Winnetou, Pippi Langstrumpf, Vom Winde verweht: Über die Frage ob man diese anrüchigen Bücher noch lesen darf

In den letzten Tagen wird wieder ein neues Bücherthema in der Medienwelt diskutiert und nachdem es die alten Klassiker betrifft, will ich versuchen ein bisschen darüber zu schreiben. Immerhin erhitzt es die Gemüter und ich habe den Verdacht, dass es hier ein wenig differenziertes Bild von der alten Literatur gibt. Die Diskussion kurz zusammengefasst: Der Ravensburger-Verlag hat ein Buch zu einer neuen Geschichte und Verfilmung von Karl Mays Winnetou vom Markt genommen. Es wurde Kritik im Netz laut, dass darin „rassistische Stereotype“ wiedergegeben werden und dass hier ein „romantisierendes Bild mit vielen Klischees“ vor dem Hintergrund der Unterdrückung indigener Bevölkerungen gezeichnet wird. Auf die Fragestellung, ob die alten Klassiker rassistisch sind, bin ich in den letzten Jahren immer wieder gestoßen und möchte die Frage hier genauer betrachten.

Von Karl May habe ich Winnetou bisher noch nicht gelesen, allerdings seine Reiseerzählungen. Das sind schon ganz nette Abenteuergeschichten, aber auch ordentliche Räuberpistolen. Auf jeden Fall ist es sehr flache Literatur, aber eben immer schön spannend und unterhaltsam. Die Erzählungen habe ich so überhaupt nicht als rassistisch in Erinnerung. Klischeehaft sicher ein wenig, aber das ist auch dem Thema geschuldet. Karl May wollte seine Leser ja an die Schauplätze entführen und wie will man über den Wilden Westen schreiben, wenn die Indianer und Cowboys fehlen? Wenn ich an seine Geschichten aus dem Orient denke, dann würde ich nicht sagen, dass er ein einseitiges Bild gezeichnet hat. Da waren wilde Räuber-Banditen-Scheichs dabei, aber es gab auch unter den fremden Bevölkerungsgruppen aufrichtige und gute Menschen. So wie man liest, war Karl May auch ein Gegner des Kolonialismus in der wilhelminischen Kaiserzeit. In seinen Büchern habe ich bisher keinen offenen Rassismus entdecken können. Aber auch zwischen den Zeilen habe ich diesen nicht gefunden. Es sind einfach Abenteuergeschichten, nicht mehr und nicht weniger. Wer diese Geschichten seinen Kindern vorliest vermittelt damit ganz sicher kein rassistisches Weltbild.

Ich habe auch immer den Eindruck, dass die Wirkung von Bücher auf Kinder deutlich überschätzt wird. Leo Lausemaus stand beispielsweise in der Kritik, das alte Lebensmodell, mit dem arbeitenden Vater und der Mutter als Hausfrau, den Kindern als Norm verkaufen zu wollen und zahlreiche Mütter haben Leo Lausemaus boykottiert. Völliger Käse. Klar, da ist der Vater der Ernährer der Familie und die Mutter ist immer Zuhause. Wenn ich aber daran denke, was ich meinen Kindern für eine Masse an Büchern vorgelesen habe, dann geht dieses Weltbild in diesen zahlreichen unterschiedlichen Geschichten völlig verloren. Zudem ist bei Leo Lausemaus der Fokus komplett auf die Alltagsprobleme gerichtet und ich vermute, dass kein Kind diese Rollenverteilung der Eltern überhaupt im Ansatz wahrnimmt. Das Weltbild der Kinder wird durch all die Eindrücke geprägt, die durch das gesamte Leben mit seinem breit gefächerten Netzwerk an Einflüssen vermittelt wird. Da ist der Medienkonsum in seiner Gesamtheit, da sind Kinofilme, Hörspiele, später auch Games, da ist das soziale Umfeld, das was in der Schule vermittelt wird, das was die Eltern vorleben, die Großeltern, da ist der gesellschaftliche Umgang im Sportverein, da ist so viel, dass eine einzelne gelesene Geschichte sicher nicht das Kind für immer versaut, besonders dann nicht, wenn darin kaum wahrnehmbare rassistische Elemente zu finden wären.

Die aktuell geführte Diskussion gab es ja schon öfters. Ich kann mich erinnern, wie der Oetinger-Verlag aus dem „Negerkönig“ in Pippi Langstrumpf einen „Südseekönig“ gemacht hat. Bei so einem Feinschliff bin ich sehr entspannt. Das kann ich durchaus nachvollziehen, da es sich ja um eine Übersetzung handelt und diese werden immer wieder dem aktuellen kulturellen Rahmen angepasst. Besonders deutlich wird das bei dem Buch Der Niemand von der »Narcissus« von Joseph Conrad. Ursprünglich veröffentlichte der Autor das Buch unter den Titel The Nigger of the „Narcissus“. Ich kann verstehen, dass der Verlag hier ein anderes Wort verwendet, da es mittlerweile eine völlig andere Konnotation hat, als zu der Zeit, als das Buch geschrieben wurde. Zumal Conrad es unter dem Einfluss seiner langen Zeit als Seefahrer geschrieben hat. Das ist ähnlich wie das dieser Tage verwendete Wort „Kanake“, das innerhalb gewisser soziokulturellen Gruppierungen eine völlig legitime und akzeptierte, wenn auch etwas spitze Anrede ist. Bei der Übersetzung von Der Niemand von der »Narcissus« fand ich es also nachvollziehbar, dass das Wort „Nigger“ durch „Niemand“ ersetzt wurde und der Verlag hat es auch völlig transparent gemacht und alle Stellen im Text markiert, in denen diese Ersetzung vorgenommen wurde. Was mir hier sehr wichtig ist, das ist der Umgang mit dem Leser. Die Tatsache, dass der Leser respektiert wird und über die Anpassung und den tatsächlichen Text informiert wird ist einfach extrem wichtig.

Ein anderes Buch, das auch immer wieder als rassistisch bezeichnet wird, ist Vom Winde verweht von Margaret Mitchell. Oberflächlich betrachtet, wird es als Liebesgeschichte vermarktet, besonders geprägt durch die Verfilmung, aber ich liebe das Buch und für mich ist es ein Meisterwerk mit der Tiefe von Krieg und Frieden. Es ist ein Buch über den Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten, es ist eine Charakterstudie und es zeigt den Wandel der Südstaaten, weg von der schrecklichen Sklaverei. Der ursprünglichen Übersetzung des Buches wird vorgeworfen zu romantisierend zu sein, besonders was die alte aristokratische Gesellschaft der Südstaaten vor dem Sezessionskrieg betrifft. Daher erschien vor zwei Jahren eine Neuübersetzung von Andreas Nohl, die versucht, den eher nüchternen und sachlichen Stil der Autorin zu vermitteln und das Buch von eben genau diesen romantisierten rassistischen Passagen zu befreien. Scheinbar ist der Übersetzer aber auch an zahlreichen Stellen ordentlich über das Ziel hinaus geschossen und hat doch zu sehr geglättet. Einige Beispiele sind unter anderem in einem sehr interessanten Beitrag der NZZ zu finden. Das ist natürlich eine echte Gratwanderung, wie bei jeder Übersetzung und es geht auch immer etwas vom Original verloren und es kommt etwas vom Übersetzer hinzu. Aufgrund dieser Übertreibung habe ich auch auf das Buch verzichtet, da mir das deutlich zu weit geht. Für mich stellt sich da aber eine andere Frage: Wenn jemand zu diesem alten Klassiker greift, wenn jemand dieses Buch liest und sich der Lektüre hingibt, kann man ihm dann nicht zutrauen, dass er selbst differenziert? Meine Ausgabe ist aus den 50er Jahren, die Übersetzung ist vermutlich deutlich älter. Na klar weiß ich, was ich hier in der Hand habe, natürlich bewerte ich beim Lesen, als mündiger Leser, dass das Buch aus einer anderen Zeit kommt, genau so wie ich Balzacs Bücher liebe und bei seinen theistischen und mystischen Ausführungen nur den Kopf schütteln kann. Radikalisiert mich das Buch? Ganz sicher nicht. Das Problem ist doch: Wieso spricht man seinen Mitmenschen das Urteilsvermögen ab? Warum hält man seinen Nachbarn für einen Vollidioten, der unbedingt bevormundet werden muss? Liegt unter dem ideologisch vorgeschobenen Problem vielleicht nicht eher ein Psychologisches? Wird es hier mit der typischen deutschen Besserwisserei nicht auf die Spitze getrieben, so wie das auch auf der politischen Bühne praktisch täglich passiert?

