Frühlingsgefühle • Anton Čechov

Diese Sammlung von Geschichten von der Liebe, wie der Untertitel des Buches lautet, habe ich zufällig zwischen den Neuerscheinungen gefunden. Nachdem die Lektüre von Russische Liebesgeschichten, Anfang dieses Jahres, ein solches Vergnügen war, musste ich das Buch einfach haben. Ich habe schon zahlreiche Sammlungen von kurzen Erzählungen gelesen und es hat etwas für sich, eine kurze Geschichte nach der anderen zu entdecken und sich sozusagen durch so ein Buch treiben zu lassen. Gerade wenn sie inhaltlich einfallsreich sind und mit der ein oder anderen Pointe aufwarten können. Da war ich sehr gespannt, was Tschechow hier zu bieten hat.

Das vorliegende Buch enthält 22 Geschichten, die wie der Untertitel verrät, alle etwas mit dem Thema Liebe und der Beziehung zwischen Mann und Frau zu tun haben. Der Umfang fällt unterschiedlich aus, so umfassen einige Erzählungen nur wenige Seiten, manche, wie Der schwarze Mönch, kommen auf bis zu 50 Seiten. Auch von der inhaltlichen Ausgestaltung sind die Geschichten unterschiedlich, haben aber doch alle einen ähnlichen Stil. Ich habe sie als leicht empfunden, zumeist mit einem spöttischen und humorvollen Unterton und oft portraitieren sie ganz typische Situationen. Die Geschichten sind unterhaltsam, einige wenige haben auch eine Pointe, die meisten sind allerdings sehr geradlinig. Gerade die Vielfalt macht den Reiz aus und so gibt es einige humorvolle Begebenheiten, wenn sich jemand beim Antrag um Kopf und Kragen redet, oder jemand zu einer Heiratsvermittlerin geht und die ganze Szene eine ganz unerwartete Wendung nimmt.

Besonders gelungen fand ich Der Vormund, eine Szene, die von Anfang bis Ende einfach wunderbar eine typisch menschliche Reaktion zeigt. Etwas ernsthafter aber sehr gelungen fand ich auch Auf dem Fuhrwerk. Hier gewährt Tschechow einen Einblick in die Kultur der Provinz. Nicht so intensiv und detailreich wie Gogol, aber besonders auf emotionaler Ebene sehr treffend. Ende Gut hat ebenfalls eine sehr schöne Wendung und spielt auch mit den Klischees dieser Zeit. Zelenaja Kosa fand ich ebenfalls sehr gelungen. Gerade wegen dem leichten Stil, mit dem sie erzählt wird und weil es einfach eine schöne klassische Liebesgeschichte ist. Es gibt aber auch einige Geschichten, die mir weniger gefallen haben oder wo sich mir der Sinn einfach nicht erschlossen hat, wie bei Der schwarze Mönch.

In Summe fand ich die Erzählungen sehr unterhaltsam und während der Lektüre weckt der Plot eigentlich immer die Neugierde des Lesers und man möchte wissen, was dabei am Ende heraus kommt. Meistens sind das keine Überraschungen und nur ein kleiner Teil der Erzählungen hat auch eine Pointe. Häufig präsentiert sich einem ein realistischer Blick auf das, was da zwischen Mann und Frau ist und immer wieder ist das Ausbrechen aus den gesellschaftlich vorgegebenen Denken ein Thema (wie beispielsweise in Die Braut oder Der Literaturlehrer). Insgesamt ist das Buch aber auch gut als Lektüre für zwischendurch geeignet. Wenn man im Urlaub am Strand Lust auf ein wenig Zerstreuung hat, dann ist es dafür perfekt geeignet.

Von den bekannten russischen Autoren des 19. Jahrhunderts habe ich schon einige Bücher gelesen und auch Tschechow war immer wieder mit dabei. Zuletzt in dem genannten Russische Liebesgeschichten mit Ein Malheur, oder auch seine Meisternovellen aus dem Manesse Verlag. Tschechow lebte von 1860 bis 1904 und war besonders als Dramatiker bekannt. Der Kirschgarten war beispielsweise eines seiner berühmten Stücke und das ist auch noch auf meiner Liste der zu lesenden Bücher. Alle hier von Christine Stemmermann zusammengetragenen Erzählungen sind zwischen 1880 und 1899 entstanden.

