Moby Dick oder Der Wal • Herman Melville
Diesmal möchte ich einen echten Geheimtipp vorstellen. Einen Klassiker, den kaum jemand kennt und auf den ich eher zufällig in den Untiefen der Bibliothek gestoßen bin. Trotzdem ist das Buch Moby Dick eine Erwähnung wert. So ähnlich würde ich nun meine Rezension starten, wenn das Buch nicht von einigen Literaturwissenschaftler in den 1920er Jahren wiederentdeckt worden wäre und über siebzig Jahre nach seinem Erscheinen doch noch zu seinem Ruhm und Platz in der Weltliteratur gekommen wäre. Denn Moby Dick wurde zu Lebzeiten von Melville lediglich 3000 Mal verkauft. Die letzten Monate bin ich gefühlt genau diese 3000 Mal über das Buch gestolpert, das es in unzähligen Ausgaben und Auflagen zu haben gibt. Ich hab mich wieder für die schmucke Ausgabe vom Hanser Verlag entschieden.
Vom Thema und Setting passt das Buch genau in mein Beuteschema: Das Meer, ein Abenteuer auf hoher See, eine Geschichte erzählt aus der Sicht von einem einfachen Seemann und das alles auch noch als schicker, neu übersetzter Klassiker. Trotzdem hab ich mir das Buch eine Weile aufgehoben. Mit seinen über 850 Seiten ist es aber auch eine gehaltvolle Lektüre, die in dieser Ausgabe mit rund 200 Seiten Anmerkungen und Nachwort ergänzt wird.
Es gibt unzählige Verfilmungen von Moby Dick, die ich alle nicht gesehen habe und so war mir der Inhalt, bis auf die groben Informationen vom Klappentext unbekannt. Erzählt wird die Geschichte von Ishmael, einem einfachen Matrosen vor dem Mast, also einem einfachen Seemann, der in dem eher unwirtlichen, vorderen Teil des Schiffes untergebracht war. Er heuert in Nantucket, einer kleinen Insel vor der Küste von Massachusetts auf einem Walfängerschiff an. Recht schnell stellt sich heraus, das der Kapitän Ahab nicht auf übliche Walfangfahrt gehen will, sondern einen Rachefeldzug gegen den berüchtigten Wal Moby Dick plant, der ihn bei einem früheren Zusammentreffen ein Bein gekostet hat.
Ich habe mich auf einen spannend Abenteuerroman eingestellt, bei dem es so richtig rasant her geht und von der ersten bis zur letzten Seite Spannung pur herrscht. Bei vielen Klassikern, die wie Moby Dick als Abenteuerroman angepriesen werden, ist das so. Allerdings fällt das Buch nicht uneingeschränkt unter diese Kategorie. Melvilles Schreibstil ist ausführlich und langsam und so beginnt die Geschichte erst mit dem Übersetzen Ishmaels von New Bedford nach Nantucket, der Einkehr in ein kleines Hafengasthaus und der Suche nach einem geeigneten Schiff zum Anheuern. Dabei gelingt es Melville hervorragend eine richtig maritime Stimmung herauf zu beschwören und er beschreibt die Orte, die Menschen und das ganze Umfeld mit so viel Liebe zum Detail, dass man sich die dunklen Kaschemmen, die für den Walfang bis ins Detail aufgetakelte Pequod (dem Walfängerschiff) und natürlich das Meer so richtig gut vorstellen kann.
„[…]wie der Wind heulte und die See wogte und das Schiff ächzte und stampfte und doch stetig seine rote Hölle weiter und weiter in die Schwärze der See und der Nacht warf und trotzig den weißlichen Knochen in ihrem Maule zerbiß und wütend die Gisch nach allen Seiten spie, befrachtet mit Wilden, beladen mit Feuer, mit einem brennenden Leichnam an Bord auf dem Weg in die schwärzeste Finsternis – da stürmte die Pequod dahin wie das stoffliche Abbild der Seele ihres besessenen Führers.“ (S. 656)
Im Titel des Buches steht auch „Der Wal“ und das ist sehr treffen, denn dieser steht ganz allgemein, nicht in nur Form von Moby Dick im Mittelpunkt. In diesem Buch taucht man so richtig ein, in eine Welt des Walfangs, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts sehr archaisch anmutet. Mit kleinen Ruderbooten wurde den großen Meeressäugern nachgesetzt, mit einem kräftigen Seemann im Bug, der die armen Tiere harpunierte und mit Lanzen so lange schleifte, bis sie schließlich starben. Dann wurden die Wale geflenst, d.h. es wurde die Walspeckschicht abgetrennt. Mit dieser ist der Wal vor der Kälte des Meeres geschützt und genau diese Schicht enthält auch den wertvollen Tran, der in diesen Tagen, bevor sich Petroleum durchsetzte, als Brennmittel genutzt wurde.
