Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt • José Luis González Macías

Leuchttürme wecken bei mir unweigerlich romantische Vorstellungen und gehören fest zu der dichten maritimen Atmosphäre, in die ich besonders literarisch immer wieder sehr gerne eintauche. Als ich den Kleinen Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt entdeckt habe, war es einfach absolut klar, dass ich das Buch haben muss. Für seine Gestaltung gelobt, vom Mare Verlag herausgegeben und mit der typisch kurzweiligen Struktur der mittlerweile unzähligen kleinen Atlanten, ist das Buch wie für mich gemacht. Ich will es nicht versäumen, in einem kleinen Beitrag, über meine Eindrücke zu berichten.

Der Atlas der abgelegenen Inseln hat damals den Anfang gemacht und ist bis heute unerreicht. Einige wunderbare Bücher dieser Art habe ich seitdem gelesen und der kleine Atlas der Leuchttürme reiht sich hier nahtlos mit ein. 34 Leuchttürme stellt der Autor hier vor, wobei jedem Turm vier Seiten gewidmet werden. Eine Seite erzählt eine Geschichte um diesen Turm, wobei diese, wie für das Format typisch, ganz unterschiedlich ausfallen kann. Eine zweite Seite zeigt eine Illustration des Turms, die stilisiert den Turm und seinen Standort darstellt. Auf der zweiten Doppelseite ist nochmal der Turm von der Seite als Schnittzeichnung dargestellt. Darunter sind Fakten und auch nochmal ein paar ergänzende Sätze mit Begebenheiten zu finden. Auf der vierten Seite ist schließlich eine Karte mit dem genauen Standort des Turms zu finden.

Mich hat das Buch, ganz in der Tradition meiner anderen Atlanten, mit seinen kurzen Anekdoten und Geschichten, wieder in einen angenehmen entspannten Lesefluss gebracht. Die ganz unterschiedlichen Texte sind stimmungsvoll und erwecken das Meer mit seiner ganz eigenen atmosphärischen Dichte zum Leben. Über die ganze Welt sind die vorgestellten Leuchttürme verteilt und mit ganz unterschiedliche Begebenheiten verbunden. Natürlich geht es um Schiffsbruch, um die manchmal schweren Bauarbeiten zur Errichtung des Turms, andere Texte handeln davon, dass der ein oder andere Turm vielleicht mit einem Fluch belegt war oder es geht um Menschen, die dort in völliger Einsamkeit gelebt und manchmal wie durch ein Wunder überlebt haben. Ein anderer Turm in Südafrika stand auf einer Gefängnisinsel auf der Mandela interniert war. Schön fand ich auch den Leuchtturm von Lime Rock, mit der Tochter eines Leuchtturmwärters, die mit einem kleinen Boot zahlreiche Menschen gerettet hat, die vor der Küste Schiffbruch erlitten hatten. Spannend sind auch die Geschichten von Leuchttürmen, wo die Wärter spurlos verschwunden sind, oder die lange Zeit, aufgrund des starken Seegangs, nicht mehr zugänglich waren und wo sich dann in dem Turm dramatisches abgespielt hat. Ein anderer Leuchtturm vor der Küste der USA, der in der widrigen Umgebung nur schwer zu bauen war, dient mittlerweile als Aufbewahrungsort für Urnen. Es ist ein bunter Mix an Geschichten, die sehr unterhaltsam zu lesen sind, auch wenn sie oft keine markante Pointe haben. In mir haben sie wieder das Gefühl von Abenteuer erweckt und über die Schicksale der Menschen zu lesen, die dem Meer so verbunden waren, davon kann ich einfach nie genug bekommen.

Interessant fand ich auch das Vorwort des Autoren, der offen zugibt, dass er vom Meer eigentlich nicht viel Ahnung hat und weder am Meer wohnt, noch sonderlich oft am Meer war und wohl auch keinen der Leuchttürme selbst besichtigt hat. José Luis González Macías wurde 1973 geboren und ist ein Grafikdesigner aus Spanien. Eher zufällig ist er durch einen Auftrag für die Gestaltung eines Plattencovers auf Leuchttürme gekommen und schließlich durch einen weiteren Auftrag auf eine der Geschichten, die in dem Buch zu finden sind. Fasziniert von Leuchttürmen und dem, was sie ausstrahlen, hat er dann dieses Buch gestaltet und geschrieben. Ich finde das bemerkenswert, denn seine Texte sind stimmungsvoll und lebhaft und ich hätte dem Autoren auch abgenommen, dass er all die Leuchttürme einmal besucht hat.

