Das Buch der Abenteuer • Elinor Mordaunt

Jedes Jahr freue ich mich auf den mare Klassiker und bin gespannt, was mich erwartet, denn die Reihe besteht aus ganz unterschiedlichen Büchern. Das reicht von klassischen Romanen über Tagebücher und Novellen bis hin zu Gedichten. Diesmal ist es ein Reisebericht, wovon es mit Von Ozean zu Ozean, Unterwegs mit den Arglosen oder »Heute dreimal ins Polarmeer gefallen« schon einige sehr gelungene Ausgaben in dieser Reihe gibt. Die Autorin ist diesmal aber niemand von den sehr bekannten Schriftstellern, sondern war mir bisher völlig unbekannt. Der mare Verlag hat es einmal mehr geschafft, mich mit dem Buch zu überraschen.

Das Buch der Abenteuer handelt von Elinor Mordaunts Reise, die sie von London aus über den Panamkanal nach Tahiti, nach Samoa, zu den Fidschi-Inseln und dann schließlich nach Sydney führt. Dabei erkundet sie besonders die Insel Atolle und verbringt viel Zeit auf Tahiti, beschreibt aber auch, wie sie die einzelnen Inseln erreicht, was mitunter tatsächlich sehr abenteuerlich sind, wenn sie sogar auf einem kleinen und schäbigen Schiff anheuert, um ihre gewünschten Reiseroute folgen zu können. Oder wenn sie im strömenden Regen abgelegene Eingeborenen-Dörfer der Inseln besucht. Es ist also alles andere, als eine entspannte Tourismustour mit maximalen Komfort und Mordaunt erwähnt auch immer wieder, dass ihr Geld nicht unbegrenzt zur Verfügung steht.

Mich hat das Buch sehr an Deephaven erinnert, das einen ganz ähnlichen Ton hat und Mordaunt schreibt mit einem angenehm leichten und lebhaften Stil, mit viel Esprit und Weltoffenheit über all die Dinge, die sie sieht und entdeckt. Man spürt einfach wie sie das Reisen liebt und ihre Beschreibungen sind einfach schön zu lesen. Besonders Farben hebt sie immer wieder hervor, aber auch die Düfte und das Meer, das wunderschöne weite Meer, fasst sie sehr schön in Worte. Und das in einer angenehm knappen Form und so haben die Kapitel ein angenehmes Tempo. Sie verharrt an schönen Orten, beschreibt bemerkenswerte Momente, springt aber dann auch rasch wieder weiter, zum nächsten Erlebnis. Mit 280 Seiten ist das Buch von seiner Länge perfekt gewählt.

Ich hätte von dieser frischen weltoffenen Art her vermutet, dass Mordaunt deutlich jünger war, als sie die Reise unternahm. Tatsächlich war sie schon über fünfzig Jahre alt, gesundheitlich schon ein wenig angeschlagen und hatte bereits einen erwachsenen Sohn. Die einzelnen Kapitel veröffentlichte sie zuerst in der Daily News (London) in mehreren fortlaufenden Artikeln. Das merkt man dem Buch an und sie erwähnt immer wieder, wo sie gerade sitzt und schreibt, was dem ganzen noch mehr Nähe gibt und mir richtig gut gefallen hat.

Mordaunt unternahm die Reise von 1923 bis 1925 und traf dabei also auf Inseln, die bereits erschlossen aber noch immer von vielen der ursprünglich dort lebenden Menschen bewohnt wurden. Die Häuptlinge, die sie dort also trifft, sind keine unzivilisierten Wilden, transportieren aber dennoch noch sehr viel, von ihrer traditionellen Lebensweise. Was mich überrascht hat, ist eine alleine reisende Frau, die sich unerschrocken frei bewegt hat, was auf mich sehr modern gewirkt hat und sich eher nicht nach den 20er Jahren angehört hat. Wie sie zwischen den ruppigen Seemännern, ohne zu jammern, sich den Widrigkeiten einer oft wenig komfortablen Reise ausgesetzt hat, das ist auch sehr unterhaltsam und zeugt von ihrer Liebe zum Reisen.

