Auf See • Guy de Maupassant

Nachdem ich von dem Buch Ein Leben von Guy de Maupassant sehr begeistert war, habe ich unmittelbar nach der Lektüre mir Auf See geholt. Überhaupt habe ich mir jetzt alle Klassiker aus der Mare Schuber Reihe geholt, weil wirklich jedes der Bücher bisher ausnahmslos einfach nur gut war. Sieben Bücher habe ich bereits gelesen, die restlichen kommen dieses Jahr auf jeden Fall noch dran. Bis ans offene Meer von August Strindberg habe ich schon hier und das hebe ich mir für meinen Sommerurlaub auf.

Wer meine Rezensionen zu den anderen Büchern aus der Reihe gelesen hat, wird nun entnervt die Augen verdrehen, denn was die Aufmachung betrifft, schreibe ich jedes Mal das Gleiche. Aber es ist so und auch dieses Buch ist einfach durchweg schick. Der Einband schimmert wieder edel, die Bindung und das Buch als solches wirkt einfach wertig. Was mir an der Schuberreihe von Mare gut gefällt ist das Papier. Eigentlich etwas Nebensächliches, aber das hier ist echt geschmeidig und fühlt sich beim Umblättern einfach nur gut an. Wer nur noch Ebooks liest sollte mal unbedingt so ein Buch in die Hand nehmen.

Auf See von Guy de Maupassant

Gegen den Inhalt verblasst allerdings die Aufmachung sehr schnell. Als ich das Buch aus der Post gefischt habe, war ich enttäuscht, denn das Büchlein hat gerade mal 192 Seiten und die eigentliche Geschichte nur 141 Seiten. Diese wenigen Seiten haben es aber in sich und Maupassant legt hier ein Meisterwerk der Extraklasse vor. 141 Seiten, die so randvoll mit Gedanken, Denkanstößen, mit treffenden und eleganten Formulierungen sind, dass ich nur sehr langsam gelesen habe, um auch die vielen Zwischentöne nicht zu verpassen und diesen wunderbaren Text in mich aufzusaugen und zu genießen. Hier ein Bild von den vielen Markern, mit denen ich die unzähligen Stellen zum Herausschreiben markiert habe.

Auf See von Guy de Maupassant

Maupassant beschreibt in diesem Buch eine neuntägige Reise, in der er an der Südküste Frankreichs, an der Côte d’Azur mit seiner kleinen Jacht, der Bel-Ami entlang segelt, versteckte Buchten erkundet, einige große Städte bewundert, versteckte Winkel besucht und natürlich die See, das wunderschöne Mittelmeer geniest. Es ist in einem lockeren Stil aus der Ich-Perspektive geschrieben und ist als eine Art Tagebuch, als Reisebericht aufbereitet. Er beschreibt seine Eindrücke, seine Faszination für die Natur, die See und die wunderschöne Landschaft. Wortgewandt, mit einer schönen, klaren Sprache, bildhaft und greifbar.

Sobald wir in der Einfahrt zwischen der Hafenmole und der mächtigen Festung waren, nahm die Jacht eifriger Fahrt auf und schien munter zu werden, als sei sie in Stimmung gekommen. Sie tanzte auf den unzähligen flachen, sanften Wellen, bewegte Furchen einer grenzenlosen Ebene. Beim Auslaufen aus dem stehenden Wasser des Hafens spürte sie das Leben des Meeres. (S. 13)

Er nimmt den Leser mit auf seine Reise, entführt ihn auf seine kleine Nussschale und lässt ihn eintauchen in diese ganz eigene Stimmung dieser schönen Küstenregion. Dabei streut er zahlreiche Anekdoten ein, die leider nicht immer wahr sind. So gibt er eine kleine Geschichte über den Geiger und Komponisten Paganini zum besten, die leider nachweislich nicht der Wahrheit entspricht, aber dennoch schön zu lesen ist. Aber nicht nur darüber sinniert er, sondern auch über die Menschen, die Gesellschaft, die Politik, die Südländer, die Kultur dieser Region, die Kunst und natürlich die Franzosen.

