Das hündische Herz • Michail Bulgakow
Schon seit einiger Zeit verfolge ich das Programm der Büchergilde Gutenberg. Als Freund schöner Ausgaben werde ich auch immer wieder einmal fündig und komm nicht darum herum mir das ein oder andere Buch aus dem Hause zuzulegen. Zuletzt war das bei Über Bord der Fall, einem sowohl inhaltlich, als auch von der Aufmachung her wirklich sehr gelungenem Buch. Das hündische Herz von Michail Bulgakow ist optisch auf jeden Fall ein Blickfang und als ich diese schöne Ausgabe mit zwei verschiedenen Papiersorten im Magazin der Büchergilde gesehen habe, und der Klappentext sich durchaus spannend angehört hat, musste ich es natürlich sofort haben.
Der Inhalt der Novelle ist mit knapp 160 Seiten überschaubar, damit ist das Buch also auch gut für zwischendurch geeignet. Der Chirurg Filipp Filippowitsch pflanzt einem Straßenköter die Hirnanhangsdrüse und die Hoden eines Kleinkriminiellen ein. Prompt wird aus dem Vieh ein Mensch und zwar ein Genosse, ganz nach Sowjetischer Vorlage dieser Zeit. Leider ist der gute Lumpi ein ziemlicher Schlawiner, der dem Alkohol zuspricht, sich sehr flegelhaft verhält und, wie könnt es auch anders sein, in einer Moskauer Behörde bei seinen kommunistischen Freunden gleich ganz gut Karriere macht und somit für seinen konservativen Schöpfer zunehmend zum Problem wird.
Als Bulgakow das Buch Anfang 1925 verfasst hat, wurde es sofort Opfer der Zensur. Zur Zeit der Sowjetunion und der Einführung des neuen wirtschaftspolitischen Konzepts, die Neue Ökonomische Politik, kam das Ganze gar nicht gut an, denn die Geschichte übt durch die Blume ordentlich Kritik am Konzept des propagierten Menschenbildes. Anders als vielleicht der Klappentext vermuten lässt, geht es also mehr darum, wie die Gesellschaft eine neue Art Mensch erschaffen will. Das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Mensch ist eher eine nebensächliche Komponente, auch wenn sie natürlich mit dem an Frankenstein erinnernden Aufbau durchaus auch Bestandteil des Buches ist. Der Professor mit seinen konservativen Ansichten und seiner deutlichen Abneigung gegen das Proletariat ist sozusagen das genaue Gegenteil seiner Schöpfung, der mit genau dem verhassten Proletariat sympathisiert.
Mich konnte weder der Inhalt, noch der Schreibstil besonders begeistern. In die Geschichte konnte ich mich irgendwie nicht einfinden. Ich fand die Figuren skurril, seltsam und unreal. Ich habe durchaus den zynischen und satirischen Unterton gespürt, der überaus deutlich ist, fand ihn aber wenig aussagekräftig und keineswegs unterhaltsam. Sicherlich liegt das auch darin begründet, dass mir der Bezug zu diese Zeit mit ihren gesellschaftlichen Problemen fehlt. Einige Wortwechsel zwischen dem Professor und Lumpi haben das Potential sehr komisch und überspitzt zu wirken, sind es aber nicht ausgehend von meinem Blick aus dem Hier und Jetzt. Das ist nicht zwingend so, wenn ich beispielsweise an Balzac denke, dann trifft er durchaus noch den Nerv der Zeit und zwar den dieser und damaliger Tage. Letzten Endes läuft die Geschichte so dahin und ich hatte zu keinem Zeitpunkt irgendwie den Wunsch zu erfahren, was bei dem Ganzen wohl heraus kommen würde. Zu wenig greifbar ist die Situation und die Figuren, die irgendwie wie in einem Theaterstück auftreten und plötzlich wieder von der Bildfläche verschwinden.
Die Reaktion des Professors war für mich zwar nachvollziehbar aber nicht sonderlich reizvoll oder interessant. Wenn er sich beispielsweise mit dem Lumpi an einem Tisch setzt, speist und ihn zu belehren versucht wirkt das irgendwie komisch, aber eher auf flaue Art. Gerade diese Szenen wirken dann erstaunlich geradlinig, wenig überraschend und sind nur wenig spannend. Da hätte man aus meiner Sicht wesentlich mehr daraus machen können, denn immerhin sitzt ein Hund am Tisch, der nun plötzlich ein denkender Mensch ist. Ihn auf flegelhaftes, den Genossen zugetanem Verhalten zu reduzieren fand ich enttäuschend wenig.