Für mich gibt es einen Wert hier in Deutschland, der mir extrem wichtig ist. Viel wichtiger als die Frage, ob nun ein Buch rassistisch ist, ein anderes politisch unkorrekt ist, oder ob man ein Buch nicht lesen sollte, weil der Autor ja ein Rassist war, selbst wenn sein Werk davon unberührt ist. Was ich hierzulande so sehr schätze, das ist die Möglichkeit jedes Buch lesen zu können. Das ist der Zugang zu jeglicher Literatur und zwar ohne Zensur oder Einschränkung. Ich habe schon verschiedenste Bücher gelesen, auch solche, bei denen für mich von vornherein klar war, dass ich mit dem Inhalt nicht konform bin. Gerade solche Bücher muss man lesen. Ich habe auch sogenannte neue rechte Literatur gelesen. Und ich überlege schon länger auch Mein Kampf von Adolf Hitler mal zu lesen. Es gibt ja die kommentierte Fassung, aber interessant ist eigentlich die ursprüngliche Ausgabe. Einfach aus Neugierde, um wirklich selbst zu wissen, was zu diesem Alptraum geführt hat. Bin ich deshalb ein Rassist, ein Nazi oder bin ich ein Gegner jeglicher Frauenrechte, wenn ich einen alten Klassiker aus dem 19. Jahrhundert lese? Natürlich nicht. Ich glaube auch, wer viel liest und in so vielen Büchern von so vielen unterschiedlichen Autoren abgetaucht ist, dem ist es doch unmöglich wirklich ein Rassist zu sein oder sich einer anderen einseitigen Betrachtung hinzugeben. Hat er doch mit so vielen Menschen gefühlt, hat er doch in so vielen Leben das erblickt, was doch jeder für sich erstreben möchte und damit gesehen, dass doch alle gleich darin sind, auf der Suche nach dem eigenen Glück? Jemand der in seiner Kindheit eine Geschichte gelesen hat, von der Freundschaft zwischen einer Rothaut und einem Bleichgesicht, wer mit beiden Figuren gefiebert hat, sich in beide eingefühlt hat, wird daraus dann ein rassistisch denkender Mensch? Die Freiheit all das zu lesen, das ist so wertvoll und aus dieser Perspektive ist eine Selbstzensur, die einige Verlage und auch Leser betreiben, der wirkliche Skandal.

Wie seht ihr diese Diskussion? Lest ihr noch Winnetou oder habt ihr die Bücher schon aus euren Regalen verbannt? Zu welchen Büchern würdet ihr nie greifen? Wie nehmt ihr diese Diskussion wahr?

Update 25.08.2022: Ich hatte ursprünglich von einer Neuauflage geschrieben, bei den zurückgezogenen Büchern handelt es sich aber um eine Neuadaption, ebenso wie der zugrundeliegenden Verfilmung. Ich habe das im Beitrag korrigiert. Die mediale Diskussion hat sich allerdings mittlerweile auf Karl Mays Original ausgeweitet und das Thema kommt auch für Klassiker immer wieder auf. Das, was ich hier darüber schreibe und ursprünglich geschrieben habe, berührt das also nicht.

32 Kommentare

  1. Hi Tobi,

    ich habe kürzlich auch darüber geschrieben, weil mich die Angelegenheit irgendwie aufregt, schließlich reden wir hier von Abenteuer – und Jugendliteratur vergangener Zeiten und nicht von irgendwelchen zeitgenössischen Pamphleten aus dem Verlag von Götz Kubitschek.

    Zunächst mal sollte man Bücher immer auch im Kontext der Zeit ihrer Entstehung betrachten und idealerweise auch dazu willens und in der Lage sein. Darüber hinaus ist auch der Autor dahinter zu berücksichtigen. Kurz gesagt: Es sollte immer auch eine Auseinandersetzung mit Lektüre stattfinden, die über die bloße inhaltliche Komponente hinausgeht. Diese Auseinandersetzung kann aber eben nicht stattfinden, wenn eine kleine Gruppe Berufsempörter sich regelmäßig berufen fühlt, einzelne bei ihnen in Ungnade gefallene Werke aus dem literarischen Gedächtnis streichen zu wollen. Außerdem: Literatur darf und muss auch immer mal irgendwie anecken können, muss auch mal Widerspruch erzeugen. Kürzlich hat das beispielsweise bei mir Juli Zeh mit „Über Menschen“ geschafft, mit dessen Aussage ich überhaupt nichts anfangen kann, das ich aber dennoch für ein gelungenes Buch halte. Vielleicht auch gerade deswegen.

    Darüber hinaus stört mich, dass die Diskussion häufig nicht von denen geführt wird, die es betrifft, sondern von anderen, die sich berufen fühlen, für die Betroffenen sprechen und für sie einordnen zu dürfen, wovon sich diese nun bitte beleidigt zu fühlen haben. Zugegeben, es gab auch kritische Stimmen von amerikanischen Ureinwohnern in Deutschland, inwieweit die für die Mehrheit sprechen, sei aber auch mal dahingestellt.

    Und letztlich geht mir dieser ganze Käse mit dem im Zusammenhang mit dem Film zu dem Ravensburger Buch geäußerten Vorwurf der kulturellen Aneignung auf die Nerven. Würden die Verfechter dieses Konzept eben dieses Konzept mal konsequent zu Ende denken, würden sie hoffentlich bemerken, wie exkludierend es ist.

    In meiner Wahrhehmung geht der Trend irgendwie dazu, nicht mehr über Dinge zu sprechen, mit denen man Schwierigkeiten hat, sondern sofort plakativ „Das muss weg!“ zu fordern. Schwierige Entwicklung …

    Liebe Grüße

    Frank

  2. Servus,
    schöner Beitrag.
    Ich halte es für sinnvoll in den Büchern der Vergangenheit noch zu Gendern. Am besten fangen wir mit Goethes Faust an.
    Letztlich sind die Bücher Zeugen Ihrer Zeit, wie auch die Änderungen welche vorgenommen werden. Was die Kinder betrifft bin ich ebenfalls bei Dir. Die Elitepädagogen sind auch kleine Lobbyisten und möchten Gehör finden.

    LG

  3. Dem Autor und den Kommentatoren zum Geleit: Man könnte zumindest mal den entsprechenden Wikipedia-Artikel zu Rate ziehen, bevor man ansonsten seine Meinung faktenbefreit kundtut.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Indianerbild_im_deutschen_Sprachraum

    Von mündigen Bürgern zu sprechen in einer Zeit, die sich dadurch auszeichnet, dass FakeNews, Lügen und Rassismus in breiten Teilen der Bevölkerung völlig in Ordnung sind, ist auch irgendwie befremdlich.

    Vielleicht sollte man nicht von seinem eigenen aufgeklärten bürgerlich-liberalen oder hier ja offensichtlich auch konservativen Weltbild ausgehen und auch ein wenig die Erkenntnisse von Wissenschaftler*innen mit einbeziehen.

    1. Also, daraus – aus deinem Kommentar, nicht aus dem Wikipedia-Artikel – entnehme ich jetzt allenfalls eine Diskreditierung des Gegenübers, dem man Ahnungslosigkeit, Faktenbefreitheit, bestimmte Weltbilder oder auch wahlweise Whity Fragility unterstellt, und allgemein den Beweis, wie solche Diskussionen – unabhängig vom Thema und sicherlich immer auch von beiden Seiten – heute geführt werden, ich entnehme daraus aber nicht ein valides Argument oder auch nur die Bereitschaft zum Diskurs.

      Dass das Bild der Deutschen von der indigenen Bevölkerung Amerikas voll von Stereotypen ist, bestreitet doch überhaupt niemand. Das Bild der Deutschen von den Franzosen allerdings auch. Oder das der US-Amerikaner von den Deutschen, die man dort wohl primär als in Lederhosen gewandet und Bier trinkend betrachtet. Dass der Fall hier natürlich ein wenig anders liegt, ist mir auch klar.

