Der stille Held Tom Crean • Michael Smith

Nach meiner Lektüre von Niemandsland war ich voll im Abenteuermodus und hatte einfach Lust auf ein weiteres Abenteuer in der Antarktis. Im mare Programm bin ich schon vor längerer Zeit auf das Buch Der stille Held Tom Crean gestoßen und habe es mir endlich geholt, um meine nächste Reise zum Südpol anzutreten. Ob Tom Creans Abenteuer genauso spannend wie die Erzählungen aus Niemandsland sind, das erzähle ich euch heute.

Tom Crean wurde 1877 in Irland geboren und war ein Polarforscher, der Anfang des 19. Jahrhunderts an drei Expeditionen in die Antarktis beteiligt war. Dieses Buch zeichnet sein Leben, ausgehend von seiner Kindheit, über seine spannenden Expeditionen, bis hin zu seinem Lebensabend nach. Tom selbst hat nie Tagebuch geführt und war kein großer Briefeschreiber, aber aufgrund seiner Heldentaten und der Tatsache, dass er ein hervorragender Weggefährte war, fand er in vielen Aufzeichnungen seiner Kameraden Erwähnung. Michael Smith hat sehr gut recherchiert und aus zahlreichen Quellen, wie Aufzeichnungen, Reiseberichten, aber auch Gesprächen mit den Nachkommen Creans, viele Informationen zusammengetragen. Basierend darauf folgt er dem Leben Creans.

Ich habe schon mehrere Bücher gelesen, in denen es um aufregende Reisen zu den Polen geht. Und alle diese Bücher sind einfach richtig spannend. Die Polarfahrt von von Hampton Sides oder Niemandsland von Adwyn de Kluyver sind sehr ähnlich aufgebaut. Es sind Sachbücher, aber dadurch, dass die Abenteuer mit all ihren Strapazen und Gefahren nacherzählt werden, entsteht einfach ein sehr fesselndes Narrativ. Ähnlich einer sehr gut gemachten Dokumentation. Man taucht als Leser in diese unwirtliche gefährliche Welt des ewigen Eises ein und manchmal kann man sich schwer vorstellen, was diese Männer damals durchgemacht haben.

Michael Smith erzählt eindringlich, wie die Polarreisenden mit den widrigen Umständen zu kämpfen hatten. Bis zu -60° Celsius mussten sie in ihren Zelten und Schlafsäcken ertragen, vier Monate Dunkelheit, sie mussten schwere Schlitten voll mit Ausrüstung über das Eis ziehen, bekamen Erfrierungen, mussten Schneestürme durchstehen und hatten mit sehr knappen Rationen zu kämpfen, denn sie mussten alles mit eigener Körperkraft transportieren. Und überall hat sich Tom Crean hervorgetan, der nicht nur körperlich, sondern auch mental Leistungen gebracht hat, die man sich dieser Tage kaum noch vorstellen kann. Dabei ist er mehrfach nur knapp den Tod entkommen und einige seiner Kameraden sind nicht mehr lebend aus der unwirtlichen Region zurückgekommen.

Die bekannteste Expedition, an der Tom Crean teilnahm, ist die des Briten Scott, der als erster Mensch den Südpol erreichen wollte. In letzter Sekunde ist ihm allerdings der norwegische Polarforscher Amundsen zuvorgekommen. Die gefährliche Reise, und besonders der gefährliche Rückweg vom Südpol, wird in dem Buch sehr genau nacherzählt und ich habe diese Kapitel einfach verschlungen. Das ist einfach wahnsinnig fesselnd, wie die Männer ums Überleben kämpfen, welche Widrigkeiten sie trotzen mussten und wie entbehrungsreich diese Reise war. Auch wenn das Buch ein Sachbuch ist, es liest sich wie ein spannender Roman.

Man merkt, wie gut und mit welcher Sorgfalt der Autor Michael Smith recherchiert hat. Im Anhang finden sich zahlreiche Quellenangaben. Besonders gelungen fand ich die Fotos, die in dem Buch abgebildet werden und auch einen visuellen Eindruck geben. Auch Karten sind darin zu finden, an denen die Reiseroute nachvollzogen werden kann. Das ist alles hervorragend zusammengestellt und da gibt es aus meiner Sicht kein Verbesserungspotenzial. Das ist einfach gut gemacht.

Das Buch selbst hat mir auch von der Gestaltung sehr gut gefallen. Das Foto von Tom Crean auf dem Umschlag ist sehr gut gewählt und auch sehr stimmungsvoll, mit dem wettergegerbten Gesicht, der Pfeife im Mund und dem eindringlichen Blick. Das Papier ist ebenfalls wieder sehr angenehm gewählt, da hat der mare Verlag einfach immer hervorragende Qualität und auch die Typographie und Abbildungen sind von feinster Qualität. Das blaue Lesebändchen rundet das Bild gut ab. Nur das Buch selbst ist eher schlicht, mit dem Pappeinband, aber es wird auch nicht als Prachtausgabe vermarktet, was ich mir natürlich immer wünschen würde. In Summe die gewohnt hohe mare Qualität, die ich seit Jahren so schätze.

Der Autor Michael Smith, geboren 1946 in London, war Journalist und begann nach seiner Karriere, über die Erforschung der Arktis und Antarktis zu schreiben. Für seine Bücher wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet. Wer dieses Buch zur Hand nimmt, erkennt schnell, warum: Er lässt das Goldene Zeitalter der Antarktis-Forschung lebendig und erlebbar werden.

Ende letzten Jahres ist ein weiteres sehr ähnliches Buch erschienen. Es handelt von Alfred Wegener, der ebenfalls an einigen der Expeditionen beteiligt war. Und diesen Herbst erscheint Der geträumte Norden das, wie Niemandsland, aus der Feder von Adwin de Kluyver stammt. Es gibt also noch genug weiteren Lesestoff dieser Art und ich werde mir beide Bücher definitiv noch holen.

Fazit: Tom Creans Abenteuer sind spannend und faszinierend und seinem Leben zu folgen, über seine Polarreisen zu lesen, ist einfach ein Genuss. Smith beschreibt die dramatischen Momente, aber auch die Erfolge und Misserfolge dieser Expeditionen und wie knapp die Männer dem Tod entkommen sind. Scotts Expedition zum Südpol oder Shackletons versuch die Antarktis zu durchqueren, die Winter eingeschlossen im Packeis, die Schinderei, um mit all der Ausrüstung die Eiswüste zu durchqueren, die widrige Natur, Schneestürme bei klirrender Kälte, all das erlebt der Leser hautnah mit und taucht ein in das faszinierende goldene Zeitalter der Antarktis-Forschung. Ich habe das Buch verschlungen und kann es nur jedem empfehlen, der Abenteuer und faszinierende Expeditionen zu entlegenen Orten spannend findet.

Buchinformation: Der stille Held Tom Crean • Michael Smith • mare Verlag • 464 Seiten • ISBN 9783866486577

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