Sprachlich konnte das Buch mit seinen schmucklos wirkenden Sätzen und Dialogen auch keinen Eindruck auf mich machen. Recht kurz und schnell sind die Wortwechsel und wirken irgendwie abgehakt. Wirklich ein Fluss ist bei mir beim Lesen nicht entstanden. Die vielen kurzen Dialoge, aber auch die Wahl der Worte wirken wenig intuitiv und es entsteht eher der Eindruck, dass das Buch aus kurzen Szenen zusammengesetzt ist.
Bücher ähneln oft den Menschen, die sie schreiben und so ist die Begegnung mit einem Buch auch immer der eines Menschen sehr ähnlich. Mit manchen versteht man sich sofort, ist auf einer Wellenlänge und spricht irgendwie die gleiche Sprache. Andere hingegen sind einem wenig sympathisch oder scheinen von einem anderen Stern zu kommen. Bei Büchern geht es mir oft genauso und oft ist es eher ein diffuses Gefühl, dass einen für ein Buch einnimmt oder einen davon entfernt. Der Stil entspricht irgendwie nicht dem eigenen Denken und auch das Sujet und der Fokus liegen auf etwas, das einem nicht nahe steht. Zumindest ist es mir mit Das hündische Herz so gegangen. Und deshalb kann ich nicht von dem Buch pauschal abraten und kann mir gut vorstellen, dass andere sich von diesen Zeilen sehr gut unterhalten fühlen. Möglicherweise liegt recht viel in dieser Geschichte und auch der satirische Zynismus unterhält den ein oder anderen mit seinem ganz eigenen Witz. Aber ich bin mit diesem Buch definitiv der falsche Adressat.
Während ich vom Inhalt wenig begeistert bin, kann ich die Aufmachung des Buches und die Illustrationen von Christian Gralingen nur loben. Das Büchlein ist ein kleines Kunstwerk, das in die Hand zu nehmen ein echter Genuss ist. Sowohl von der Farbgebung, der Typographie, als auch den schönen Abbildungen ist das Buch durchweg gelungen.
Die Illustrationen passen hervorragend zur Geschichte, haben einen ganz eigenen Stil und sind schön anzusehen. Alleine das Vorsatzpapier ist ein Fest. Das Nachwort ist auf einem blauen Papier gedruckt und ein kurzer Teil, der die Aufzeichnungen des Assistenten umfasst, hat einen braunen Hintergrund, was wirklich sehr edel und einfallsreich wirkt. In der Mitte findet sich schließlich auch der Ausweis von Lumpi.
Die Fußnoten sind wie bei Über Bord am Rand abgedruckt, was sowohl praktisch ist, als auch sehr aufgeräumt wirkt. Bei Bücher, die auf Anmerkungen angewiesen sind, weil sie den Blick auf das Gelesene erweitern, sollte das immer so sein.
Fazit: Weder der Inhalt noch der Schreibstil konnten mich begeistern und so bin ich in dieses Buch nicht so richtig eingetaucht. Zu seltsam und unreal habe ich die Figuren empfunden, zu wenig Bezug habe ich zu den zynischen und satirischen Anspielungen und Situationen gefunden und zu schmucklos erschienen mir die Dialoge und Beschreibungen. Die Aufmachung des Buches hingegen ist ein Fest, hier hat sich die Büchergilde Gutenberg selbst übertroffen und mit den überaus treffenden Illustrationen von Christian Gralingen ein kleines Kunstwerk geschaffen.
Buchinformation: Das hündische Herz • Michail Bulgakow • Edition Büchergilde • 200 Seiten • ISBN 9783864060625
Mir ging es mit „Der Meister und Margarita“ von Bulgakow ähnlich wie bei dir. „Skurril, seltsam und unreal“ trifft es auch hier ganz gut. Ich hatte eine bissige Satire erwartet und ein Buch bekommen in dem Menschen durch die Gegend fliegen. Zudem fand ich die Vielzahl der Charaktere, besonders in Verbindung mit den russischen Namen, verwirrend. Nicht mein Fall.
Das Problem liegt nicht beim Buch, sondern bei dir. Es zählt zum Genre des magischen Realismus. Da kann man sich doch nicht ernsthaft über fehlenden Realismus beschweren?! Es ist so, als wenn ich mich über nicht existierende Wesen in Fantasybüchern beschwere.