      Ob es Vorurteile und Stereotype gibt, ist also überhaupt nicht die Frage. Die Frage ist doch viel mehr die, wie man nun mit Literatur umgehen sollte, die solche Stereotype bedient!?

      Im Falle von heutiger, sprich zeitgenössischer Literatur, könnte man den Ursachen dafür auf den Grund gehen, falls ein Buch Stereotype enthält. Unwissenheit der Autorin bzw. des Autors? Dann kann man darüber diskutieren, auf Fehler hinweisen und diese gegebenenfalls aus der Welt schaffen.

      Vielleicht sind die enthaltenen Stereotype aber auch Absicht, vielleicht sind sie als Stilmittel verwendete Vorurteile, die im Laufe der Handlung, beispielsweise als Erkenntnisgewinn der Hauptfigur ausgehebelt werden. Dann ist dem wenig entgegenzusetzen, wie ich finde. Es gibt ja immer noch das Grundrecht der Kunstfreiheit, auch wenn es augenscheinlich Menschen gibt, die meinen, dass die weg kann.

      Man kann sein Werk allerdings auch Sensitivity Readern in die Hand geben, die darin dann jede mögliche Kante abfeilen, an der sich auch nur irgendjemand irgendwie stören könnte. Das würde zwar dem Wesen von Literatur diametral widersprechen, aber hey …

      Etwas anders verhält es sich nun sicherlich mit „alten“ Büchern. Zunächst mal sind diese im Kontext ihrer Zeit zu betrachten. Und darüber hinaus muss hierzu dann die Frage gestellt sein, warum es denn nicht möglich sein sollte, solche Literatur dann ggf. in einer kommentierten Ausgabe zu veröffentlichen? Warum echauffiert man sich stattdessen darüber, dass so etwas überhaupt noch verlegt wird, nur weil man selbst damit Schwierigkeiten hat? Warum also maßt man sich an, darüber zu urteilen, was veröffentlichenswert ist, und was nicht? Ray Bradbury in a nutshell …

      Und letztlich: Warum hält man Leserinnen und Leser für dümmer als sie sind?

      1. Mir ist das alles viel zu vollgestopft mit rechten Talking Points. Die Pseudobereitschaft über alles reden zu wollen und zu können und gleichzeitig alles was einem als fremd und unverständlich erscheint, zu diskreditieren, ist mir schlichtweg zu doof.

        1. „Rechte Talking Points“ hat mir bislang noch niemand unterstellt – würde auch niemand tun, der mein Weltbild kennt oder auch nur bemüht wäre, meinen Standpunkt zu verstehen und ggf. dagegen zu argumentieren.

          Denn in meinem Fall wäre die mir unterstellte „Pseudobereitschaft“ – danke dafür – eine tatsächliche Bereitschaft, mal über Dinge zu reden. Über Dinge, die ich im Übrigen nicht „diskreditiere“, sondern nur kritisiere oder infrage stelle, zumal die mir unterstellte Diskreditierung nicht von mir ausgegangen ist. Ich finde auch den FC Bayern oder Bücher von Diana Gabaldon doof – wenn ich das kundtue und idealerweise anhand von Beispielen klarmachen kann, warum das so ist, ist das keine Diskreditierung. Im Übrigen sollte man diesen Vorwurf idealerweise nicht dann anbringen, wenn man selbst noch nichts Zielführendes zur Thematik beigetragen hat.

          Aber was rede ich, das ist dir eh alles zu doof …

          1. Nimm doch einfach mal den Wiki Artikel zur Kenntnis. Wenigstens das. Dann würden solche Relativierungen wie „Sterotype haben ja alle“ vielleicht als das erkannt, was sie sind.

            Oder vielleicht wird es ja deutlicher, wenn man es auf die deutsche Geschichte überträgt, niemand würde heute noch Erzählungen akzeptieren, in denen vom niedlichen Mohr schwadroniert wird, der ewige Jude der Protaginist ist oder über die Schlitzaugen gelacht wird.

        2. Also an Franks Kommentar kann ich wirklich kein rechtes Gedankengut erkennen. Das ist nun schon sehr befremdend und hochgradig stereotypes Denken. Genau was ich geschrieben habe: Wenn ich „Mein Kampf“ lese, bin ich dann automatisch ein Nazi? Die Kompetenz mit Stereotypen, mit politischen Konnotationen bis hin zu völlig anderen Gedankengut in Literatur klar zu kommen, das ist etwas, zu dem sehr viele Menschen fähig sind. Ich will behaupten wer gerne Klassiker liest, sucht auch gerade nach dem, was zwischen den Zeilen steht. Was Frank in seinem Kommentar beschreibt, das ist genau das, ein aufgeklärter Umgang mit Literatur.

          1. Also wer gerne Karl May liest, kann mit rassistischen Sterotypen umgehen? Ernshaft?

            Ich bin immer wieder beeindruckt, was manche glauben, ab wann etwas rechtes Gedankengut ist. Nein, du darfst Mein Kampf leden, Habe ich auch schon gemacht und andere auch. Also, viel Spaß damit.

            Wenn hier aber die koloniale, rassistische und massenmörderische Geschichte relativiert wird, weil das ja alles gar nicht so schlimm ist, und ja alle irgendwie irgendwelche Vorurteile haben, dann sehe ich da schon rechtes Gedankengut. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Nur weil man selber glaubt, das sei ja alles normal, muss es das eben nicht sein. Man muss kein ausgewiesener Nazi-Ideologe sein, um sich rassistischer Gedanken zu bedienen. Die sind nämlich verankert in unserer Gesellschaft und unserer Sprache. Und diese wird reproduziert unter anderem in Büchern. Und genau deshalb ist das alles ein Problem und nicht woke Cancel-Culture.

    2. Lieber Sascha,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und die Anmerkung. Leider strotz er geradezu vor genau den Vorwürfen, die Du genau mir machst:

      * Du unterstellst mir mangelnde Recherche und Faktenfreiheit. Dir ist schon aufgefallen, dass das hier ein Blog ist? Also Kategorie Kommentar? Das hier ist keine wissenschaftliche Abhandlung.
      * Es scheint so, dass mein Vorwurf, dass es hierzulande eine starke Tendenz zur Bevormundung seiner Mitbürger gibt, in Deinem Kommentar wieder einmal sehr deutlich bestätigt wird. Du sprichst also Deinen Mitmenschen die Fähigkeit ab, Quellen zu beurteilen? Für breite Teile der Bevölkerung ist also Rassismus völlig okay? Sehr spannende Thesen.
      * Wie kommst Du darauf, dass ich ein konservatives Weltbild habe? Bitte Belege dafür.
      * Echt jetzt, Du brauchst Wissenschaftler um einen ganz gewöhnlichen Unterhaltungsfilm und -buch für Kinder zu beurteilen?
      * Du steckst mich also in die aufgeklärte bürgliche und liberale Kategorie? Gemessen an der Kritik, die Du mit Deinem verlinkten Wikipediabeitrag hier teilst, zeugt es von einer wenig reflektierten Meinungsbildung. Auge um Auge, Zahn um Zahn sozusagen.

      Also Sascha, bevor Du hier Deine faktenbefreite Meinung kundtust, wäre es sehr schön, Deinen mündigen Mitmenschen darzulegen, wie es zu dieser kommt.

      Herzliche Grüße
      Tobi

      1. Tja Tobi, niemand hat dich gezwungen, deine Meinung kundzutun. Du hast es getan und darauf gibt es dann Antworten. So viel zum Blog. Und warum mittlerweile jeder glaubt, dass man für eine Meinung nicht recherchieren muss, sondern einfach sein Alltagswissen ausreicht, weiß ich jetzt auch nicht.

        „Du sprichst also Deinen Mitmenschen die Fähigkeit ab, Quellen zu beurteilen?“ Aber sicher doch. Trump, AfD, Querdenken, wie viele Belege möchtest du haben, dass Menschen unterschiedliche Bildungshintergründe haben und mit Fakten häufig nicht viel anfangen können?