Beim Lesen des Buches, da merkt man, wie man unweigerlich sich die Frage stellt, wie es wohl wäre, in völliger Einsamkeit an diesen verlassenen Orten zu leben. Meist gab es zu Füßen der Türme eine Behausung für die Leuchtturmwärter, manchmal war aber der beengte Turm selbst die Wohnstatt der Menschen, die ihn betrieben. Immer wieder wird erwähnt, dass die Einsamkeit immer wieder sehr auf das Gemüt der Menschen schlägt. Andere wiederum haben über viele Jahre hinweg zuverlässig den Turm instandgehalten und sind mit, so scheint es mir, stoischer Ruhe ihrer ruhigen und einsamen Tätigkeit nachgegangen.

Zu jedem Turm werden einige Fakten aufgelistet. Dazu gehört, wann er errichtet wurde und oft auch, wann der Betrieb eingestellt oder der Turm automatisiert wurde. Während in den letzten Jahrhunderten noch Wartung und Pflege durch einen Menschen notwendig war, können die Leuchttürme dieser Tage automatisiert betrieben werden. Bei einigen Türmen ist das auch noch der Fall, andere wurden wiederum stillgelegt. Moderne Navigationssysteme machen Leuchttürme eigentlich überflüssig, was nur die halbe Wahrheit ist, denn fällt GPS oder die Elektronik auf einem Schiff aus, dann sind die Leuchttürme eine gute Absicherung.

Was ich vorher nicht wusste, aber irgendwie naheliegend ist, das ist die Kennung eines Leuchtturms, die im Buch auch immer mit aufgelistet wird. Sie gibt an, wie der Turm leuchtet. Der Leuchtturm von La Jument vor der Küste Frankreichs sendet alle 15 Sekunden drei rote Blitze. Auf diese Weise ist optisch erkennbar, um welchen Turm es sich handelt. Die Nenntragweite gibt an, wie viele Seemeilen weit das Lichtsignal erkennbar ist. González Macías listet auch auf, wie hoch der Turm ist, aus welcher Bauweise er besteht und welche Form er hat. Ebenso ist die exakte Geoposition zu finden und wer möchte, kann sich auf Satellitenbildern die Türme anschauen oder im Internet genauer informieren.

Interessant sind auch einige der kurzen Verweise, die neben den Eckdaten des Turms zu finden sind. So wird der Leuchtturm von Cabo Blanco in Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde erwähnt. Die tragischen Geschichten um die Bewohner einiger Leuchttürme wurden verfilmt. Ein anderer Leuchtturm wurde wiederum von Virginia Woolf besucht. Ein anderer Leuchtturm wurde das Motiv von Jean Guichard, einem Fotografen, der zahlreiche Leuchttürme inmitten der stürmischen See abgelichtet hat. Und das Foto dazu sieht wirklich beeindruckend aus. Wer das Buch also liest und von dem Thema fasziniert ist, der findet hier viele Anhaltspunkte, um sich weiter mit der Welt der Leuchttürme zu beschäftigen.

Die Aufmachung des Buches ist wieder sehr gelungen. Der Einband mit dem rot-weißem Leinen, dass an einen Leuchtturm erinnern soll ist angenehm wertig. Mir gefällt auch die Typographie auf dem Cover richtig gut, die dann farbig als Titelblatt wieder aufgegriffen wird. Zu Beginn ist eine Weltkarte zu finden, auf der alle Türme markiert sind. Die Illustrationen der Leuchttürme geben einen guten Eindruck von dem Leuchtturm selbst, wobei der stimmige Stil des Buches gewahrt bleibt. Die folgende Doppelseite mit dem Leuchtturm im Seitenschnitt und der Karte gefällt mir auch sehr gut, das ist sehr schön aufgeräumt angeordnet. Es macht Spaß sich die Abbildungen anzuschauen, sie lockern den Text auf und laden dazu ein, das Buch einfach durchzublättern und hier und da ein wenig hineinzulesen. Leider fehlt die Fadenheftung, der einzige Wermutstropfen. Das Buch hat ein Lesebändchen und auch wieder ein angenehm schönes Papier, das sich dick und weich anfühlt.

