Die Prinzessin von Clèves • Madame de La Fayette

Vor einiger Zeit habe ich versucht, von ChatGPT einen guten Buchtipp zu bekommen (hier nachzulesen). Nachdem ich es mit zahlreichen Fragen probiert habe, ist am Ende nur ein einziger brauchbarer Tipp heraus gekommen und zwar Die Prinzessin von Cléves von Madame de La Fayette. Allerdings war auch das kein echter Tipp, denn auf das Buch bin ich im Programm des Manesse-Verlags schon mehrfach gestoßen. ChatGPT hat es also sozusagen nur nochmal neu beworben und ich habe mich dazu hinreißen lassen, mir das Buch zu holen. Was erwartet den Leser bei diesem handverlesenen KI-verlesenen Roman? Findet es mit mir heraus.

Die Prinzessin von Clèves spielt am französischen Hof von Heinrich II, ist von der Handlung also im 16. Jahrhundert angesiedelt. Die Geschichte handelt von Mademoiselle de Chartres, die von ihrer Mutter, wie damals üblich, früh verheiratet wird, sich dann aber in einen Herzog verliebt. Diese Liebe wird erwidert und so kommt es zu einem Ringen zwischen Vernunft und Gefühl.

Wie für die französischen Autoren üblich, habe ich mich auf ordentlich viel Leidenschaft und starken Gefühlen eingestellt und wurde auch nicht enttäuscht. Wenn es auch nicht so rasant zugeht, wie bei anderen Romanen aus französischer Feder, so ist es doch beachtlich, sieht man den Roman im Kontext seiner Entstehungszeit. Der Roman spielt in aristokratischen Kreisen und so beginnt La Fayette den Roman, indem sie die zahlreichen verschiedenen adeligen Akteure einführt. Das ist Eingangs etwas unübersichtlich, im Verlauf lichtet sich das aber sehr schnell. Der Leser bekommt einen groben Einblick, wie es damals zuging und wie es zur Verheiratung der Prinzessin kommt. Ebenso wird dann das Verlieben der Protagonistin und das Hin und Her mit dem Herzog sehr schön beschrieben. La Fayette gibt einen sehr schönen psychologischen Blick auf die Gedankenwelt der Protagonisten und als Leser fühlt man sehr gut mit den Figuren mit und die Gedanken und Handlungen sind gut nachvollziehbar.

Das Besondere an dem Buch ist die Entstehungszeit. Ich dachte zuerst, dass es im 19. Jahrhundert entstand, aber tatsächlich erschien das Buch 1678. Zuerst anonym und es wurden damals zahlreiche Verfasser hinter dem Text vermutet. Es wurde ein großer Erfolg und der Roman wurde damals auch sehr intensiv diskutiert. Er gilt als erster historischer Roman, einer der ersten psychologischen Romane und hatte einen großen literarischen Einfluss auf die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Darunter auch auf Werke wie Manon Lescaut oder Gefährliche Liebschaften. Und auch dieser Tage liest sich diese Geschichte sehr angenehm und hat nichts von ihrem Reiz verloren.

Marie-Madeleine de La Fayette wurde 1634 in Paris geboren und entstammte selbst adeligen Kreisen. Ihr Vater ermöglichte ihr Zugang zu den intellektuellen Kreisen von Paris und sorgte für eine hohe Bildung bei seiner Tochter. Ihrem Lebenslauf nach hatte sie durchaus ein bewegtes Leben und später sogar Zugang zum Hof von Ludwig XIV. Bereits 1659 war sie literarisch aktiv und verfasste mehrere Novellen. Die Prinzessin von Clèves ist ihr bekanntestes Werk, dass nun zu einem der besten Texte dieser Epoche zählt. Etwas von einer weiblichen Autorin zu lesen, hat mich besonders gefreut, denn gerade das 17. Jahrhundert war natürlich sehr von Männern dominiert.

Für mich kommt der Roman nicht an die großen Klassiker der 19. Jahrhunderts heran, aber das ist auch naheliegend und wenn man liest, dass selbst Stendhal von diesem Buch inspiriert war, dann ist klar, dass es ein Wegbereiter dieser zahlreichen wunderbaren Klassiker war. Vordergründig geht es um den Kampf zwischen der Vernunft, der Tugend, dem Glauben gegen die Neigungen der Liebe. In Bezug auf die Epoche der Aufklärung, in welcher das Buch entstand, birgt es aber auch ein weiteres zentrales Sujet: Es geht darum, ein Leben zu führen, das vom eigenen Willen bestimmt wird, dass vom Menschen selbst geformt, geprägt und bewusst gestaltet wird. Glaubt man dem Nachwort von Alexander Kluge, so kam im Zuge des aufsteigenden Bürgertums dieser Gedanke auch in Bevölkerungsschichten zum Tragen, die nicht dem Adel entstammten.

Wer das Buch zur Hand nimmt und zu lesen beginnt, der hat nicht das Gefühl, sich in ein Werk zu vertiefen, dass schon so viele Jahre alt ist. Das mag auch an der Übersetzung von Ferdinand Hardekopf aus dem Jahre 1957 liegen. Laut editorischer Notiz hat sich dessen Übersetzung, wie damals nicht unüblich, durchaus weit vom Original entfernt, was in dieser Ausgabe allerdings nochmal überarbeitet wurde. Vom Stil und dem Lesefluss unterscheidet es sich hinsichtlich seiner Lesbarkeit nicht maßgeblich von Klassikern, die ein- oder zweihundert Jahre später entstanden sind. Auch das ist bemerkenswert und spricht sehr für dieses Buch.

Zu der Ausgabe will ich gar nicht so viel schreiben. Es handelt sich um ein Buch aus der alten Manesse Bibliothek der Weltliteratur, es hat also den typischen roten Leineneinband, eine Fadenheftung, ein Lesebändchen, ist handlich und in der hervorragenden Qualität, wie man es von der Reihe kennt. Das Nachwort von Alexander Kluge fand ich eher von mäßiger Qualität. Es hat einige interessante Gedanken, ist aber zu schwurbelig und abgehoben und geht nicht ausreichend auf die Autorin und den Hintergrund des Romans ein.

Fazit: Eine Liebesgeschichte, die am französischen Hof des 16. Jahrhunderts spielt und bereits 1678 von einer französischen Aristokratin geschrieben wurde, in der Premium-Klassikerreihe des Manesse Verlags erschienen ist und das mir dazu von einer künstlichen Intelligenz empfohlen wurde. Was soll da schief gehen? Nichts, gar nichts, denn der Roman ist wunderbar, ein Genuss zu lesen, kommt mit dem Esprit und der Leidenschaft, die allen französischen Autoren der letzten Jahrhunderte zu eigen ist. Wer eintauchen möchte, in die alte Welt des Adels, der Liebschaften, Intrigen und Schönheit, der wird dieses Buch lieben. Auch nach 350 Jahren ein Buch, das noch sehr lesenswert ist. Und in der Ausgabe vom Manesse Verlag bekommt der Leser ein schönes und handliches Buch, das in jeder Hinsicht sehr empfehlenswert ist.

Buchinformation: Die Prinzessin von Clèves • Madame de La Fayette • Manesse Verlag • 365 Seiten • ISBN 9783717522249

1 Kommentar

  1. Hallo Tobi,

    das Buch klingt lesenswert.
    Ich lese gerade Frauen und Töchter von Elizabeth Gaskell, was mir sehr gefällt.
    Vielleicht ist das ja auch was für dich. 🙂

    Liebe Grüße
    Petra

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