        Und selbstverständlich ist Rassismus ein Problem der Mitte in Deutschland. Dazu gibt es seit Jahren entsprechende Studien:

        https://www.fes.de/referat-demokratie-gesellschaft-und-innovation/gegen-rechtsextremismus/mitte-studie-2021

        https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/studie-rassistische-realitaeten-2030724

        https://www.boell.de/de/leipziger-autoritarismus-studie

        Zu deinem Weltbild habe ich im Übrigen nichts gesagt, da habe ich die Kommentatoren adressiert.

        Und warum glaubst du eigentlich, jeder könne alles bestens selber beurteilen? Wozu haben wir die Wissenschaft? Oder ist jetzt jeder Experte für Alles? Weißt du wie Stereotype und Klischees unbewusst wirken? Wie sich Rassismus in der Gesellschaft festsetzt und warum Sprache die Wirklichkeit konstruiert? Wenn man das alles nicht weiß, wie will man dann die Wirkungsweise von Medien richtig einschätzen?

        Und meine Meinung ist im Übrigen nicht faktenbefreit. Als Soziologe und Sozialpsychologe glaube ich zumindest ansatzweise zu verstehen, worum es geht. Und ich würde auch keine Softwareprogramme einfach mal so aus dem Stehgreif kommentieren wollen.

        1. Das Problem besteht aus meiner Sicht darin, dass dein Einstiegskommentar schon in recht aggressivem Duktus verfasst wurde, ob gewollt oder zufällig kann ich nicht beurteilen. Und ein „Tja Tobi, niemand hat dich gezwungen, deine Meinung kundzutun.(…)“ im Anschluss entschärft das dann leider kaum. Als Sozialpsychologe und Soziologe sollte dir das Konzept der gewaltfreien Kommunikation vertraut sein. Dein Einstieg in die Kommuniktation ist dann aber leider genau das Gegenteil davon.

          Und ich mein das ganz wertfrei, weil ich ein Stück weit nachvollziehen kann, dass man sich aufregt, wenn man auf Leute trifft, die das vermeintliche Problem partout nicht sehen wollen. Und dennoch …

          Was den Punkt angeht, dass „koloniale, rassistische und massenmörderische Geschichte relativiert wird, weil das ja alles gar nicht so schlimm ist, und ja alle irgendwie irgendwelche Vorurteile haben“, dann ist das weder das, was ich geschrieben habe, noch das, was ich gemeint habe. Ich kann aber nachvollziehen, dass man bei mir einen Relativierungsversuch rauslesen kann, der nicht beabsichtigt war.

          Letztlich stellst du mit „Weißt du wie Stereotype und Klischees unbewusst wirken? Wie sich Rassismus in der Gesellschaft festsetzt und warum Sprache die Wirklichkeit konstruiert? Wenn man das alles nicht weiß, wie will man dann die Wirkungsweise von Medien richtig einschätzen?“ durchaus gute Fragen. Nun soll man Fragen nicht mit Gegenfragen beantworten, aber dennoch: Meinst du, dass man zur Beantwortung von gesellschaftlichen oder im weitesten Sinne sozialwissenschaftlichen Fragen zwingend aus dem entsprechenden Fachbereich kommen muss oder sich nicht vielleicht auch als Fachfremder eine entsprechende Meinung gebildet haben kann? Es ist ja nicht so, als ginge es hier um Photosynthese, zu der ich dann sage, dass ich dagegen bin. 😉

        2. Sascha, ich beschwer mich doch gar nicht darüber, dass Du hier kommentierst, im Gegenteil. Eine kontroverse Diskussion ist doch perfekt, genau so soll es sein und genau das erweitert den Horizont.

          Das was Du hier schreibst, das ist für mich sehr gruselig und verstörend. Das heißt, ohne wissenschaftlicher Unterstützung sprichst Du den Menschen ihr Urteil und ihre persönliche Einschätzung zu politischen und gesellschaftlichen Themen ab? Aufgrund mangelnder Bildung oder aufgrund unbequemer politischer Ansichten? Genau diese eigene Meinungsbildung macht doch Demokratie aus. Genau das ist doch das Wichtige, genau das muss gefördert werden: Dass jeder die Freiheit hat, seine eigene Meinung zu bilden und eigene Schlüsse zu ziehen. Aus den eigenen Lebensbedingungen heraus, aus der eigenen Lebenswirklichkeit und selbst dann, wenn diese auf mangelnder Bildung basiert. Demokratie heißt, mit einem Trump oder AFDler überhaupt nichts anfangen zu können, aber trotzdem zu akzeptieren, dass diese ihre Meinung und ihr Weltbild haben und ihnen das auch zuzugestehen.

          In der Beurteilung einer Neuverfilmung von Winnetou, also sorry, ich brauch da keine wissenschaftlichen Studien, um mir darüber eine Meinung bilden zu können.

          Mein Weltbild hast Du als „aufgeklärten bürgerlich-liberalen oder hier ja offensichtlich auch konservativen Weltbild“ bezeichnet, das war schwer anders zu interpretieren. Aber danke für die Klarstellung.

          Deine Meinung ist hier so lange faktenbefreit, so lange hier Aussagen hingeschmissen werden, die unbegründet im Raum stehen. Eine Ausbildung als Soziologe, sorry das reicht mir nicht aus. Womit wir wieder bei der Demokratie und eigenen Meinungsbildung sind und nicht die blinde Obrigkeitshörigkeit oder der blinde Vertrauen in Wissenschaft, Studien und „Experten“ sind.

          Liebe Grüße
          Tobi

  4. Hallo,

    deine Prämisse ist falsch. Ravensburger hat keine Neuauflage von „Winnetou“ herausgegeben – die erscheinen nach wie vor im Karl-May-Verlag. Es handelte sich um ein Buch zum Film „Der junge Winnetou“. Karl May hat nie über Winnetou als Kind geschrieben, es ist eine Art Prequel, das außer den Namen wenig von Karl May enthalten dürfte. Es geht bei der aktuellen Debatte überhaupt nicht darum, dass alte Bücher von Markt genommen wurden oder werden sollen, die natürlich im Kontext ihrer Zeit zu lesen sind. Sondern es geht darum, dass man 2022 ein nigelnagelneues Buch geschrieben hat, das wohl (ich habe es ja nicht gelesen) munter all die alten Klischees bedient. Ich vermute, dass der Film überhaupt nur Winnetou heißt, um die nostalgischen Gefühle der Eltern und Großeltern zu bedienen, die damit schöne Erinnerungen verbinden und dann gerne mit den Kindern/Enkeln ins Kino gehen. Rein kommerzielle Gründe also.

    Ich erwarte, dass man es in neuen Kinderbüchern besser macht, gerade in Kinderbüchern! Es gibt so viel gute Kinderbücher auf dem Markt, die man hätte verfilmen können, aber nein, man muss solch eine alte Suppe aufwärmen und wundert sich dann, dass es Gegenwind gibt. Mich wundert eher, dass das niemand vorher gemerkt hat. Der Ravensburger hat offensichtlich versäumt, vorher mal genau hinzuschauen, was sich hinter der Lizenz verbirgt, die er eingekauft hat.

    Was ich unverständlich finde, sind Äußerungen wie die von Frank: „Darüber hinaus stört mich, dass die Diskussion häufig nicht von denen geführt wird, die es betrifft, sondern von anderen, die sich berufen fühlen, für die Betroffenen sprechen und für sie einordnen zu dürfen, wovon sich diese nun bitte beleidigt zu fühlen haben. Zugegeben, es gab auch kritische Stimmen von amerikanischen Ureinwohnern in Deutschland, inwieweit die für die Mehrheit sprechen, sei aber auch mal dahingestellt.“ Da äußern sich in diesem Fall also Betroffene, aber das wird nicht ernst genommen, denn wer weiß, ob die für die Mehrheit sprechen … Die Meinung der Betroffenen gilt wohl erst, wenn jeder einzelne in Deutschland lebende Native befragt wurde, oder was? Wozu haben Gruppierungen Verbände, die ihre Interessen vertreten? Tut mir leid, fürs solches Herausreden habe ich kein Verständnis. Betroffene haben Kritik geäußert, Ravensburger hat sie ernst genommen, aber Nicht-Betroffene finden ihre eigene Meinung trotzdem „richtiger“.