Lieber Anton,
was mich angeht, kann ich Dir da nur zustimmen. Ich liebe die Autoren und Werke des Realismus und Naturalismus. Diese surrealen Spielarten der Literatur, die auf diese Literaturströmungen folgten, konnten mich nur begrenzt erreichen. Die Kunstfertigkeit darin ist oft ganz klar sichtbar und auch bewundernswert (beispielsweise Kafka), begeistern kann mich diese Literatur aber nicht.
Liebe Grüße
Tobi
Ich liebe den „Meister und Margarita“ https://bingereader.org/2015/12/03/the-master-and-margarita-mikhail-bulgakov/
Vielleicht ist Bulgakow wie Malt Whisky ein „acquired taste“ ? Langsam rantasten vielleicht. Hab aber auch so ein paar Spezialisten mit denen ich einfach nicht warm werde.
„Das hündische Herz“ in der Büchergilden Edition brauche ich unbedingt – danke fürs vorstellen 🙂
Liebe Sabine,
das kann gut sein, wenn allerdings sein Stil immer so ist, wird Bulgakow wahrscheinlich nie mein Lieblingsautor werden 😉 Aber ich probiere gerne Neues und die Ausgabe ist wirklich sehr gelungen, da kann man nichts sagen. Also seinen Platz im Bücherregal wird das Buch alleine deshalb schon bekommen.
Liebe Grüße
Tobi
Lieber Tobi,
eine sehr schöne Rezension! Ich mochte von ihm Der Meister und Margarita sehr sehr sehr gerne. Aber du hast es gut auf den Punkt gebracht, entweder man mag einen Menschen und somit sein Buch oder eben nicht. Ich konnte mich zb nie mit Kafka anfreunden, viele Male habe ich es versucht, aber nein es will einfach nicht :/
Liebe Tinka,
Kafka ist ein sehr schönes Beispiel, da geht es mir ähnlich wie dir. Wobei ich bei Kafka durchaus nachvollziehen kann, wieso so viele ihn schätzen und mögen. Ich mag diese eher drückende Stimmung nicht, die von seinen Büchern ausgehen und das ist für mich schon ein ziemlicher Showstopper.
Liebe Grüße
Tobi
„Der Meister und Margarita“ ist wunderbar. Bestimmt 7 x gelesen. Allerdings war ich beim ersten Mal versucht, das Buch in die Ecke zu pfeffern, als so makaber empfand ich zunächst eine Szene. Die Enstehungsgeschichte ist sehr spannend.
Auch der Theaterroman (oder die „Aufzeichnungen eines Toten“) ist wunderschön und lädt zum mehrmaligen Lesen ein.
Diese schön gestaltete Ausgabe „Das hündische Herz“ (Hundeherz) bringt mich dazu, auch dieses Buch erneut zu lesen.
Lieber Jens-Uwe,
„Der Meister und Margarita“ scheint ja sein bekanntestes Werk zu sein. Der Autor war mir bisher kein Begriff und ich bin überhaupt durch diese schöne Ausgabe erst auf ihn aufmerksam geworden. Aber ich weiß nicht, nach „Das hündische Herz“ fällt es mir schwer, Motivation für die Lektüre eines anderen Buches von Bulgakow aufzubringen. Aber ich kann dir sagen, wenn du den Autoren magst dürfte diese schöne Ausgabe dein Herz höher schlagen lassen.
Liebe Grüße
Tobi
Hallo Tobi,
die Büchergilde kenne ich auch schon seit früher Jugend und bin von vielen Ausgaben begeistert. Der nötige Quartalskauf hat mich bisher aber immer von einer Mitgliedschaft abgehalten, ist das immer noch so? Liebäugel aktuell mit der Jane-Gardem-Ausgabe der Büchergilde und dem Graphic Novel zur Traumnovelle von Schnitzler. Einen Verlag, der so schöne Bücher herstellt, sollte man ja eigentlich unterstützen..
Liebe Grüße
Thomas
Lieber Thomas,
so lange habe ich die Büchergilde noch nicht auf dem Schirm. Aber mich hat diese Zwangskaufklausel auch immer von der Mitgliedschaft abgehalten. Um „Über Bord“ zu bekommen, habe ich die Probemitgliedschaft abgeschlossen. Allerdings gibt es die „Edition Büchergilde“ und die Bücher aus diesem Verlag gibt es ganz normal über den Buchhandel. Über Booklooker bekommt man auch einige Bücher ohne Mitglied zu sein und meist auch um einiges günstiger. Ich glaube Mitglied werde ich nicht werden, wenn meine Probemitgliedschaft abgelaufen ist. Dazu bin ich einfach bei Büchern zu wählerisch. Allerdings gebe ich dir recht: Verlage mit so schönen Büchern im Programm sollte man unterstützen.
