Atlas der abgelegenen Inseln • Judith Schalansky

Es gibt Bücher, die sind bei mir recht lange auf der Wunschliste, weil sie beim ersten Blick nicht gleich überzeugen können. Dieses Buch hatte ich in Leipzig das erste Mal in der Hand und es hat mir beim Durchblättern sehr gut gefallen. Allerdings waren dann immer andere Bücher interessanter und vom Inhalt vielversprechender, so dass dieser kleine Atlas auf meiner Weihnachtswunschliste gewandert ist. Das Christkind hat aber auch ein zuverlässiges Händchen und so lag das schöne Stück dieses Jahr unterm Baum. Ich glaube jetzt würde ich nicht sonderlich lange zögern dieses kleine Kunstwerk mit zu nehmen, denn nach seiner Lektüre bin ich davon sehr begeistert.

Das Meer und Inseln begeistert mich ja schon immer und nach zahlreichen Lektüren, die in den weiten Ozeanen ihr Zuhause haben, liebe ich das Szenario des kleinen und einsamen Eilands noch immer sehr. Woran das genau liegt, kann ich nicht so genau sagen. Vielleicht, weil hier die Schönheit und Klarheit der Natur auf den Menschen trifft und einen weiten Schatten auf sein nicht minder spannendes Innenleben wirft.

Atlas der abgelegenen Inseln von Judith Schalansky

Das Thema ist schon ausgefallen. Atlas der abgelegenen Inseln ist schon ein Titel der anlockt. In diesem Buch werden fünfzig einsame Inseln vorgestellt, die quer über die Ozeane dieses Planeten verteilt sind und sich durch ihre desolate Lage auszeichnen. Bevor ich genauer beschreibe, was in dem Buch zu finden ist, muss ich allerdings auf die Aufmachung eingehen, weil sie für das Leseerlebnis sehr entscheidend ist. Der kleine Atlas ist nicht wirklich groß oder umfangreich, wie die Atlanten die man aus der Schule kennt. Mit seinen 144 Seiten und seinem Format, das ein gutes Stück kleiner ist, als ein DIN A4 Blatt, ist er schön kompakt und liegt gut in der Hand. Farblich und von der Typographie wird hier wirklich was geboten. Gelb und Blautöne sind das gewählte Farbschema und mit der gewählten Schrift wirkt das Buch sehr edel und harmonisch und ein wenig altmodisch, als ob man eine alte Fibel in Händen halten würde.

Atlas der abgelegenen Inseln von Judith Schalansky

Für den Arktischen Ozean, den Atlantischen Ozean, den Indischen Ozean, den Pazifischen Ozean und den Antarktischen Ozean gibt es jeweils ein Kapitel, dem eine gelbe Doppelseite vorangestellt ist. Diese stellt die Region dar und zeigt eingezeichnet die einzelnen Inseln, die in diesem Kapitel vorgestellt werden.

Atlas der abgelegenen Inseln von Judith Schalansky

In den Kapiteln werden dann die einzelnen Inseln vorgestellt, wobei jede Insel eine Doppelseite bekommt. Die rechte Seite zeigt eine Karte der Insel, ganz in Manier eines Atlases. Auf der linken Seite sind erst einmal Informationen zur Insel zu sehen. Allerdings wirklich sehr gelungen visualisiert. Ich liebe ja jede Art von Infografik und liebevoll gestaltete Visualisierungen und in diesem Buch ist das wirklich gelungen. Aus meiner Sicht eine Vorlage für jedes Kommunikationsdesignlehrbuch.

Atlas der abgelegenen Inseln von Judith Schalansky

Zuerst wird der Name (auch in verschiedenen Sprachen und Varianten), die Fläche und die Anzahl der Einwohner aufgeführt. Ein kleiner Globus zeigt die Position der Insel. Dann wird die Entfernung zu den nächsten markanten Punkten in einer sehr schicken Messleiste dargestellt. Darunter gibt es eine weitere Zeitlinie mit den für die Insel entscheidenden Meilensteinen. Beim Durchblättern hat man so schnell den Überblick und das Stöbern in dem Buch macht wirklich Spaß.

Atlas der abgelegenen Inseln von Judith Schalansky

Anschließend folgt ein Text zu der Insel. Zuerst war ich ein wenig enttäuscht, denn ich habe erwartet, dass hier die Insel klar umrissen wird. Eben wie in einem Lexikon, wo genau aufgeführt wird, wie die Vegetation ist, wie die Insel aussieht und eben alle möglichen Fakten zu dem Eiland im Stile von Wikipedia. Aber das ist nicht der Fall. Im Text wird natürlich schon sehr oft auf die Beschaffenheit der Insel eingegangen, allerdings handelt es sich um Anekdoten und kurze Geschichten, die sich auf dem Eiland zugetragen haben. Und die sind wirklich ein Vergnügen zu lesen, denn die Schicksale, das was auf der Insel geschieht und was das jeweilige Eiland ausmacht, ist völlig unterschiedlich. Es geht natürlich ums Stranden, aber auch um Sträflingskolonien, eine Insel auf der Frankreich eine Atombombe testet, um deutsche Aussteiger, die ihre eigene Kolonie gründen und eine Frau, die sich selbst zur Baronin ernennt, um ein kleines Einwohnervölkchen, dass farbenblind ist, um die gemeuterte Bounty, um Inseln in der Antarktis mit Pinguinen und Walfang und noch viel viel mehr. Die Geschichten, die sich um diese kleinen Flecken ranken, diese wild verstreut auf der Erde verteilen Inseln, sind so vielfältig wie der Mensch selbst. Und es ist ein Genuss und Unterhaltung pur in dem Buch zu stöbern und sich diese manchmal skurrilen, tragischen, unterhaltsamen und auf jeden Fall vielfältigen Texte zu lesen.