    1. Hallo Daniela,

      zunächst mal, ja, hier handelt es sich nicht um eine Neuauflage des Originalsstoffs. Das ist mir beim Lesen des Beitrags selbst nicht aufgefallen, aber die Klarstellung ist wichtig.

      Was die aus meinem Kommentar zitierte Textstelle angeht, so kann ich durchaus verstehen, dass die auf Unmut stößt. Ich wollte damit allerdings nur verdeutlichen, dass es innerhalb jeder – sagen wir mal neudeutsch „Community“ – es unterschiedliche Sichtweisen zu Sachverhalten gibt, die diese Community betreffen.

      Als Beispiel: Aufgrund meiner eigenen Behinderung bin ich einerseits ziemlich interessiert an Fragen der Inklusion bzw. der Sprachregelungen zum Thema Behinderung. Nun ist man augenscheinlich gesamtgesellschaftlich, warum auch immer, irgendwann dazu übergegangen, das Wort „Behinderung“ vermeiden zu wollen. Stattdessen hat man sich – auch weil hier Nichtbetroffene über und für statt mit den Betroffenen gesprochen haben – vorübergehend zur sprachlichen Verschlimmbesserung entschieden und den Begriff „Handicap“ eingeführt und sich zwischenzeitlich mit „anders begabt“ ganz schlimm vergaloppiert. Diese alternativen Begriffe wurden innerhalb der Community sehr kontrovers diskutiert, während viele ihnen wohlwollend gegenüberstanden, fanden sie andere – mich eingeschlossen – ganz fürchterlich. Erst im Austausch zwischen Behinderten und Nichtbehinderten hat man dann zu einer Lösung gefunden, die z.B. mit „Menschen mit Behinderung“ der Wahrheit deutlich näher kam als das, was sich Nichtbetroffene in sicherlich gut gemeinter aber dennoch falscher Rücksichtnahme vorher so einfallen ließen.

      Kurz: Ich wollte mit meiner Äußerung niemandes Meinung in Abrede stellen und falls das so rübergekommen ist, bitte ich um Entschuldigung. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass es in jeder ausreichend großen Gruppe auch entgegengesetzte Meinungen gibt, was man berücksichtigen könnte, aber nicht muss, bevor man in Aktionismus verfällt. Sollten sich im vorliegenden Fall wirklich Interessenvertretungen, Verbände usw. entsprechend geäußert haben, hätte das natürlich ein ganz anderes Gewicht und das von dir ausgewählte Zitat damit obsolet.

      Ich hoffe, ich konnte ein bisschen zur Klarstellung beitragen und verdeutlichen, dass ich meine Meinung nicht als „richtiger“ empfinde.

    2. Liebe Daniela,

      vielen Dank für den Hinweis, den ich auch nochmal aus einer anderen Richtung bekommen und im Beitrag mit einem Hinweis auf den Update korrigiert habe. Dieser Umstand hat allerdings keinen Einfluss auf das, was ich im weiteren Verlauf schreibe.

      Es geht in der Debatte durchaus darum, die alten Klassikern zu diskreditieren. Genau das ist es, was in den Medien passiert. Es wird über Winnetou und Karl May diskutiert, nicht über „Die neue Kinderbuchadaption“.

      Also ich werde mir auf jeden Fall den Film im Kino ansehen, jetzt ist schon sehr meine Neugierde geweckt. Ich werde im Beitrag dann meine Eindrücke als Update noch einfügen. Wenn ich mir den Trailer von dem Film allerdings so anschaue, dann ist das doch ein ganz typischer deutscher Kinderfilm. Schön gemacht, mit Action, ein Abenteuer und einem schön anzusehenden Setting. Natürlich ist der Film auf Kommerzialität ausgelegt. Und bei einem Winnetou-Film für Kinder möchte man hier einen richtig schönen kitschigen Abenteuerfilm mit Cowboy und Indianer sehen. Klar soll das Eltern und Großeltern ansprechen. Das ist jetzt kein Sachbuch über indigene Völker, das ist keine ernsthafte Auseinandersetzung mit fremden Kulturen, das ist einfach Unterhaltung. Und nach Deiner Prämisse findest Du immer jemanden, den Du mit irgendeinem Content verletzt. Als Bayer ist es für mich auch diskriminierend, wenn Zuagroasde mit Lederhosen auf die Wiesn gehen, das ist ja hochgradig kulturelle Aneignung. Irgendwo muss man schon die Kirche im Dorf lassen, sorry.

      Liebe Grüße
      Tobi

  5. Ich habe deinen Artikel gelesen und kann dir zustimmen. Wenn sich Erwachsene als Kinder sehen und meinen, ihre Weltansicht den Kleinen aufdrängen zu wollen, dann gibt es manchmal unnützes Chaos. Ich denke da besonders an ein kurzes Video, das vor einigen Jahren im Netz kursierte. Da wurde ein kleiner Junge zu den ausländischen Kindern gefragt und der konnte gar nicht verstehen, was der Erwachsene da faselt. Es waren einfach „Kinder“! Für ihn gab es keine Unterschiede!
    Und genauso sollte man Winnetou und andere klassische, kindergerechte Bücher stehen lassen. Wie du schreibst, sollen Übersetzungen, die nicht mehr zeitgemäß sind, durch neue Wörter ersetzt werden. Doch die erzählte Geschichte an sich, mit der wir groß geworden sind, darf und muss sogar weiterleben dürfen. Und gerade bei Winnetou, den ich als Mädchen über alles geliebt habe, war ja der „weiße Mann“ der schlechte Mensch!

    1. Na, liebe Astrid, das würde ich nicht unterschätzen. Kinder können sehr grausam im Umgang miteinander sein – mit teilweise lebenslangen traumatischen Folgen für die Betroffenen.
      Wie PoC-Kinder noch heute auch im Schulalltag ausgegrenzt und diskriminiert werden, berichten Betroffene immer wieder.
      Empfehlenswert ist für an deren Stimme ehrlich Interessierte das im vergangenen Jahr beim Rowohlt-Verlag erschienene ebenso berührende wie erschütternde Buch von Jasmina Kuhnke: „Schwarzes Herz“.
      Es muss daher auch in der Literatur darum gehen, den Betroffenen zuzuhören. Es geht nicht allein um die Rechte des weißen Urhebers, es geht nicht allein darum, wie der vorwiegend weiße Rezipient sich am besten bespaßt fühlt. Es geht nicht um Zensur oder Einschränkung der Kunstfreiheit, es geht vielmehr um rassistische Altlasten, deren Aufarbeitung und Beseitigung lange überfällig sind. Und da tut es dem literarischen Ouvre im Einzelfall keinen Abbruch, wenn bspw. das N-Wort, das nicht nur für die betroffenen, sondern für alle halbwegs geschichtsbewussten Leserinnen und Leser mit nichts Anderem als mit Sklaverei, Gewalt, Schmerz und Diskriminierung assoziiert wird, einfach mal gestrichen und ersetzt wird.
      Ich selbst habe Pippi Langstrumpfs Vater als DDR-Kind schon in den siebziger Jahren als „König der Takatukaner“ kennenlernen dürfen. Und für den Antiziganismus alter und neuer Nazis wurde ich durch das Schicksal der jungen Sinteza Erna Lauenburger, die in Auschwitz ermordet wurde, mit Grete Weiskopfs Jugendroman „Ede und Unku“ sensibilisiert.
      Natürlich ist der zeitgemäße Austausch der einen oder anderen Vokabel kein Problem. Wieso sich darüber künstlich echauffieren, wenn (so ein sinnloser Disput der jüngeren Vergangenheit) eine Sauce mit dem „Z“-Wort nun einen anderen Namen bekommt?
      Schwieriger wird es eingestandenermaßen bei den streitgegenständlichen Abenteuergeschichten von Karl May (die ich selbst nicht gelesen habe). Hier steht wohl der Vorwurf, die brutale Unterdrückung der indigenen Bevölkerung in Amerika nicht hinreichend darzustellen, im Raum. Dies mag sein. Aber vermag ein Roman des – noch dazu recht niedrigschwelligen – Unterhaltungsgenres Derartiges zu leisten? Wohl kaum, handelt es sich doch weder um ein Lehrbuch noch um eine Enzyklopädie. Ein Abenteuerroman vermag nicht die Aufgaben des Bildungswesens zu ersetzen. Hier sind die Eltern ebenso gefragt wie Autorinnen und Autoren von Schulbüchern wie auch Lehrerinnen und Lehrer in der Gestaltung des Unterrichts. Nur dort können diese komplexen Themen erschöpfend erfasst und sensibilisierend vermittelt werden. Hier scheint mir auch und gerade das Bewusstsein für das kolonialistische Geschichtskapitel Deutschlands schon bei den älteren Generationen wenig ausgeprägt zu sein – ebenso wie bspw. das Interesse an der Unterdrückung der indigenen Menschen im Bolsonaro-Brasilien der Gegenwart. In solchen Kontexten mehr Empathie durch Information zu vermitteln, die über den deutschen bzw. den Tellerrand der sog. „ersten Welt“ hinausragt, scheint mir eine wichtige pädagogische Aufgabe zu sein.
      Und wieso sollte nicht ein solches Buch einfach ein informatives Vorwort, möglichst einer/ eines Betroffenen einleiten können, welches die Schwierigkeit der Problematik wenigstens umreißt und zu weiterer Beschäftigung mit und zum eigenständigen Nachdenken über diese Themen anstößt?

