Manon Lescaut • Abbé Prévost
Einige Male habe ich nun ein eher schlechtes Händchen gehabt und bei der Wahl meiner Literatur daneben gegriffen. Ich probier doch immer wieder einiges aus und bin neugierig, da ist aber dann die Trefferrate doch manchmal recht mies. Dann bin ich froh, wenn ich auf sicheren Pfaden wandeln kann und das ein oder andere Buch auf meinem Stapel habe, das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sehr gut ist. Die französischen Autoren haben es mir angetan, die konnten einfach schreiben, da geht die Post ab und es gibt einfach das volle Programm. Mit Manon Lescaut hatte ich schon länger ein Buch auf meiner Liste, das mal nicht aus dem 19. Jahrhundert kommt, sondern sogar vor der französischen Revolution geschrieben wurde. Ein solches Buch, das dazu noch im Manesse Verlag zu haben ist, hat etwas von einem kleinen Geheimtipp, denn es wirkt so ganz unscheinbar und sticht nicht gleich ins Auge.
Die beiden Protagonisten der Geschichte sind Chevalier de Grieux und Manon Lescaut, die sich ineinander verlieben und dann zuverlässig von einem Fettnäpfchen ins nächste tappen. Eigentlich sind das immer Schwierigkeiten, in die sie sich selbst bringen und die sie dann gehörig verbocken. Immer wieder eskaliert die Situation und es muss um die wertvolle Liebe gerungen werden. Dabei zeichnen sich die Beiden immer durch tadelhaftes Verhalten aus und genau das soll das Buch dem Vorwort des Autoren nach sein: Ein mahnendes Beispiel für eine zwar aufrichtige Liebe, die aber durch blinde Leidenschaft getrieben von einem sündhaften Fehlschnitt zum nächsten führt.
Ganz wie ich das von den französischen Autoren gewohnt bin, geht es hier ordentlich zur Sache. Chevalier ist mit Haut und Haaren verliebt, wirft alle Prinzipien über Bord und ruiniert sich auch mal zur Not, wenn es um die Liebe und Angebetete geht. So völlig überdrehte Figuren, mit einer richtig spannenden und fesselnden Geschichte, mit viel Leidenschaft, Liebeshändel, Drama, dubiosen Geldgeschichten, Duelle usw. gibt es in der hochwertigen Form einfach nur in der französischen Literatur des 19. und auch 18. Jahrhunderts. Ich liebe solche Bücher einfach und könnte da Unmengen davon verschlingen. Besonders wenn dann noch verruchte Frauenzimmer, Dandys und der Kampf um die große Liebe dazu kommen. Das ist einfach ein Genuss.
Prévost hat einen Schreibstil der sehr unterhaltsam ist und man merkt kaum, dass das Buch so alt ist. Recht grob skizziert er die Situationen und belebt die Geschichte durch die Dialoge und die Handlungen der Figuren. Dabei wird das Erlebte von Chevalier erzählt und enthält so viele Einblicke in seine Gefühlswelt, die von den oben genannten, überzogenen Leidenschaften geprägt sind. Als Leser fühlt man ganz gut mit ihm mit und nimmt ihn und seiner Manon ihr oft fragwürdiges Verhalten irgendwie nicht sonderlich übel. Irgendwie sind die beiden sympathisch. Wobei die schöne, gedankenlose, treulose, auf gewisse Weise verschlagene, aber dann auch wieder aufrichtige Manon der spannende und unberechenbare Faktor der Geschichte ist. Ihre Gefühlen und Launen gleitete Gesinnung, die gedankenlose und verwerfliche Art, aber auch die Hingabe und Leidenschaft, die sie in diesem Buch verkörpert, hat anscheinend zahlreiche Männer, angefangen von Napolean, bis hin zu Maupassant beeindruckt und inspiriert. Wenn man bedenkt, dass das Buch 1731 veröffentlicht wurde, dann hat diese Art zu schreiben ihrer Zeit einiges voraus. Immerhin findet man Geschichten in dem Format eher im 19. Jahrhundert. So soll Manon schließlich auch Dumas zu Die Kameliendame inspiriert haben. Ich kann die Faszination durchaus verstehen. Selbstbewusste Frauen, Kurtisanen die so richtig auf den Putz gehauen haben und das Abenteuer ihres Lebens, das in diesem Lifestyle aus Konsum und Männerverschleiß begründet ist, kann einfach nur spannend sein.