Fazit: Dieser neue kleine Atlas mit zahlreichen Leuchttürmen am Ende der Welt ist wieder sehr gelungen. Die vielseitigen kurzen Geschichten zu den einzelnen Leuchttürmen geben einen guten Einblick und vermitteln mit ihren stimmungsvollen Texte ein atmosphärisches Bild. Es ist ein Vergnügen sich von den kurzweiligen Texten, den Illustrationen und den schön aufbereiteten Karten durch das Buch treiben zu lassen und darin zu lesen. Es ist schnell gelesen, aber sicher eine Lektüre, die man immer wieder zur Hand nehmen kann. Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt ist für mich wieder eine klare Empfehlung. Das Buch ist auch als Geschenk hervorragend geeignet. Besonders für sich selbst, wenn man sich an grauen Wintertagen nach Urlaub und dem Meer sehnt.

Buchinformation: Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt • José Luis González Macías • mare Verlag • 160 Seiten • ISBN 9783866486935

6 Kommentare

  1. Das ist eine wunderschöne Rezension, danke dafür. Der einzige Wermutstropfen für mich als Übersetzerin ist, dass die Übersetzung mit keinem Wort erwähnt wird, nicht einmal in den bibliographischen Angaben. Das ist keine persönliche Beschwerde, zumal mare einer der wenigen deutschen Verlage ist, die uns Übersetzer und Übersetzerinnen auf dem Cover nennen. Aber wir kämpfen schon lange (und oft vergebens) gegen unsere Unsichtbarkeit. Klar, wenn wir unsere Arbeit gut machen, nimmt man uns nicht wahr. Erwähnt wird die Übersetzung in der Regel nur, wenn sie misslungen ist.
    Aber wenn Sie bei Ihren Rezensionen zukünftig wenigstens bei den bibliographischen Angaben den Namen des Übersetzers oder der Übersetzerin nennen, machen Sie ohne großen Aufwand ein paar Leute glücklich.

    1. Liebe Kirsten,

      vielen lieben Dank für Deinen Kommentar und Dein Feedback. Deine Klage kann ich nachvollziehen und Deine Argumente kann ich sehr gut verstehen. Tatsächlich differenziere ich hier nach Art des Buches. Bei Klassikern finde ich die Übersetzung immer sehr wichtig und erwähne sie und die Qualität. Da hat man oft auch die Wahl und nachdem ich meist zu den hochwertigen Neuauflagen greife, ist das auch immer ein Thema bei meinen Buchbesprechungen. Anders ist es für mich bei Sachbüchern, wo die Übersetzerleistung dann eher in der gesamten Betrachtung des Geschriebenen mit bewertet wird. Da hat man ja zumeist auch keine Wahl. Und ich nehme bei meinen Besprechungen ja sozusagen die Perspektive des Lesers ein.

      Ich für meinen Teil schätze die Leistung von Übersetzer sehr und kann Dir auf dem Weg nur dafür danken, dass Du dieses schöne Buch ins Deutsche übertragen hast!

      Liebe Grüße
      Tobi

  2. Guten Morgen,
    danke für das Vorstellen. Ich glaub, den Atlas werde ich mir mal näher anschauen und ich denke, meine WuLi wächst dann weiter 🙂
    Jedenfalls sehr interessant mit einem kleinen Urlaubsfeeling
    Liebe Grüße
    Anja vom kleinen Bücherzimmer

  3. Ich werde mit dem Buch nicht warm. Dadurch, dass jeder Leuchtturm auf den immer gleichen vier Seiten abgehandelt wird – Seite 1: Text, Seite 2: Illustration, Seite 3: Technische Daten, Seite 4: Geographische Einordnung – entsteht eine chirurgische – plastische – Wirkung. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich der Autor wirklich für Leuchttürme interessiert. Ich habe nur die Vorschau auf der Seite vom Mare-Verlag angeschaut (28 Seiten, 3 Türme), schon nach dem 2ten Turm kam bei mir Langeweile auf. Für Romantiker ist das eher nichts.

    Leuchttürme sind schöner, erhabener und aufregender als das, was dieses Buch vermittelt. Schreibt ein Küstenbewohner.

    1. Der Aufbau des Buches ist natürlich fest strukturiert. Das haben die meisten Atlanten dieser Art aber als Eigenheit. Die Texte fand ich schon schön und ansprechend und nach einiger Zeit bin ich schon in den Atlanten-Meer-Urlaubsstimmungs-Flow gekommen. Aber das ist ganz sicher auch Geschmackssache und darüber lässt sich immer streiten. An den Atlas der abgelegenen Inseln kommt das Buch aber auch nicht ran, das ist ganz klar.

      Liebe Grüße und herzlichen Dank für Deinen Kommentar
      Tobi

Schreibe einen Kommentar zu Kirsten Brandt Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert