Kulinarische Entdeckungen

Als Bücherwurm hat man das Privileg sehr viel in der Welt herum zu kommen, während man entspannt im heimatlichen Lesesessel lümmelt. Da findet man sich plötzlich an ganz verschiedenen Flecken dieser Welt wieder, zumeist irgendwo in der Vergangenheit und unweigerlich landet man da auch an dem ein oder anderen reich gedeckten Tisch. Denn Speis und Trank beschäftigen die Menschen nicht erst seit regelmäßig Kochsendungen durchs TV Programm gepeitscht werden und waren schon immer ein großes Thema. So auch in der Literatur. Von einer kleinen Köstlichkeit will ich in diesem Beitrag berichten.

Neben den von mir viel und hoch gelobten französischen Autoren liebe ich auch die russischen Autoren und ihre Werke, die irgendwie anders sind. Mir gefällt das ganz fremde Russland vergangener Zeiten, mit seinen ganz eigenen Sitten und Gesellschaftsformen. Zusammen mit Pawel Iwanowitsch Tschitschikow die russische Provinz zu erkunden ist schon ein ganz besonderes Vergnügen. Man erfährt dabei eine Menge über die zum Teil klischeehaft anmutenden Russen, die sich zur Begrüßung küssen, sehr ruppig sind und erst einmal einen Humpen Wodka weg zwirbeln, aber auch einiges über die Kultur, die Organisation der Gutshöfe und die wunderschöne weite Landschaft. Oder auch über die Trägheit, die dem ein oder anderen Russen inne wohnt und am Leben und Lieben, aber nicht am Schlemmen hindert.

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Eine Speise, über die ich immer wieder gestolpert bin, sind Piroggen. Und wenn in den Büchern geschmaust wird, dann bekommt man irgendwann selbst Lust auf ein reichhaltiges Mahle. Irgendwann bin ich dann in dem Kochbuch Die Welt in Lafers Küche wieder über Piroggen gestolpert und mich natürlich gleich an die vielen russischen Gelage erinnert und schnell war klar, was es bei uns zum Essen geben muss.

Eine Pirogge ist eine aus Hefeteig bestehende Teigtasche, die mit einem Gemisch aus Hackfleisch, Speck, Salz und Pfeffer gefüllt ist. In meinen Büchern gab es zahlreiche Variationen und unterschiedliche Füllungen, denn da war die ganze Kreativität einer straff geführten Küche von Gutsgehöften am Werke. Aber zum Probieren ist natürlich auch die übliche Füllung schon sehr köstlich. Die Zubereitung nimmt etwas Zeit in Anspruch, weil zuerst der Teig angerührt, die Teigtaschen geformt und dann gefüllt werden müssen. Also nichts für die 20-Minuten-nach-Feierabend-Küche. Aber sie sind den Aufwand wert, denn Piroggen sind einfach lecker. Man kann sie auch noch gut am nächsten Tag kalt essen. Auf jeden Fall ein wunderbarer Tipp, auf den ich ohne meine Bücher wohl nicht gestoßen wäre, obwohl Piroggen nun kein exotisches Gericht sind und eben sogar in aktuellen Kochbücher zu finden sind.

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Spannend finde ich auch Gerichte, die es gar nicht mehr gibt. Ich glaube das war auch bei Tote Seelen von Gogol, wo die Übersetzerin dann im Nachwort erklärt hat, was für ein Gericht das ungefähr war, es aber nicht so richtig übersetzen konnte, weil es das gar nicht mehr gibt. Wirklich tragisch ist das nicht, denn wenn ich unsere Berge von Kochbücher anschaue, dann wird es schon schwierig all das durch zu kochen.

An dem einen Ende sind gewöhnliche Bücher, in denen Gerichte erwähnt werden oder die das Kochen eng in ihre Geschichte verflochten haben. Da fällt mir Das Festmahl des John Saturnall von Lawerence Norfolk ein, wo es einen jungen, talentierten Koch in die Küche eines Gutshauses verschlägt. Ein sehr schöner Roman, der den Betrieb, das Kochen und Verarbeiten von Lebensmittel im 17. Jahrhundert sehr unterhaltsam vermittelt und fast mit den Sinnen greifbar zum Leben erweckt. Am anderen Ende sind Kochbücher, die natürlich nur Rezepte enthalten. Dazwischen gibt es aber auch Bücher, wie beispielsweise Heute koch ich morgen brat ich von Stevan Paul. Dort ist jedem Kapitel ein Märchen gewidmet und vorangestellt und darauf folgend einige passende Rezepte. Sehr inspirierend und für den Genieser auch schön einfach nur durchzublättern, denn aktuelle Kochbücher sind oft richtig schön gestaltet und mit sehr stimmungsvollen Fotos versehen.

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Auf jeden Fall gehört Kochen, Essen und Literatur zusammen, daran gibt es keinen Zweifel. Und auch wer kein Genieser ist oder ungern kocht, kann sich dem nur wenig entziehen, denn schmausen tun wir doch am Ende alle gerne.

Wie ist das bei euch? Habt ihr auch schon ein leckeres Gericht in einem Buch entdeckt? Habt ihr viele Kochbücher und wenn ja, was für eine Rolle spielen sie für euch? Welche Bücher rund ums Kochen und Essen könnt ihr empfehlen?

5 Kommentare

  1. Mein Mann kocht sehr gerne und wir haben bestimmt ein Dutzend Kochbücher hier, so viel kann man gar nicht kochen 😀 Ich selbst backe lieber und habe auch da ein paar schöne Bücher, u.a. eins noch von meiner Oma, bei dem man merkt, dass es aus Nachkriegszeiten stammt, weil Zutaten wie Eier und Butter immer sehr sparsam verwendet wurden.
    Ich stolpere beim Lesen sehr oft über schmackhaft klingende Gerichte und habe mir vorgenommen, sie jetzt ab und zu mal nachzukochen; so gerade erst geschehen, als ich in einem Liebesroman ständig von leckeren Erdnussbutterkeksen gelesen habe. Zack, nachgebacken und gleich verputzt 🙂

    1. Liebes Friedelchen,

      Kochbücher aus der Nachkriegszeit hört sich auch spannend an. Allerdings bin ich schon ein ziemlicher Bildertyp und Rezepte ohne Bild kann ich mir immer irgendwie nur schwer vorstellen. Außer eben aus einem schönen Roman, wenn das so lecker beschrieben wird. Aber schön zu lesen, dass es dir auch so geht, weil richtig viele leckere kulinarische Entdeckungen scheint es unter meinen Lesern sonst nicht zu geben 😉

      Liebe Grüße
      Tobi

  2. Lieber Tobi,
    deine Piroggen sehen zum Anbeißen aus! Ich liebe sie, habe sie zum ersten Mal gegessen, als ich eine Freundin in Helsinki besuchte. Aber zum Selbermachen war ich bislang zu bequem … Vielleicht ändert sich das ja jetzt ; )
    Über Bücher & Kochen habe ich mal vor ein paar Jahren einen Beitrag gepostet (auch mit Rezept), darin findest du ein paar Bücher, die eine sehr enge Verbindung zwischen Lesen & Essen herstellen, wenn du schauen möchtest: https://phileablog.wordpress.com/2012/07/26/kuchengeschichten/
    Eine Rezeptfundgrube ist natürlich Simmels Es muss nicht immer Kaviar sein, las ich vor Jahrzehnten, mit Genuss sozusagen. Wenn ich auch wahrscheinlich nie davon etwas nachgekocht habe, so habe ich das Buch doch antiquarisch erworben, weil ich dachte, dass ich vielleicht eines Tages doch mal daraus kochen würde. Seit Wassili und ich auf mjamjams.com über mediterranes Essen bloggen, sind wir viel aufmerksamer geworden, was interessant klingende Rezepte angeht. Und wir kochen wieder abwechslungsreicher, weil wir die Bloggäste ja schlecht mit Bestell-Pizza abspeisen können ; )
    Liebe Grüße
    Petra

  3. Lieber Tobi,

    ein ganz toller Beispiel, der sehr schön verdeutlicht, dass Bücher nicht nur Seelenfutter sind. Eine Kollegin von mir, Hannah Dingeldein, forscht in der Literaturwissenschaft über Kulinaristik und wenn man mal den Blick für sowas hat, fallen einem gleich ganz viele Beispiele ein, in denen Essen, Trinken und Literatur und Handlung genial verknüpft sind. Tatsächlich ist Speis und Trank mittlerweile auch in der Literaturwissenschaft deutlich angekommen.
    Und diese sinnliche Wahrnehmungsebene finde ich bei Literatur wirklich wichtig. Das erzeugt einfach Atmosphäre. Günter Grass beispielsweise hat das immer ganz toll gemacht, mit Gerüchen, die auch öfter mal über das Angenehme hinaus gehen, aber gerade dadurch so realistisch erscheinen. Oder noch ganz frisch dabei ist Goddess of Poison von Melinda Salisbury, bei der die jeweiligen Gerichte für Sünden stehen, die nach dem Tod verspeist werden müssen, damit die Seele Ruhe findet. Ein Buch, dass Literatur und Kulinarisches toll Kombiniert ist außerdem Isabell Allendes „Aphrodite“. Darin stellt die Autorin Geschichten und Erzählungen neben Gerichte, denen eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt wird. Einige Speisen davon sind zwar nicht unbedingt jedermanns Sache, aber Interessant ist es allemal.

    LG
    Eva

    1. Liebe Eva,

      herzlichen Dank für deine Antwort und die schönen Tipps. Ich glaub auch, dass ich echt viele Stellen überlese, wo Speis und Trank doch eine nicht unwichtige Rolle spielen. Oft nimmt man solche Elemente ja nur unbewusst war, wenn sich das Bild einer Szene vor dem eigenen Auge aufbaut. Aber dass das als Thema in der Literaturwissenschaft was ist, finde ich interessant.

      Ich überlege gerade, in welchen Büchern die Sinneswahrnehmung zur Erzeugung von Atmosphäre eingesetzt wird und mir fallen da nur ein paar wenige ein. Ich glaube darauf muss ich in Zukunft mal genauer achten. Sie zum Inhalt einer Geschichte zu machen, ist ja beispielsweise bei dem oben erwähnten John Saturnall der Fall. „Aphrodite“ hört sich nicht schlecht an, also das kommt mal auf die Wunschliste.

      Liebe Grüße
      Tobi

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