Atlas der abgelegenen Inseln von Judith Schalansky

Ein Vorwort von Schalansky gibt eine kurze Einleitung in die Faszination der Atlanten und gibt einen kurzen Abriss davon, was einen in diesem Buch erwartet. Insgesamt benötigt man für das Buch nicht mehr Zeit als einen Abend. Der ist dann aber sehr unterhaltsam und mit Garantie nimmt man es wieder zur Hand. Zu vielseitig sind die kurzen Anekdoten und zu schön ist dieser kleine Band. Ich habe mich auch immer wieder dabei ertappt, wie ich nach einzelnen Inseln gegoogelt habe und es macht Spaß dazu weitere Informationen und Bilder anzusehen. Ein bisschen hat man hier den Wikipedia Effekt: Man kommt von einem zum anderen, blättert sich durch den kleinen Atlas und klickt sich dann weiter durchs Internet.

Natürlich denkt man unwillkürlich daran, welche Inseln man selbst besucht hat. Das sind bei mir schon ein paar und zwar erstaunlich unterschiedliche. Das reicht von der Insel Mainau, wo ich nur wenig das Inselfeeling bekommen habe, weil ich zwischen fotografierenden Senioren gestanden bin, während ich immer das Festland im Blick hatte, bis hin zu einer kleinen Felseninsel im Atlantik, wo die raue See und das karge Umfeld doch ein ganz gutes Gefühl vom Stranden, von der Einsamkeit und dem Verlassensein gegeben hat.

Eine Insel der Heimaey Inseln bei Island
 Eine Insel der Heimaey Inseln bei Island, kommt in dem Buch nicht vor, ist aber auch nicht abgelegen genug. Aber so stelle ich mir viele der Inseln vor.

Fazit: Atlas der abgelegenen Inseln ist ein außergewöhnliches und sehr unterhaltsames Buch, das sowohl von seiner Gestaltung, als auch von seinem Inhalt überzeugen kann. Unterschiedlich, vielseitig und immer lesenswert sind die Anekdoten zu den einzelnen Inseln. Die schön aufbereiteten Informationen zu den Inseln und die stimmige Wahl von Farben, Typographie und Visualisierung der Eckdaten machen das Buch zu einer echten Bereicherung für entspannte Abende, denn trotz der Tatsache, dass man das Buch leicht in einem Rutsch durchlesen kann, ist es ein Vergnügen, immer wieder darin zu stöbern. Ganz zurecht hat es den ersten Preis der Stiftung Buchkunst gewonnen und wurde zum schönsten Buch 2009 gekürt. Wie eine alte Fibel strahlt es all die Abenteuer und Tragödien aus, die einsamen Inseln anhaften: Vom Stranden, bis zur Gefängnisinsel, von Testgelände für Atombomben, bis zur arktischen Walfanginsel ist hier alles geboten.

Buchinformation: Atlas der abgelegenen Inseln • Judith Schalansky • mare Verlag • 144 Seiten • ISBN 9783866481176

14 Kommentare

  1. Ich finde dieses Buch auch wunderschön gestaltet und habe es schon zweimal gelesen, da mir all die Anekdoten so gut gefallen haben. Beide Male hatte ich es nur aus der Bücherei ausgeliehen – beim dritten Mal werde ich es mir dann selbst kaufen. 😉

    1. Liebe Neyasha,

      das Buch gehört sicher in die Kategorie der Bücher, die man immer mal wieder zur Hand nimmt. Um vom Meer zu träumen und sich vorzustellen, wie es auf den Inseln wohl so ist. Ich kann von sowas einfach nicht genug bekommen. Ich kann dir auch Die Inseln auf denen ich strande empfehlen. Das ist auch ein sehr gelungenes Buch mit vielen kurzen Geschichten über das Stranden und kleinen Inseln.

      Liebe Grüße
      Tobi

  2. Ich habe den Atlas auch vor kurzem entdeckt und war gleich verliebt! Allerdings habe ich das Taschenbuch mit gelbem Cover – auch sehr schön, passt gut in die Tasche für unterwegs. Der WDR hat es sogar als „musikalisch-poetisches Hörspiel“ (nicht meine Worte, sondern deren) umgesetzt.

    1. Liebe Ella,

      ich hab gar nicht gesehen, dass es das Buch auch als Taschenbuch gibt. Aber das macht auch Sinn, für kurze Wartezeiten an einer Haltestelle oder ähnliche Situationen, weil die einzelnen Texte zu den Inseln ja nicht lange sind. Unterhaltsamer, als auf dem Smartphone auf die Ladeanimation zu glotzen. Allerdings hätte ich wohl trotzdem in jedem Fall zu der Ausgabe vom mare Verlag gegriffen, da bin ich einfach zu vorbelastet 😉

      Die Worte vom WDR hätte ich nun nicht gewählt, aber bisher habe ich auch nur gute Stimmen zu dem Buch gehört. Es scheint wohl jedem gut zu gefallen, was ich ja auch nur bestätigen kann.

      Liebe Grüße
      Tobi

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