutral.

Als Ausgabe habe ich mir ein altes Buch aus dem Jahre 1937 aus dem A. Wichert Verlag geholt. Das hat mir von dem Cover und der Aufmachung ganz gut gefallen. Ich mag einfach diese alten Abenteuerromane mit ihrer Frakturschrift und den Illustrationen. Ich denke die Zeichnungen der Originalausgabe sind schöner als die einfachen Skizzen in diesem Buch, in Summe fand ich es allerdings wieder sehr stimmungsvoll, so ein hübsches altes Buch in Händen zu halten. Zusätzlich hat das Buch zwei farbige Abbildungen, die ebenfalls schön altmodisch wirken und gleichzeitig nett anzusehen sind. Von der Sprache ist die Übersetzung altbacken und auch das gefällt mir bei den alten Abenteuerromanen immer richtig gut.

Fazit: Wer die alten Abenteuerromane mag, der wird auch dieses Buch lieben. Hier bekommt der Leser alles, was man von Jules Verne gewohnt ist: Ein spannendes Abenteuer, ein faszinierendes Gefährt, sympathische Protagonisten, welche wieder alle möglichen Strapazen und Widrigkeiten trotzen müssen, dafür aber mit einer prächtigen und außergewöhnlichen Landschaft belohnt werden und der Leser bekommt natürlich auch wieder dieses spezielle Gefühl einer fesselnden Abenteuerreise in fremden, ursprünglichen und unentdeckten Gefilden geboten. Ich habe die Lektüre wieder sehr genossen und habe an meiner alten Ausgabe vom A. Weichert Verlag großen Gefallen gefunden. Ein super Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Buchinformation: Fünf Wochen im Ballon • Jules Verne • A. Weichert Verlag Berlin Ausgabe von 1937 • 256 Seiten

7 Kommentare

  1. Das gehört in die Top 3 meiner Lieblingsromane von Jules Verne! Schöne alte Ausgabe. Und gut recherchiert bzw. gewusst, denn gewöhnlich liest man, mit diesem Buch sei Verne „über Nacht“ berühmt geworden.
    Wie herrlich (und lehrreich) ein Abenteuer zu lesen, das in einer Zeit spielt, in der es in Afrika noch weiße Flecken auf der Landkarte gab und man noch debattierte, was die Quelle(n) des Nils betraf.
    Die Illustrationen in dieser Ausgabe sind schön, aber ich würde nie auf die Originalillustrationen verzichten wollen (siehe z.B. Diogenes 1972). Die schaffen immer eine ganz besondere „historische“ Atmosphäre.

    1. Lieber Lucien,

      es ist einfach schön zu sehen, dass es doch ein paar wenige Liebhaber dieser wunderbaren Abenteuerklassiker noch gibt. Da gebe ich Dir recht, die Originalillustrationen wären schon um einiges schöner und stimmungsvoller gewesen. Dafür gefällt mir die Aufmachung von dem Buch richtig gut, mit der schönen Zeichnung auf dem Cover. Überhaupt finde ich es schwer, schöne Ausgaben von Verne zu finden. Die bekannte Variante mit dem roten Leineneinband vom Hartleben Verlag ist zwar hochwertig, zieht bei mir aber irgendwie nicht so richtig. Am schönsten finde ich die ganz alten Verne Gesamtausgaben in Leder, aber die sind echt unbezahlbar.

      Liebe Grüße und herzlichen Dank für Deinen Kommentar!
      Tobi

  2. Lieber Tobi,
    was für eine prächtige Ausgabe! Solche Schmuckstücke von Vernes Büchern findet man heute leider selten.

    Und ein Kompliment auch an dich für den spannenden, informativen Artikel – ich würde jetzt am liebsten selbst zu so einer Spurensuche aufbrechen (zur Ballonfahrt allerdings nicht – dafür ist meine Höhenangst zu groß 😉 ).

    Die Frage der sanitären Anlagen habe ich mir auch schon bei so manchen Abenteuergeschichten und Science Fiction gestellt, u.a. auch bei kürzeren Texten von Verne. Sowas wird wohl doch einfach zu gern ausgeblendet.

    Viele Grüße
    Kathrin

  3. Oh, was für eine schöne Ausgabe!
    Als Jugendliche habe ich Jules Verne verschlungen und heute noch unterliege ich seiner Faszination 🙂
    Gute, bebilderte und gebundene Ausgaben sind sehr teuer – und auch rar geworden.
    Ballon bin ich auch schon gefahren – ein unvergessliches Erlebnis!
    LG Charis <3

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