All diese Dinge erfährt der Leser und während das Walfangsschiff Pequod mit dem Kapitän Ahab im Zentrum steht, wird die Geschichte immer wieder von ausführlichen Beschreibungen des Walfangs, der Kultur, des Alltags, der Gepflogenheiten, Gefahren und Sitten auf einem Wahlfängerschiff und natürlich des Wals unterbrochen. Bis ins Detail erklärt Melville wie es damals zuging, wie die Schiffe beschaffen waren, was für eine Bedeutung Walrat hatte, wie das Erlegen und Flensen des Wales im Detail abläuft, aber auch wie die Seemänner so getickt haben. Sogar eine Übersicht über alle Arten der Wale gibt Melville, bricht gemäß seiner Zeit eine Lanze für den Walfang und dessen Bedeutung und geht sehr weit ins Detail und beschreibt selbst die Stunden im Masttopp, auf Walbeobachtungsposten. So kommt es, dass das Schiff erst auf Seite 200 ablegt und auch dann bleibt sein Tempo gemächlich und wird immer wieder für diese ausführliche Erläuterungen unterbrochen.
Ich bin, was den Stil und Aufbau des Buches angeht, hin und hergerissen. Auf der einen Seite finde ich es spannend, etwas über diese Zeit und dem Leben auf See zu erfahren. Irgendwie hat das, bei allen Gefahren und Härten, welche die Seemänner dieser Zeit ertragen mussten, etwas Romantisches. Ein scheinbar unergründliches Meer, eine unentdeckte Welt voller Abenteuer. Andererseits bin ich nicht so richtig in einen Lesefluß gekommen, denn immer wieder müssen die aktuellen Geschehnisse an Bord zurückstehen und es wird in einem sachlichem Stil etwas erläutert. Ismael erzählt zwar durchaus lebhaft und führt die Fakten sehr bunt aus und garniert sie mit vielen ausführlichen, mythologischen, theologischen und naturwissenschaftlichen Vergleichen und gedanklichen Abschweifungen. Aber wenn man die allgemeinen Erläuterungen zum Wal und die Abenteuer an Bord in Relation setzt, dann dürften etwa drei Viertel des Buches aus detaillierte Erläuterungen zum Wal und Walfang und ein Viertel aus der eigentlichen Story bestehen. Das führt zu ganz deutlichen Längen und schmälert den Unterhaltungswert schon extrem. Besonders weil Melville hier wirklich sehr ins Detail geht und die Anatomie des Wals bis zum Skelett, vom Kopf bis zur Schwanzflosse zerpflückt und seziert. Der gesamte Prozess vom Walfang, bis hin zum Säubern des Schiffes, nachdem der Tran gewonnen und eingelagert wurde, wird hier in vielen kleinen Kapiteln ausführlichst erläutert, so dass das Tempo der eigentlichen Geschichte auf ein absolutes Minimum reduziert wird. Ein Umstand, den ich etwas schade fand, denn die Episoden auf See, wo die Pequod auf Walfang geht, oder auch die kurzen Berichte von Bord anderer Schiffe sind echt spannend und eben ganz in dem Format, wie ich mir das ursprünglich erwartet hatte.
Die Frage ist, wie man Fakten und Beschreibungen des Walfangs und einen unterhaltsamen Erzählstrang so vermengt, dass ein Buch auch ein Lesevergnügen wird und da gibt es einige gute Beispiele. Über Bord von Kipling ist so ein Buch, das sehr gut die Schilderungen vom Alltag des Fischfangs mit einer spannenden Geschichte verwebt und sowohl gut unterhält, als auch Fakten transportiert. Ein anderes Beispiel ist Arthur Conan Doyles »Heute dreimal ins Polarmeer gefallen«: Tagebuch einer arktischen Reise, wo er die Erlebnisse und Beobachtungen seiner Reise auf einem Walfänger auf unterhaltsame Weise darstellt. Aber vielleicht ist das auch nur meine Empfindung, weil ich einfach schon viel in diese Richtung gelesen habe. Es wird deutlich, dass Melville ein vollständiges Bild vom Wal und Walfang geben möchte und dabei nichts auslassen wollte. Insoweit ist der Vergleich mit den beiden oben genannten Büchern nicht ganz angemessen. Zudem ist in seinen Betrachtungen zum Wal und Walfang natürlich durchaus eine Menge Essenz zu finden, die seine Belesenheit und die Fertigkeit dieses zu verarbeiten eindrucksvoll zeigen und den Rahmen der oben genannten Bücher weit übersteigt.