  6. Schönen guten Morgen!

    Ein toller Beitrag zu einem Thema, das in der Buchwelt leider immer mehr überhand nimmt … ich hab deinen Post heute sehr gerne in meiner Stöberrunde verlinkt.
    Ausführlicher Antworten kann ich dir erst in den nächsten Tagen, da ich gleich in die Arbeit muss 😀

    Hab einen schönen Tag!
    Liebste Grüße, Aleshanee

  7. Es ist schrecklich zu sehen, mit welcher Arroganz sich Menschen des 21.Jahrhgunderts gegenüber den Autoren der Vergangenheit stellen. Wir sollten diese Lektüren als das lesen, was sie sind: Historische Quellen. Auch Kinder können das verstehen! Sie verstehen, dass diese Geschichten nicht im Hier-und-Jetzt spielen – die Vergangenheit und die Sicht der Menschen in der Vergangenheit darstellen. Denn schließlich haben wir auch Robinson Crusoe, Winnetou, Kara Ben Nemsi, etc. gelesen und helfen heute in Flüchtlingshilfen und sind nicht zwangsweise Mitglieder einer rechten Partei geworden. Wer die Welt verbessern will, sollte dies intensiv in seiner Zeit machen – die Janusköpfe seiner Zeit finden und benennen und nicht nach einer Masche der kohlschen „Gnade der späteren Geburt“ sich über die Menschen der Vergangenheit stellen. Die jetzigen Geister der Intoleranz und des Rassismus klar zu benennen ist aber natürlich gefährlicher und bedeutet auf harten Widerstand zu stoßen. Dafür bedarf es Mut! Das sehen täglich alle, die sich mit Zivilcourage gegen Rechts stellen! Das sollte aber unser Arbeitsfeld sein!
    Die aber jetzt eingeleitete Diskussion ist eine begonnene Diskussion elfenbeitürmiger Intellektueller, die ich beim aktuellen Kampf gegen Rechts, gegen heutigen Rassisten, täglichen kleinen und großen verbalen Angriffen (z.B. in den sozialen Medien), etc. kläglich vermisse!