Die Übersetzung von Peter Urban und Beate Rausch war okay, ist aber auch nicht der große Wurf. Man stolpert schon immer mal wieder über unpassende Wörter. Beispielsweise, wenn ein junger Mann zu seiner frisch vermählten Frau „Mütterchen“ sagt. Oder wenn ein Werbender den Vormund als „Eurxzllnz“ anspricht. Auch Anmerkungen oder ein Nachwort fehlen. Beides wäre an einigen Stellen schon gut gewesen und hier merkt man auch die Abgrenzung zu den neu übersetzten, dann aber meist hochpreisigen Ausgaben. In Summe aber definitiv kein Showstopper, das Buch lässt sich dennoch sehr angenehm lesen.

Die Aufmachung wirkt auf dem ersten Blick schlicht, mit dem für den Diogenes Verlag typischen weißen Umschlag. Tatsächlich ist die Verarbeitung aber sehr gut, der Umschlag ist aus einem angenehm wertigen und dicken Papier. Das Buch selbst ist in ein helles Leinen gebunden und hat mir richtig gut gefallen. Auch mit dem schönen Rückenschild und dem klassischen roten Lesebändchen. Nur eine Fadenheftung fehlt und dann wäre es perfekt. Also aus bibliophiler Sicht bekommt man hier ein sehr solides Buch.

Fazit: Tschechows Liebesgeschichten sind eine unterhaltsame und leichte Lektüre, die mir angenehme Lesestunden beschert hat. Einige der Erzählungen haben mir sehr gut gefallen und sie gewähren einen angenehmen und leicht zugänglichen Einblick in das Miteinander zwischen Mann und Frau der russischen Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Der manchmal humorvolle und gleichzeitig immer unverstellte Blick auf die Menschen sorgt für einen angenehmen Lesefluss, bei dem ich immer den Ausgang in Erfahrung bringen wollte. Die Übersetzung habe ich an ein paar Stellen als etwas unpassend empfunden, von der Aufmachung und der Verarbeitung ist das Buch hervorragend gelungen. Wer eine Lektüre für den Urlaub sucht, ist hier genau richtig und bekommt ein Buch, das kein Meisterwerk ist, aber dennoch sehr lesenswert und unterhaltsam ist.

Buchinformation: Frühlingsgefühle • Anton Čechov • Diogenes Verlag • 272 Seiten • ISBN 9783257071825

9 Kommentare

  1. Ich habe die Frühlingsgefühle auch vor einigen Tagen beendet und stimme in den meisten Punkten mir Dir überein. Der schwarze Mönch etwa ist war eine gute Geschichte, passt aber nicht so recht zum Rest der Sammlung. Als Kontrast eignet sie sich zwar ganz gut, aber das ist bei Cechov eigentlich nicht nötig.
    Ich mag ja gerade seinen skizzenhaften Stil, der dafür sorgt, dass man als Leser immer am Ball bleibt.
    Eine wirklich schöne Sammlung!

  2. Deine Rezension hat mich neugierig gemacht. Von Cechov (ich kenne eher die Schreibweise Tchechov) habe ich bisher „nur“ Theaterstücke gesehen, z. B. auch den „Kirschgarten“ – eine schöne Gesellschaftsstudie.

    1. Liebe Grete,

      mit der Schreibweise ist es ein bisschen verwirrend, man findet da ganz verschiedene Varianten. Das ist bei dem Namen wohl nicht so einfach. Aber am Ende ist das nur Schall und Rauch 😉

      „Kirschgarten“ habe ich mir mittlerweile geholt. Da bin ich auch gespannt darauf, denn das scheint ja sehr gut bekannt zu sein.