Das Buch will beides sein: Ein Sachbuch über Wale und ein Abenteuer über den Walfang. Moby Dick soll dabei für eine konkrete Ausprägung der ganz ausführlich beschriebenen Art des Wals sein, aber in Verbindung mit dem Abenteuer auch etwas auf einer Metaebene aussagen. Die zahlreichen Bezüge zu Bibelstellen, christlichen Geschichten, Mythologie und Werken der Weltliteratur, allen voran die Geschichte von Jonas, der von einem Wal verschluckt und geläutert wieder ausgespuckt wird, geben dem Buch eine philosophische, eine metaphysische Komponente. Aber auch Shakespeares Figuren waren für Melville eine Inspiration und so tauchen auch Hamlet, Timon, Lear und Jago immer wieder auf. Laut Nachwort klingen 160 Texte in diesem Werk an, die Melville auf die ein oder andere Weise andeutet. Auch Fachbücher und Berichte seiner Zeit dienten als Vorlage für die naturwissenschaftliche Betrachtung des Wales und Walfangs.
Seine Skepsis gegenüber den Pantheismus Spinozas, aber auch die als tugendhaft dargestellte Frömmigkeit und Gottesfurcht sind deutliche Indizien dafür, dass dieses Buch in dieser Hinsicht eine Lanze für den christlichen Theismus bricht und so auch eine Allegorie für den Glauben ist. An einigen Stellen ist das doch sehr deutlich geworden.
„Wenn aber nicht einmal die große Sonne sich aus sich selbst bewegt, sondern als Botenjunge durch den Himmel läuft; wenn ohne eine unsichtbare Macht auch nicht ein einziger Stern sich drehen kann, wie kann dann dieses eine kleine Herz hier schlagen, dies eine kleine Hirn Gedanken hegen – es sei denn, Gott treibt diesen Herzschlag, denkt diese Gedanken, lebt dieses Leben, und nicht ich.“ (S. 823)
An zahlreichen Stellen hat er aber sehr interessante Gedanken, die mich durchaus in den Bann ziehen konnten.
„[…]und wenn wir noch weiter gehen und bedenken, daß das geheimnisvolle Kosmetikum, das alle ihre Farbe erzeugt – das große Prinzip des Lichts – selbst für immer weiß und farblos bleibt und, so es ohne Medium auf die Materie einwirkte, alles, ja sogar Tulpen und Rosen, mit seinem eigenen, leeren Blässe überzöge – wenn wir das alles erwägen, so liegt das gichtbrüchige Universum vor uns wie ein Aussätziger, und wie ein mutwilliger Reisender in Lappland, der sich weigert, farbige und färbende Augengläser zu tragen, so starrt sich der elendige Ungläubige blind, da er den Blick nicht vom endlosen weißen Leichentuche wenden kann, das alles, was er ringsum sieht, verhüllt.“ (S. 322f)
Damit ist es ein Buch, das für mich irgendwie unstet ist. In seiner Gesamtheit schwer greifbar. Herausgeber Daniel Göske bezeichnet Moby Dick im Nachwort als einen Entwurf. Aus meiner Sicht einen Entwurf, der irgendwie fertig und gleichzeitig völlig offen ist.
Die Verschmelzung narrativer, konkrete und abstrakter, bis hin zu metaphysischer Elemente, mit einem Seitenblick auf Texte der Weltliteratur, sind aus meiner Sicht auch der Grund, wieso dieses Buch der Weltliteratur zugeschrieben wird. Die Frage ist allerdings, ob eine allegorische Bedeutung tatsächlich von Melville von vornherein eingeplant und bewusst von ihm dem Werk einbeschrieben wurde. Das Nachwort konstatiert, dass dem nicht so ist (vgl. S. 886), sieht aber als ein zentrales Element dieser Auseinandersetzung „als existentiellen Kampf um die Wahrheit hinter der trügerischen, nicht faßbaren Erscheinungswelt“ (S. 896). Ich würde dem Nachwort da zustimmen, denn zu unkontrolliert, zu diffus erscheint mir dieses Werk, als dass man hier eine Auswahl an Intention erkennen kann, als die Geschichte, die eben erzählt wird. Das Meer und der Walfang ist Melville aufgrund seines Werdegangs als Seemann sozusagen inhärent als Rahmen gegeben und eine Geschichte mit diesem Hintergrund führt, kunstvoll ausgestaltet, unweigerlich zu den großen Fragen der Menschheit.