Das zentrale Thema ist natürlich die Leidenschaft Chevalier, die Art und Weise, wie er sich ihr unterwirft und sich zum Sklaven der Liebe macht. Aber auch Manons Lebensweise, erfüllt vor Gier nach Leben, nach Geld und einem ausgelassenen Lebensstil und den Preis, den beide dafür bezahlen, sind ganz deutlich im Zentrum der Geschichte. Dafür, dass Prévost ein geistlicher und sogar Priester war, versucht er zwar im Vorwort irgendwie das Ganze als Anleitung für einen sittlichen Lebenswandel zu verkaufen. Aber Prévost hat scheinbar auch einen recht ausgelassenen Lebenswandel gehabt und sein Lebenslauf liest sich wie ein kleines Abenteuer, bei dem auch Frauen ihren festen Platz hatten. Besonders brav war er auf jeden Fall nicht und das ist auch gut so, denn sonst hätte er keine so schöne Geschichte schreiben können.
Das Buch gibt einen interessanten Einblick in die Welt dieser Zeit. So werden einige Orte, wie das Hôpital de la Salpêtriére vorgestellt, aber auch ein Bild von den Sitten und der Gesellschaft gegeben. Aus meiner Sicht zwar nicht sehr tiefgründig, aber es öffnet sich doch ein Blick auf diese längst vergessenen Zeiten. Paris ist aber einfach eine schöne Kulisse und kann mich immer wieder begeistern.
Die Ausgabe ist wieder vom Manesse Verlag und das Büchlein ist klein, handlich aber wieder gebunden und sehr schick. Ich mag die Farbe des wertigen Leineneinbandes, die sehr gut zum Inhalt passt. Perfekt für die Jackentasche, wobei die Seiten allerdings nicht so dicht bedruckt und das Buch daher recht schnell gelesen ist. Über die Aufmachung und Qualität der Bücher vom Manesse Verlag will ich gar nicht viel schreiben, dass ich von den Büchlein begeistert bin zeigt ein kleiner Streifzug durch diesen Blog.
Fazit: Manon Lescaut ist eine faszinierende und spannende Geschichte von zwei Verliebten, die es auf die Spitze treiben und sich blind von ihren Leidenschaften treiben lassen. Mit einem schnellen Schreibstil erzeugt Prévost durch Handlungen und Dialoge ein sehr unterhaltsames Buch, das man, einmal angefangen, nur schwer Beiseite legen kann. Die Figur der Manon Lescaut, mit ihrer Leidenschaft, ihrer Schönheit, ihrem Anmut und ihrer unbedarften Art zu leben, die aber gleichzeitig voller Tadel ist, ist auch aus heutiger Sicht sehr spannend und gibt dem Buch die gewisse Würze. Der Blick auf das Paris dieser Zeit, die Gesellschaft und das Treiben der Adeligen ist interessant und gleichzeitig unterhaltsam. Zusammen mit der schönen Ausgabe vom Manesse Verlag ist das Buch sehr empfehlenswert, auch wenn die Geschichte nicht die Tiefe und die Charaktere keinen sehr hohen Grad an realistischer Psychologie haben. Da kann das Buch einfach nicht mit anderen Klassikern mithalten und bietet beispielsweise nicht den vielschichtigen Blick auf das menschliche Denken, mit dem beispielsweise Maupassant, Tolstoi oder Balzac aufwarten. Trotzdem ist das Buch eine sehr empfehlenswerte und genussvolle Lektüre.
Buchinformation: Manon Lescaut • Abbé Prévost • Manesse Verlag • 384 Seiten • ISBN 9783717522980
Ah, „Manon Lescaut“. Diesem Buch begegnet man auf Blogs eher selten. Ich habe das Buch damals tatsächlich nach der „Kameliendame“ gelesen und bin auch durch Dumas auf das Buch aufmerksam geworden.
Ich habe eben geschaut, ob ich eine Rezension verfasst habe – leider nicht! Ich meine mich aber zu erinnern, dass ich es ganz gut fand, es mir aber nicht so gefallen hat, wie „Die Kameliendame“. Es war wohl ein Fehler, zwei sehr ähnliche Bücher hintereinander zu lesen, da konnte das zweite Buch nur schwächer abschneiden.
Achja: an die sehr gefühlslastigen Männer musste ich mich erst noch gewöhnen, aber dank der vielen Klassiker, bin ich sie mittlerweile gewohnt. 😀
Liebe Jenny,
„Die Kameliendame“ ist natürlich ein premium Buch, da kommen andere Bücher recht schwer ran. Wenn man aber bedenkt, dass „Manon Lescaut“ wesentlich früher geschrieben wurde, ist es schon ganz schön seiner Zeit voraus. Aber da gebe ich dir recht, mit Dumas kann das Buch nicht mithalten. Und die emotionalen Männer sind schon klasse, das macht die Bücher auch aus. Die Franzosen haben einfach irgendwie immer 100% gegeben und das ist natürlich die Würze bei solchen Liebesgeschichten. Ein bisschen verlieben ist da nicht 😉
Liebe Grüße
Tobi