      Liebe Grüße
      Tobi

  3. Anton Tchechow, neben Dostojewski und Tolstoi einer der größten russischen Schriftsteller.
    Nicht nur seine Novellen, allen voran die „Dame mit dem Hündchen“, „Drei Schwestern“ und der schon erwähnte „Kirschgarten“ oder „Onkel Wanja“ wie aber auch sämtliche „Meistererzählungen“ (ich habe hier eine Ausgabe von Rütten & Loenig, Berlin 1975) sind ebenso wunderschön wie berührend und beweisen den Fehlschluss nicht nur unserer Zeit, den ausgerechnet wir Deutsche gerne für Menschen anderer Länder ziehen, indem wir – außer selbstredend für uns selbst (!) – nicht anerkennen wollen, dass ein Volk eben nicht pauschal in Generalhaftung für seinen selbsternannten „Anführer“ genommen werden darf, sondern die Schuld immer (!) individuell zu bestimmen ist.
    Hiermit meine ich speziell die wieder erstaunliche Blüten treibende toxische Russophobie der Deutschen, die den 8. Mai noch immer als Tag der „Kapitulation“ und „Niederlage“ begreifen, statt als solchen der Befreiung, die den II. Weltkrieg noch immer als „verloren“ sehen und mit ihrem Ruf nach einer erneuten militanten „Führungsrolle“ der Deutschen („Gott“ oder whoever bewahre uns hiervor) vergessen, dass allein die Sowjetunion durch Schuld der Nazi-Deutschen 43 Millionen Todes-Opfer zu beklagen hatte.
    Ich empfehle daher auch immer gerne „Die Liebenden von Leningrad“ von Paulina Simons als Gegenmittel zum noch immer in vielen Köpfen wütenden und spukenden, einfach nur absurd zu nennenden „jüdisch-marxistischen Kulturbolschewismus des slawischen Untermenschen“ (in diesem „Terminus“ vereinigen sich sämtliche Feindbilder der alten und neuen Rechten ebenso konzentriert wie pointiert).
    Von krassen Vorurteilen nun zurück zu Liebe und Humanismus, ja, auch zum Pazifismus, den ich alles andere als „dumm“ oder „naiv“, sondern als einzig vernünftig und für die Menschheit existenziell begreife:
    Für Tchechow-Fans in diesem Sinne ein unbedingtes Muss: Anton Tchechow, Olga Knipper „Mein feiner lieber Mensch“. Ein Liebesroman in Briefen, Hrsg.: Jean Benedetti, 2. Aufl., S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2010.
    Die Einschätzung im Klappentext dort zu Recht: „Diese Briefe sind nicht nur sehr liebevoll, spontan, phantasievoll-zärtlich, sondern auch kulturgeschichtlich sehr informativ (…).“

    1. Liebe Sandy,

      vielen Dank für Deine ausführliche Anmerkung. Tschechow fand ich sehr angenehm zu lesen und ich habe mir mittlerweile auch „Kirschgarten“ von ihm geholt. Bücher von Tolstoi, Gontscharow oder Turgenjew sind für mich aber schon nochmal eine andere Liga. Allerdings ist das reine Geschmackssache, jeder springt stilistisch auf andere Dinge an. Lesenswert finde ich Tschechow dennoch und das ist halt bei diesen hochwertigen Klassikern meistens der Fall: man greift selten bis gar nicht daneben.

      Ich habe mich gefragt, ob ich die aktuelle politische Situation irgendwie in die Rezension einfließen lassen soll, aber habe mich dagegen entschieden. Zum einen ist dieser Blog politisch angenehm neutral und diese ganzen ideologischen, moralischen, gesellschaftlichen und politischen Themen werden ja zu genüge auf den verschiedensten Kanälen durchgehechelt.

      Ist Dir literarisch irgendwie eine Russlandphobie begegnet? Ich hab aktuell nicht das Gefühl. Ich bringe diese Bücher und Autoren nicht in Verbindung mit den Verbrechen der Gegenwart und ich kann mir vorstellen, dass die Menschen, die diese Klassiker russischer Autoren lesen, da durchaus differenzieren können.

      Vielen Dank für die weiterführenden Tipps. Der Liebesroman in Briefen hört sich echt interessant an.

      Liebe Grüße
      Tobi

  4. Hallo, vielen Dank für die Einführung in das Buch, ich bin sehr interessiert daran es zu lesen. Mein heimischer Buchhändler hat grad Lieferschwierigkeiten, hast du eine Idee, wo ich dieses Buch erwerben kann?
    LG

  5. Danke fürs Schreiben über die russischen Liebesgeschichten „Frühlingsgefühle“ von Anton Čechov. Der Artikel ist sehr spannend und hat mir geholfen, das Buch näher kennenzulernen. Das ist Weltliteratur, die jeder mal gelesen haben sollte. Ich wünsche https://www.lesestunden.de/ weiterhin viel Erfolg.

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