Ein zentrales Thema ist der Kampf zwischen dem Menschen und der Natur, zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und dem Teufel. Um eine Verbindung zwischen der Mythologie, dem Glauben und dem Wal herzustellen, um dem Bild des Leviathans von Anfang an ein Gewicht zu geben, beginnt das Buch mit Textauszügen über Wale aus den verschiedensten altertümlichen Quellen. Aber natürlich äußert sich dieser Kampf ganz besonders in Kapitän Ahabs Rachefeldzug gegen den weißen Wal Moby Dick. Das Ahab auch ein Sinnbild ist, wird sehr schnell klar. In ihm vereinen sich zahlreiche Rollen, auch wenn sein Vorgehen nicht überrascht. Furchtlos, stellt er sich der Natur entgegen, fordert sie heraus, gebiert sich wie ein Teufel, rücksichtslos gegenüber sich und andere und gleichzeitig ist er nicht völlig verblendet, sondern sieht durchaus mit klaren Augen. Er verkörpert den Diktator, den Alleinherrscher, den Demagogen. Moby Dick als Vertreter der erbarmungslosen Natur vereint auch mehrere Seiten in sich, von der Rache Gottes, wie es dem biblischen Jonas widerfährt, bis hin zur stummen und von Instinkten gesteuerten Natur, und das befreit das Buch von jeglicher Form von Stereotyp, was mir sehr gut gefallen hat. Als Leser kann man hier sehr viel interpretieren und finden.
Besonders eindrucksvoll ist die Vielschichtigkeit, mit der Melvilles Text aufwartet. Von einem gewöhnlichen Erzählstil, Predigen, prophetischen Reden, naturkundlichen Beschreibungen, Monologen, inszenierten Dialogen bis zu einem Chor anmutenden vielstimmigen Beisammensein vor dem Mast ist hier alles geboten. Zusammen mit den vielen Querverweisen, den Unterbrechungen durch eine vergleichsweise sachlichen Betrachtung des Wals und Walfangs ergibt sich ein diffuses Werk und gleichzeitig wird der Lesefluß dabei sehr gestört. Sowohl in Sprache, als auch hinsichtlich seines Aufbaus. Das äußert sich auch in der Vielzahl an Kapiteln, die oft recht kurz sind. Eine richtige Nähe kann der Leser zu keiner Figur aufbauen. Insbesondere nicht mit dem Erzähler Ishmael, der im Verlauf des Romans immer weiter in Hintergrund tritt. Dieser fehlende Fokus und das Fehlen einer klaren narrativ geführten Struktur haben mir sehr gefehlt. Ich habe das Buch mit meinem Verstand gelesen und an keiner Stelle mit Gefühl und Emotionen. Die Jagd auf den Wal hat mich mit Spannung erfüllt, aber jeglicher Ausgang hätte mich völlig kalt gelassen. Die hohe Kunst ist es, den Leser mit Haut und Haaren zu entführen und das hat Melville bei mir nicht geschafft.
Die Ausgabe vom Hanser Verlag konnte mich allerdings wieder sehr begeistern. Sowohl von der wertigen Aufmachung, als auch von dem ausführlichen Begleitmaterial und natürlich der Übersetzung. Denn dem Text merkt man sofort an, dass hier mit viel Sorgfalt und Hingabe gearbeitet wurde und liest man sich so die Editorische Notiz durch, dann ist das wohl ein aufwendiges Unterfangen gewesen. Sprachlich ist das Buch sehr angenehm zu lesen, versucht aber die frühere Sprache nachzubilden.
„[…]die besondere Patina des englischen Originals aber sollte nachempfunden werden. Das gilt auch für die im Roman eingeschriebenen älteren Stilformen, soweit es für sie brauchbare deutsche Entsprechungen gibt.“ (S. 907).