Was mich so fasziniert hat, sind die autobiographischen Episoden in diesem Buch. Maupassants Art zu denken wurde für mich greifbar und plötzlich habe ich mich in so vielen seiner Gedanken wieder gefunden. In der Persönlichkeit dieses großen Schriftstellers. Seine Art die Menschen zu betrachten, mit Abscheu, mit einer großen Abneigung und Skepsis. Wie ein Außenstehender, jemand der nicht dazu gehört, aber trotzdem ein Teil dieser Gesellschaft ist und auch nicht ohne leben kann und will. Jemand, der Kritik übt und so reflektiert ist, dass er sich selbst davon nicht ausnimmt. So erscheint er vielleicht etwas überheblich, manche bezeichnen ihn als Snob, weil er von einem gewissen Wohlstand herablassend auf die Menschen blickt, aber am Ende steht er selbst in der Masse, ist ein Teil von diesem stinkenden, verachtenswerten Pöbel und ist sich dessen auch bewusst.

Plaudern, was ist das? Mysterium! Es ist die Kunst, nie langweilig zu wirken, alles mit Anteilnahme sagen zu können, zu gefallen mit was auch immer, zu verführen mit einem Nichts. (S. 110)

Wirklich überzeugt hat mich Maupassant aber mit den von Aktualität nur so strotzenden Themen, die er wortgewandt und klug ausformuliert. Vieles kann man auf die Gesellschaft dieser Zeit unverändert Projizieren und es hat mich irgendwie bewegt, dass jemand vor knapp 140 Jahren so ähnliche Gedanken in sich getragen hat, wie ich das jetzt tue.

Darüber hinaus gibt er in sein Denken interessante Einblicke und man erkennt einen Menschen, der gerne alleine ist, gerne für sich bleibt, den die Gesellschaft auch immer ein gewisses Unbehagen bereitet, der aber trotzdem die Menschen und ihre Liebe braucht. Die Ängste und Sehnsüchte und auch eine gewisse Unsicherheit sind solche Zwischentöne, die ganz leise zwischen den Zeilen liegen, manchmal aber auch ganz deutlich und laut zu Tage treten.

Wenn wie heute schönes Wetter ist, habe ich in den Adern das Blut lasziver und vagabundierender alter Faune, ich bin nicht mehr der Bruder der Menschen, sondern der Bruder aller Wesen und aller Dinge! (S. 55)

Sehr interessant sind bei diesem Bändchen die Anmerkungen und auch das Nachwort, das wie bei Ein Leben von Julian Barnes verfasst wurde. Bei der Lektüre des Buches ist mir doch immer wieder deutlich aufgefallen, dass dieses scheinbar so locker verfasste Tagebuch einen doch sehr kontrollierten Eindruck macht. Das Nachwort hat diesen Eindruck dann bestätigt und wenn man die Autoren dieser Zeit kennt, dann ist klar, dass sie alle Register gezogen haben. Dumas war auch ein Kandidat, der oft versucht hat seinen Texten einen sehr authentischen Anstrich zu verpassen, dabei aber nicht gespart hat auch ordentlich in die Trickkiste zu greifen. So auch Maupassant, der für dieses Büchlein eine ganze Fülle an von ihm bereits veröffentlichten Texten zurückgegriffen hat. Barnes wirft ihm hier gar vor eine „aus verschiedenen Quellen zusammengerührte Mixtur“ (S. 202) zu präsentieren. Wahrscheinlich ist das so, aber das schmälert nicht die hohe Qualität und die Faszination, die von diesen zahlreichen Gedanken ausgeht, die er hier meisterhaft präsentiert.

Fazit: Maupassant hat zahlreiche herausragende Texte verfasst. Dieses Buch ist für mich die Krönung, das Sahnehäubchen im literarischen Schaffen eines der ganz großen Autoren des 19. Jahrhunderts. Die vielen persönlichen Gedanken, Anekdoten, die Schilderungen der Gesellschaft, Maupassants Blick auf die Kunst und natürlich seine Eindrücke von der Natur, der See, des schönen Mittelmeers machen dieses Buch zu einer ganz besonderen Reise. In dieses Buch bin ich vollständig eingetaucht und diese wunderschönen Ausgabe ist ein Muss für jeden der die Literatur und das Meer liebt.

Buchinformation: Auf See • Guy de Maupassant • mare Verlag • 192 Seiten • ISBN 9783866481664

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