  8. Ich möchte hier gern ergänzen, dass Karl May eigentlich keine Kinderbücher geschrieben hat bzw. nicht ursprünglich für ein junges Publikum (ich habe nicht alle Bände gelesen, aber vielleicht so um die 50). Kinderbücher gab es zu seiner Zeit noch nicht wirklich in der Form wie heute. Und ja, eigentlich sind bei ihm die Weißen, die die Indianer nicht als Menschen betrachten und einfach umbringen, die Bösen. Ist die Darstellung realistisch? Nein, alles komplett frei erfunden und aus Büchern der damaligen Zeit abgeschrieben. Es gibt bei ihm grundsätzlich gute und schlechte Menschen aller Hautfarben und Länder. Aber die Stereotypen sind ganz eindeutig (und eher nicht positiv). Es gibt auch die guten Weißen, die den („naiven Wilden“) Indianern Wissen vermitteln und ihnen zeigen, wie man ein gutes und richtiges Leben führt – so z. B. der Fall bei Winnetous Lehrer Klekih Petra (übrigens ein Deutscher, der 1848 nach der März-Revolution fliehen musste) oder auch bei Old Shatterhand, der Winnetou sozusagen zivilisiert und auf den richtigen Weg führt, so dass er zum „edlen Wilden“ werden kann. Ist das rassistisch? Natürlich. Habe ich das früher als Kind/Jugendliche so gelesen? Natürlich nicht. Bin ich deshalb selbst Rassistin geworden? Das verneine ich eindeutig (ja, ich war in der Flüchtlingshilfe tätig und es ist sehr traurig, dass es jetzt auch bei den Flüchtlingen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt – weiße Flüchtlinge gut, nicht weiße Flüchtlinge böse und gefährlich. Allen Menschen in Not muss geholfen werden!). Antisemitisch sind Mays Bücher auf jeden Fall – die Juden, die in seinen Büchern vorkommen, sind fast alle durchtrieben und hinterhältig und könnten dem „Ewigen Juden“ (NS-Propagandafilm) entstiegen sein. Außerdem sind Mays deutsche Helden häufig blond, blauäugig, stark, schlau und echte Supermänner. Kein Wunder, dass die Nazis ihn toll fanden. May selbst wäre aber vermutlich eher kein Nazi geworden (auch wenn er als treuer Monarchist mit der Demokratie, die er nicht mehr erlebt hat, eher weniger am Hut hatte). Er war definitiv Pazifist, hat aber über Menschen und Länder geschrieben, die er lange nur aus Büchern seiner Zeit kannte. Und wie korrekt die damals waren und welche Perspektiven sie aufgezeigt haben (im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts) können wir uns alle denken. Ob sich Kinder und Jugendliche heute davon beeinflussen lassen, wage ich zu bezweifeln. Sie werden die Bücher in der Originalform überhaupt nicht mehr lesen, weil sie ähnlich wie Jules Verne oder andere Klassiker im Original (nicht die für Kinder bearbeiteten Fassungen) sprachlich für sie meist überhaupt nicht mehr verständlich und die Weltanschauungen nicht mehr vermittelbar sind. Ich habe als Karl-May-Fan versucht, die Bücher (auch andere Klassiker der Abenteuerliteratur in gekürzten und bearbeiteten Fassungen) meinen Kinder nahe zu bringen. Hoffnungslos – nicht ihre Welt, nicht ihr Verständnis von Menschen, nicht ihre Sprache. Mit Goethe und Schiller braucht man da gar nicht mehr anzukommen. Die Karl-May-Filme – die außer dem Namen fast nichts mit den Büchern zu tun haben – fanden meine Kinder, als sie klein waren, klasse. Die sind aber, was Klischees und rassistische Darstellungen angeht, schlimmer als die Bücher. Ich habe im übrigen Literatur-, Film-, Fernseh- und Theaterwissenschaften studiert, weiß, dass ich vieles nicht weiß, glaube aber doch manches zu verstehen.
    Das Kinderbuch aus dem Ravensburger Verlag möchte ich, gerade weil ich ein May-Fan bin, nicht lesen. Weil die Urheberrechte abgelaufen sind, können halt alle mit den Figuren machen, was sie wollen – es geht doch meistens nur ums Geld. Karl May selbst übrigens auch. Er ist schließlich in bitterer Armut aufgewachsen und sah im Schreiben die einzige Möglichkeit, der Armutsfalle zu entkommen (nachdem aus der Lehrerlaufbahn nichts geworden und er in die Kriminalität abgerutscht war). Den Film sehe ich mir vielleicht an, weil ich wissen will, was sie daraus gemacht haben. Fürchte aber eher Schlimmes, obwohl der Ravensburger Verlag eigentlich für gute Kinderliteratur bekannt ist. Musste das Buch zurückgezogen werden? Ich weiß es nicht, da ich es nicht gelesen habe, daher kann ich mir selbst kein Urteil erlauben. Kann es sein, dass es andere verletzt hat? Sicher. Wäre alternativ eine Ausgabe mit Erläuterungen, Vorwort etc. möglich gewesen? Wahrscheinlich. Würde das von Kindern gelesen? Vermutlich eher nicht. Schwierige Entscheidung, das hat der Verlag sich sicher nicht leicht gemacht.
    Kann man sich auf den gesunden Menschenverstand verlassen? Definitiv nein. Das haben die letzten Jahre doch wirklich überdeutlich gemacht. Und dafür kenne ich auch zu viele Menschen, die ihr Weltbild nie in Frage stellen würden, sich niemals selbst hinterfragen würden und die auf die komplexen Probleme und Fragen unserer Zeit immer noch eine einfache, klare Antwort erwarten – und den Demagogen, die sie ihnen versprechen, in Scharen hinterherlaufen. Wie hat Tucholsky sinngemäß gesagt, als er verstummt ist, bevor er sich umgebracht hat: Das jahrelange Warnen vor den Nazis war umsonst, der Mahner ist nicht gehört worden. Jetzt seht zu, was ihr davon habt. Auch Erich Kästner, der die Kriegsjahre in Berlin verbracht hat, hat in sein Tagebuch geschrieben, dass er es leid sei, den Menschen zu verzeihen, weil sie nicht wissen, was sie tun. Denn: Wie können sie immer noch nicht wissen, was sie tun?! Das ist leider heute nicht so viel anders, finde ich. Wir können nur weiter hoffen, dass Bildung, Bildung, Bildung auf lange Sicht hilft. Momentan würde ich mich nicht darauf verlassen, dass alle selbst erkennen, dass etwas für andere verletzend (oder Schlimmeres) sein kann. Viele sagen ja auch, dass ihnen das ganz egal ist und die, die sich verletzt oder angegriffen fühlen, sich halt nicht so anstellen sollen. Ich habe als Jugendliche auch gegen die blöden Erwachsenen gewettert, die mir weis machen wollten, dass „Top Gun“ nichts anderes als ein Werbefilm für das US-Militär sei. Heute frage ich mich, wie blöd und naiv ich als Teenager war, dass ich das nicht nur nicht gesehen habe, sondern auch noch aktiv dagegen argumentiert habe. Oder dass ich nicht verstanden habe, warum PoC es anstößig finden, dass im ersten Star Wars-Filme nur weiße Menschen vorkommen. Dafür gab es doch in „Empire strikes back“ Lando zum Ausgleich (aber eben doch nur eine Nebenfigur). Ich hätte es aber besser wissen können, schließlich habe ich mich selbst darüber aufgeregt, dass in den Kinder- und Jugendbüchern meiner Zeit immer Jungen die schlauen und starken Helden waren, die die ängstlichen, unwissenden Mädchen retten mussten. Was für ein Blödsinn! (Es waren aber trotzdem viele tolle Geschichten dabei, wenn man willens war zu ignorieren, dass man als Mädchen dumm und ein Angsthase zu sein hatte. Es gab halt leider noch keine Diversität.) Daraus die Schlüsse zu ziehen, Zusammenhänge zu erkennen und sich auch anhand vom Lesen vieler Bücher weiter zu bilden (ja, auch Literatur, auf jeden Fall auch Literatur! Nicht nur Sachbücher oder wissenschaftliche Werke), hat Jahre gedauert. Ich glaube zu wissen, dass viele Menschen das niemals tun werden, weil es bedeuten würde, ihre Filterblase verlassen zu müssen, zu reflektieren, was sie tun und denken, weil sie sich chancenlos glauben, weil sie die Kraft für diese Anstrengung aus was für Gründen auch immer nicht aufbringen, weil es einfacher ist zu glauben, dass es eine einfache Lösung gibt, weil sie glauben, dass es irgendwann mal eine gute alte Zeit gegeben hat (wann wäre die gewesen und für wen war sie gut?), zu der man unbedingt zurück müsse und weil sie (vergeblich) auf Sicherheit hoffen, wenn alles bleibt, wie es ist (wird nie passieren, alles ändert sich, die Zeit bleibt nicht stehen). Wovon genau Pippis Vater König war, spielt doch gar keine Rolle – Hauptsache, niemand fühlt sich davon verletzt! Astrid Lindgren wäre bestimmt die erste, die das sagen würde – und bestimmt nie gewollt hätte, dass sich jemand von ihren Geschichten angegriffen fühlt. Sie war ihrer Zeit verhaftet und es ist schwer sich daraus zu lösen. Versuchen wir einfach das beste aus unserer Zeit zu machen und zwar für alle. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das geht. Und mit Büchern – egal, aus welchem Jahrhundert und wie sie geschrieben sind – geht es bestimmt besser als ohne. Helfen wir – auch durch solche Blog-Beiträge – Dinge historisch einzuordnen, aus ihrer Zeit heraus zu erklären (nicht, sie zu entschuldigen), daraus für die heutige Zeit zu lernen und mehr Menschen zum Lesen und selber Denken zu bringen. Kann ich empfehlen, mal ein Karl-May-Buch in die Hand zu nehmen? Ja, auf jeden Fall. Wie wäre es mit „Winnetous Erben“? Oder vielleicht seine Geschichten aus dem Erzgebirge?

  9. Danke, liebe Birgit, Ihr Beitrag war sehr lehrreich für mich und ich bin dankbar dafür, mich mit Menschen wie Ihnen und den anderen Diskutantinnen und Kommentatoren ebenso wie dem Podcast-Betreiber Tobi zwischenmenschlich und interdisziplinär austauschen zu können.
    Auch dem @Textopfer zolle ich großen Respekt, wobei ich gerade nicht das Gefühl habe, dass all die Vorgenannten (einschließlich mir als Juristin) hier in einem „intellektuellen Elfenbeinturm“ säßen und aus den Wolken heraus (vor-)urteilten. Auch ich war über ein Jahrzehnt ehrenamtlich und zeitintensiv gegen rechts tätig und verwahre mich gegen derartige Vorwürfe, ja finde finde sie umgekehrt „arrogant“.
    Denn, wie, liebes @Textopfer, erklären Sie Kindern und Jugendlichen, die in ihrer Literatur mit rassistischen Stereotypen, wie dem „N“-, dem „Z“- oder dem „I“-Wort konfrontiert werden, um wen und worum es sich handelt und weshalb sie sich diese spezielle, ebenso ab- wie ausgrenzende Bezeichnung „verdient“ haben? Welches Problem haben Sie damit, womöglich in einem Vorwort zu solchen wie den hier diskutierten Büchern, die auch ich und all die anderen Kommentatorinnen und Diskutanten nicht verbieten wollen, klarzustellen, dass sowohl afroamerikanische wie auch indigene Stämme friedlich und im Einklang mit der Natur koexistierten, bis weiße Europäer sie missionierten, kolonialisierten und ermordeten?
    Wie leisten Sie Antirassismus und Antifaschismus in`s „Blaue hinein“, quasi ohne historischen Kontext?
    Und dies in Zeiten, wo ein Bernd Höcke als Geschichtslehrer „wirkmächtig“ das Seine tun durfte und ihm sein Beamtenstatus und die Rückkehr in seinen pädagogischen Beruf nach wie vor nicht streitig gemacht wird?
    In Zeiten, wo wir an das rassistische Pogrom in Rostock-Lichtenhagen ebenso vollmundig wie halbherzig erinnern, ohne zu hinterfragen, weshalb die Täter nur marginal bestraft und das Asylrecht in Folge quasi abgeschafft worden ist?
    Es mag ja sein, dass Hass und Hetze im Internet Konjunktur feiern.
    Aber in diesem Blog geht es um Belletristik und hier haben weder Hass noch Hetze noch jegliches Vorurteil etwas verloren.
    Und wenn wir das eine oder andere Mal unterschiedlicher Ansicht sind, so ist dies – wie Tobi schon deutlich machte – konstruktiv und gewolllt. Und der Austausch untereinander sollte uns – gerade vor dem Hintergrund dieser schwierigen Zeiten – auch und nicht zuletzt auch etwas Freude bereiten.