Evelyn May Clowes, wie Elinor Mordaunt mit echtem Namen hieß, wurde 1872 in England geboren. Ihr Leben war durchaus bewegt und 1898 heiratete sie und wanderte nach Mauritius aus. Nach zwei Fehlgeburten trennte sie sich schon sehr schnell wieder von ihrem Mann. Kurz darauf wanderte sie nach Australien aus und lebte in Melbourne, wo sie acht Jahre verbrachte und ihren Sohn bekam. Dort ging sie den verschiedensten Tätigkeiten nach. Sie nähte, entwarf Stoffe und Tapeten und schrieb. Kurzgeschichten und Artikel über Kochrezepte und Küchentipps. Später nahm sie dann eine gut bezahlte Stelle als Redakteurin einer Frauenzeitschrift an. 1908 kehrt sie nach England zurück und lebte vom Schreiben. Reiseberichte, Kinderbücher, Romane und Erzählbände. Damals wurden ihre Veröffentlichungen sehr viel gelesen und über die Jahre hatte sie über fünfzig Bücher veröffentlicht und wurde von heute sehr bekannten Autoren rezensiert (Virginia Woolf und Katherine Mansfield). Dieser Tage ist sie in Vergessenheit geraten und diese Ausgabe ist die einzige und erste Übersetzung ins Deutsche.

Dieses Buch ist für mich erneut ein Beispiel dafür, wie wichtig und wertvoll die Arbeit von Verlagen ist. Dieses Buch zu entdecken, neu zu übersetzen und in so schöner Form aufzubereiten, das ist eine Leistung, die man nicht genug würdigen kann. Die hunderttausendste Neuauflage von Jane Austen, ja das ist keine Kunst. Aber so einen verschollenen Schatz zu heben, das ist einfach eine Leistung. Natürlich passt das Buch wieder hervorragend in die mare Klassiker-Reihe, die sich über all die Jahre treu geblieben ist. Auch hier stößt der Leser auf das Meer, das überall ist, an jedem Fleck, an jeder Stelle und wenn die Autorin ihre Liebe und Sehnsucht für das Meer teilt, dann weiß ich, warum ich auch in Zukunft keinen der mare Klassiker auslassen möchte.

Erwähnen möchte ich auch die Übersetzung und das Nachwort von Alexander Pechmann, der bereits zahlreiche Bücher für den mare Verlag übertragen hat. Und auch in diesem Buch bekommt der Leser eine hervorragende Qualität. Richtig gut hat mir das Nachwort gefallen, genau so und nicht anders soll ein Nachwort sein. Kurz und knapp fasst es hervorragend und informativ zusammen, was es über die Autorin zu sagen gibt und geht auf alle offenen Fragen ein, die sich mir beim Lesen gestellt haben (z.B. dass eben eine Frau in den 20er Jahren so alleine reist). Wirklich top.

Die Ausgabe selbst hat die übliche mare Klassiker Qualität, die richtig gut ist. Mit Leineneinband, Lesebändchen und sehr hochwertigem Papier. In das Vorsatz- und Nachsatzpapier ist eine Karte von der Reiseroute gedruckt, die farblich sehr stimmig ist, schön aussieht und anhand der ich mich auch immer wieder orientiert habe. Das Buch hat auch eine Fadenheftung, die bei meiner Ausgabe nicht ganz so sauber gearbeitet ist, was für mich nach einem Einzelfall aussieht. Und trotz dieser kleinen Macke ist es stabiler und hochwertiger als so manch andere Bücher. Es ist einfach ein schönes Buch, mit all seinen Details, von den Farben, der Verarbeitung, der Abbildung auf dem Einband bis hin zur Typographie.