Liebe Grüße
Tobi
Schade, dass das Buch nicht das richtige für dich war. Ich kenne es nicht, dafür aber das mehrmals hier genannte „Meister und Margarita“, das ich dir ebenfalls empfehlen kann. Was den Stil betrifft, weiß ich, dass es „Der Meister und Margarita“ in mehreren Übersetzungen gibt, die nicht alle gleich beliebt sind. Mir hat die von Thomas Reschke sehr gut gefallen und ich kenne keine andere, aber ich habe mitbekommen, dass die von Alexander Nitzberg mitunter scharf kritisiert wird.
Hallo, Hundeherz, so der russische Name in treffenderer Übersetzung ist eine Parodie aif den noch jungen sowjetischen Sozialismus. Mit wenig schafft man neue Genosse, sogar Hunde können Führungskader werden, der Professor ist ein hoffnungslos altmodischer Mensch, also alles Leute, die Bulgakov nicht im 20. Jahrhundert mochte. Die einen stehen für den neuen Terror, die anderen für den Zarismus. Alles dargestellt in einer wunderbaren Parodie auf hohem sprachlichen Niveau. Ich betrachte Bücher in ihrer Zeit. Versuchts mal so, wenn ihr mögt. NfU Karl
Lieber Karl,
genau das meine ich damit, wenn ich in dieser Rezension über meinen fehlenden Bezug zu dieser Zeit und zu diesen gesellschaftlichen Problemen schreibe. Ich glaube, dass man den Humor in diesem Buch nur dann zu schätzen weiß, wenn man dafür ein Gespür hat. Das sprachlich hohe Niveau konnte ich allerdings nicht erkennen, aber das liegt daran, dass ich dem schönen Stil der Romantik und des Realismus verfallen bin und mir die Bücher aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts immer irgendwie schmucklos erscheinen. Aber möglicherweise habe ich einfach noch nicht die richtigen Bücher aus dieser Zeit gelesen.
Liebe Grüße
Tobi
Bulgakow
Mozart der Literatur –
Kann es noch einfacher, blumiger, herzergreifender und vor allem menschlicher sein.
Er zerkleiner jeder Beobachtung auf den kleinsten Fasan, kaut es fast vor und präsentiert es als ein wohl duftender Blumenstrauss oder ein Frühlingsmonden.
Gestern habe ich weiter an „Die weiße Garde “ gelesen in der Episode wo er ein Wachsoldat beim Panzerzug in der frierende Kälte wache hält.
Es ist unglaublich beschrieben. Ich denke ein Bild oder Filmsequenz kann nicht so schön und präzise das Bild und Empfinden des Wachsoldats zu beschreiben.
Sobald ich das Buch fertig gelesen habe, möchte ich es probieren im original zu lesen. Begonnen habe ich aber es kommt mir vor wenn dass keine russische sondern eher ein art ukrainischer Dialekt ist.
Es wird hart, aber trotzten möchte direkt aus der Hand des Meisters kosten.
Bereits habe ich einige Stellen des Romans mit der Originafassung verglichen und möchte gern wissen wie es euch geht. Viele stellen versteht mann nur wenn man sich mit der russische Geschichte und Sprache auseinander gesetzt hat. Da ich 12 Jahre russisch gelernt habe verstehe ich viele Namensänderungen wie von Aleksander über Alöscha zu Sascha aber möchte ich wissen wie es euch geht.
z.B. man muss wissen was eine „Papascha“ ist etc. Außer man siebt die Wörter die man nicht versteht und genießt den Rest.
Im russischen werden die Personen entweder per Familienname oder per Vor und Vatersname angesprochen.
Oder was deduschka (opa) heißt etc.
Wenn man den „Meister und Margerita “ liest, versteht man was der schwarzer Kater bedeutet?
Würde mich auf gleichgesinnten freuen.
LG
IT
Ich habe Russisch studiert und sowohl „Meister und Margarita“ als auch „Hundeherz“ im Original gelesen, eine Information, mit der man Russen wirklich beeindrucken kann. Um diese gedanklich und sprachlich anspruchsvollen Werke zu verstehen, braucht man unbedingt Wissen zu Bulgakows Biographie und Zeit. Ich kenne zwei Übersetzungen, aber ganz eigentlich halte ich ihn für unübersetzbar. Das ist eine Mischung aus magischem Realismus, Groteske, Satire …