    1. Liebe Sandra,
      DANKE für deinen Worte. Ich glaube, dass wir gar nicht so weit auseinander liegen. Ich habe mich nie gegen klärende Kommentare (ähnlich, wie wir es jahrelang bei „Mein Kampf“ gemacht haben) bei Texten, wie den Karl May Büchern oder ähnlicher historischer Literatur, ausgesprochen (denken wir nur an Martin Luther und seine Äußerungen zum Judentum). Ich bin Lehrer – Geschichtslehrer und meine Aufgabe ist täglich den Kids beizubringen, Quellen historisch einzuordnen. Gerade dabei darf man die Kinder und Jugendlich nicht alleine lassen. Hier ist klärende Unterstützung angesagt. Und die meisten Kids finden so auch einen leichteren Zugang zu historischen Texten.
      Aber – um es noch einmal deutlich zu sagen: Diese Massivität, mit der hier gegen ein Stück deutscher Kultur des 19 Jahrhunderts vorgegangen wird, würde ich mir von all den vielen Schreibtischintellektuellen unseres Landes gerne in der täglichen Auseinandersetzung mit rechten, aggressiven, intoleranten Gedankengut, z.B. im Netz, wünschen. Auch hier muss ich zur Aufklärung sagen, dass ich 10 Jahre Kommunalpolitik gemacht habe – ich also darum weiß, wie alleine man bei Anfeindungen aus der rechten Ecke steht. Wenn es nämlich konkret wird, wenn man eventuell mit persönlicher, direkter Gegenreaktion rechnen muss, dann ist doch bei manchem der Mut und die angebliche Wut gegen/über Diffamierung, menschenverachtende Äußerungen und Intoleranz schnell dahin. Das war der Elfenbeinturm vom dem ich sprach – und dann ist Kritik auch immer easy, weil sie keine persönliche Konsequenz oder persönlichen Einsatz braucht.
      Ich glaube auch, dass – wenn man das täglich geäußerte rechte Gedankengut offen mehr (so massiv, wie bei der Karl-May-Diskussion) angehen würde – die großen Teile der Bevölkerung, die zurzeit diese Diskussion nicht verstehen, schneller mit ins Boot kommen würden. Denn das eigentliche rassistische Problem unserer Zeit ist doch nicht Winnetou, dass eigentliche rassistische Problem unserer Zeit ist, dass das offensichtliche, klar artikulierte rechte Gedankengut viel Platz in unserer Gesellschaft einnimmt und dass es sehr wenig direkte Gegenwehrt gibt.

      1. Danke, @Textopfer, das verstehe ich schon. Ich weiß, wie man auch und gerade im Internet angefeindet wird, wenn man linke und feministische Ansichten vertritt. Da wird man schnell einmal als „sich als weiblich ausgebender Troll“ bezeichnet oder mit einem Hausverbot belegt, so dass ich mich genötigt sah, meinen Klarnamen zu benutzen, um hier nun auch noch mein Geschlecht gegen sich als „wissenschaftlich“ und „liberal“ bezeichnende Blogger verteidigen zu müssen. Die Gefahr, die wiederum hiervon ausgeht, ist mir bewusst und sie realisiert sich auch bereits.
        Trotzdem, zurück zum Thema: Der Link von Sacha zeigt doch, dass es sich letztlich um ein von der äußerst „tiefgründigen und recherchefreundlichen“ Zeitung mit den vielen Bildern und den wenigen Buchstaben initiierten Pseudoshitstorm handelte, der nicht einmal die Karl-May-Bücher selbst betraf. Daher sollte man immer hinterfragen. Und wenn sich die Betroffenen, wie die indigene Frau im dort verlinkten Video, eben nachvollziehbar verletzt fühlen, so sollten wird dies ernst nehmen. Und „Winnetou“ mag, wie Du schreibst, ein „Stück deutscher Kultur“ des 19. Jahrhunderts sein. Doch ist der deutsche und generell der Kolonialismus desselben Jahrhunderts und darüber hinausgehend ein „Stück deutscher Geschichte“, das untrennbar damit verbunden ist. Hier beschwert sich in der gesamten Diskussion keiner der Winnetou-Apologeten, dass dieses dunkle Kapitel so gut wie keine Rolle spielt. Im selben Blog, in dem ich wie beschrieben diffamiert wurde, schrieb z.B. ein Lehrer, er sei nach der Wende – wie Bernd Höcke – in den Osten gekommen, weil er sich dort den besseren Nationalismus der Kaiserzeit erhoffte…. .

  10. Lieber Tobi,

    hier eine wunderbare Analyse zu der Thematik. Vielleicht hilft das ein wenig bei der Einordnung. Zugegeben, recht lang. Aber das sollte beim Gegenstand hoffentlich kein Hindernis sein.
    https://scompler.com/winnetou/

    Und entschuldige bitte meinen Ton in der Debatte. Ich bin lediglich ein wenig Themenmüde. Und da hat es unberechtigterweise dich getroffen. Mea culpa.

    Viele Grüße
    Sascha

  11. „Ohje Tobi“ 😀
    da wurde ja ordentlich was losgetreten. Und nebenbei bemerkt bini niemand der seinen Kommentar abgibt (gelesen habise au nicht alle!).
    Aber nachdem ich in meinem diesjährigen Sommerurlaub, im übrigen nach 40 Jahren wiedereinmal, genau diese drei Bände gelesen habe, fühle ich mich bemüßigt 😉 doch etwas dazu zu sagen.

    „I bin absolut bei Frank“.
    Und: Warum kann ma nicht einfach den feinen Humor und des unbestritten schriftstellerische Talent Karl Mays anerkennen und genießen?
    (Gesunde) Kinder können des oft noch eine ganze Zeit, bevor sie ihr Gehirn einschalten müssen.
    „Und i bin fast bei denen“, die von culture cancelling reden.
    LG, Monika

    1. Hi Monika, ich kann Ihnen nicht folgen. Haben Sie den verlinkten Artikel von Sascha gelesen? Haben Sie sich dort mal mit den Emotionen betroffener indigenous people auseinandergesetzt? Haben Sie sich in diesem Zusammenhang mit dem Genozid an den indigenen Ureinwohnern beschäftigt? – Sorry, ich bin ja auch immer für einen sachlich-argumentativen Austausch, aber oft scheitert man mit einem solchen Ansinnen: Sie jedenfalls verbreiten schlichtweg nur rechte Verharmlosung der Geschichte und, ja, jetzt fällt mir auch kein anderer Begriff hierfür mehr ein: Sie verbreiten inhaltlich und in der dazu passenden Form eines infantil-dümmlichen Jargons einfach nur rassistischen Schwachsinn. Und ich denke, selbst Karl May würde sich angesichts eines solch skurril-ignoranten Fan-Stadls einfach nur im Grabe rumdrehen.

      1. Ich frage mich ob sich die Eingeborenen auch bei jenen entschuldigen welche sie einen Kopf kürzer gemacht haben.
        Das ist doch alles nur intellektuelles Gelaber und Geschwätz oder frei nach Pispers. Intellektuell in den Blog gepackt.

        LG

        1. Ich weiß nicht, ob Sie gern als Eingeborener bezeichneten werden, ich – und sicher auch andere – nicht. Ich finde das klingt respektlos und das können Sie ruhig respektieren, ohne sich deshalb verletzt fühlen zu müssen.
          Ein Verbrechen gegen ein anderes aufzurechnen ist Sinn frei. Wird ein Mord aus Gründen der Selbstverteidigung genauso gewertet wie das Abschlachten von wehrlosen Frauen und Kindern? Ist ein Mörder weniger Schuld an einem Mord, wenn auch andere gemordet haben? Sie brauchen mir gar nicht antworten, wir werden sicher nie einer Meinung sein. Und ich weiß auch nicht, was Ihr Beitrag damit zu tun hat, dass der Ravensburger Verlag ein Buch zurückgezogen hat – was schließlich das gute Recht des Verlages ist.

  12. Dass Martins (ich zitiere dessen Gossenspeech) „kack“-brauner Kommentar im wörtlichen wie im übertragenen Sinne so im Raum stehen bleibt spricht Bände – und zwar alles andere als schöngeistig-humanistische – und wegen solcher, so dachte ich einst naiv, waren wir hier zusammengekommen.
    Enttäuschte und nachdenkliche Grüße, Sandra Wünsch

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