Fazit: Für mich fällt ist dieser Reisebericht in die Kategorie mentaler Urlaub. Besonders wenn man im Spätsommer auf der Terrasse sitzt, die Sonne genießt und einem eine schwache Brise umweht, was bei meiner Lektüre der Fall war, dann kann man einfach voll versinken, in die Erzählungen von schönen Südseeinseln, von der Harmonie, den prächtigen Farben, den angenehmen Düften und dem unendlich weiten Meer. Die Kapitel haben ein angenehmes Tempo, sind abwechslungsreich und insgesamt ist es kurzweilig genug, so dass es nie langweilig wird. Wenn die Autorin berichtet, wie sie auf einem schäbigen Schoner anheuert, wenn sie von den verschiedenen Begegnungen mit dein Einheimischen berichtet, oder auch Richtung Ende, wo sie eine Geschichte eines Schiffbruchs nacherzählt, die sie von einem anderen Seemann aufgeschnappt hat, dann ist das ein Vergnügen zu lesen. Die erfrischende und weltoffene Art von Mordaunt, ihre Erlebnisse wiederzugeben, hat mir sehr gut gefallen und die Aufmachung von dem Buch ist ebenfalls wieder perfekt und lässt keine Wünsche offen. Wem das Fernweh packt, gerade in den kommenden dunklen Herbst- und Wintermonaten, für den ist das Buch einfach perfekt geeignet.

Buchinformation: Das Buch der Abenteuer • Elinor Mordaunt • mare Verlag • 288 Seiten • ISBN 9783866486652

5 Kommentare

  1. Danke für den Tipp, das ist ein Buch für mich.
    In den 1920er-Jahren gab es für viele Frauen Freiheiten, die sie vorher nicht hatten. Die Männer waren im Ersten Weltkrieg, so haben sich viele Frauen emanzipiert.
    Leider hat sich das nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wiederholt, da mussten die Frauen dann erst mal wieder an den Herd zurück, bevor sie sich ihre Freiheiten erkämpften.

    Liebe Grüße,
    Anne-Marit

    1. Liebe Anne-Marit,

      tatsächlich war ich überrascht, wie Elinor sich so frei bewegt hat. Besonders auch auf engsten Raum zwischen ruppigen Seeleuten. Aber es ist auch irgendwie schön zu lesen, dass das schon in den 20ern so möglich war.

      Super, dass ich Dich auf ein schönes neues Buch gebracht habe. Es ist auch wirklich sehr lesenswert.

      Liebe Grüße und lieben Dank für Deinen Kommentar
      Tobi

  2. Hallo Tobias,

    mit deiner Rezension hast du mir richtig Lust auf das Buch gemacht. Es sieht nicht nur toll aus, sondern klingt auch wirklich interessant. Ich reise selbst sehr gerne, weshalb dieser Reisebericht einer Frau mich noch mehr interessiert.

    Generell klingt diese Reihe aus dem Mare Verlag vielversprechend, auch hier werde ich mal ein Auge drauf werfen.

    Liebe Grüße,
    Sandra

    1. Liebe Sandra,

      sehr schön, dass ich Dich auf das Buch aufmerksam machen konnte. Also wenn Du selbst gerne reist, dann ist es das perfekte Buch für lange Winterabende. Ich finde ja, dass Inseln immer ihren ganz eigenen Reiz haben und auch das findet man in dem Buch sehr schön. Also zögere nicht, Dir das Buch zu holen, das ist einfach ein wunderbarer Geheimtipp.

      Liebe Grüße
      Tobi

  3. Danke für den Buchtipp! Eine Empfehlung von mir für Freundinnen dieses Genres: Gerade lese ich noch an der Reisetrilogie von Alma Karlin, einer deutschsprachigen Autorin, die alleine eine Weltreise von 1919-1927 unternahm, die von ihrer Heimat im heutigen Slowenien über Mittel- und Südamerika nach Japan, China, Philippinen, die Pazifischen Inseln, Java, Burma, Malaysia, und Indien führte. Eine erstaunliche Frau, klein, zwischen zierlich und völlig abgemagert durch Hunger und Tropenkrankheiten, aber mit unbändigem Willen ausgestattet.
    Bin über das Projekt Gutenberg auf die Autorin gestoßen, die Bände sind aber auch als Neudrucke und antiquarisch verfügbar.

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