So verwendet der Übersetzer Matthias Jendis nautische Begriffe, die mir bisher nicht bekannt waren. Sehr oft liest man fieren/abfieren, was so viel wie niederholen, absenken und hinunterlassen bedeutet. Oder belegen, dass das Anbinden und Festmachen von Tauen oder Seilen bezeichnet. Für alle nautischen Begriffe ist dem Buch ein Glossar angefügt, das ich immer wieder verwendet habe und sehr hilfreich ist.
Das Nachwort gibt auch einen guten Überblick über die Entstehung und den Werdegang dieses Werkes. So erschien im Sommer 1851 auf Druck der Herausgeber in New York eine erste Ausgabe, die voller Fehler und Widersprüche war. Melville hatte hier offensichtlich nicht ausreichend Zeit diese zu korrigieren. Die Ausgabe vom September 1851, die in London erschien, war ebenfalls sehr fehlerbehaftet. Die Auflage vom November 1851 in New York wies schließlich zahlreiche Korrekturen auf. Die Ausgabe vom Oktober 1851 in London hingegen hatte keinen Epilog und war um einige heikle Stellen gekürzt, um dem weiblichen Publikum gerecht zu werden. Die Rezensionen aus der USA sind eingangs also recht negativ ausgefallen, wohingegen einige britische Rezensenten seine Beobachtungsgabe, Sprachgewalt und Phantasie gelobt haben. Berühmtheit hat dieses Buch, wie oben schon erwähnt, erst in den 1920er Jahre erlangt und wurde seitdem unzählige Male in verschiedensten Formaten, wie Jugendbuchadaptionen, Hörspiel, Film und natürlich in zahlreichen Übersetzungen verarbeitet.
Ebenfalls beigefügt ist eine Zeittafel mit Melvilles Leben. Das liest sich stellenweise sehr abenteuerlich. Melvilles Vater war ein Unternehmer, der schließlich pleite ging. Melville hat Zeit seines Lebens finanziell und beruflich nicht wirklich etwas erreicht und ging viele Jobs an den verschiedensten Orten nach. Er selbst hat auf einem Walfänger in Nantucket angeheuert und einige Erfahrung vor dem Mast sammeln können, die er schließlich, nicht nur in Moby Dick, literarisch verarbeitet hat. Er war sehr belesen und verkehrte auch in den literarischen Kreisen New Yorks, verfasste Artikel und Rezensionen für Zeitungen. Allerdings hat er als Schriftsteller nicht richtig Fuß fassen können und als er 1891 starb, war er in der USA so gut wie vergessen.
Fazit: Moby Dick hinterlässt mich mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite kann man der Vielschichtigkeit dieses Werks, sowohl auf sprachlicher, als auch inhaltlicher Ebene nur Respekt zollen. Ob gewöhnliche Erzählung, Predigt, prophetischen Reden, naturkundlichen Beschreibungen, Monologen, kunstvollen Dialogen oder einem im Stile einer Operette dargestellten Chor, bietet dieses Werk eine erstaunliche Vielfalt. Auch hinsichtlich seiner weit gefächerten Interpretationsspielraums, der zahlreichen metaphysischen Betrachtungsmöglichkeiten, und mit seinen spannenden Episoden auf hoher See ist es ein gelungenes Buch. Andererseits bin ich nicht so richtig in einen Lesefluß gekommen, denn immer wieder wird die Handlung unterbrochen und Ishmael, der Erzähler, legt in einem zwar lebhaften, aber dennoch sachlichen Stil alle Details zum Wal und Walfang ausführlichst dar. Die wechselhafte Erzählform verstärkt diesen Eindruck und hat für mich das Abtauchen in die Melodie seiner eigentlich sehr schönen Sprache gehemmt. Tatsächlich war ich bei dieser Ausgabe an einigen Stellen um die sehr sinnvollen und mit Bedacht gewählten Kürzungen dankbar, die der Herausgeber vorgenommen hat. Auch zu den Figuren baut der Leser keine richtige Nähe auf und so bin ich nicht vollständig in dieses Werk eingetaucht, sondern hab es mehr mit Verstand als Herz gelesen. Ein ausgewogeneres Verhältnis hätte ich mir bei diesem Klassiker der Weltliteratur erwartet. Eine klare Empfehlung kann ich also nur dem Leser aussprechen, der sich dem Meer verbunden fühlt, sich für den Leviathan begeistert oder viele Seitenblicke literarischer, theologischer und mythologischer Art schätzt.
Buchinformation: Moby Dick oder Der Wal • Herman Melville • Carl Hanser Verlag • 1048 Seiten • ISBN 9783446200791
Lieber Tobi,
ein schöner Text über Moby Dick in der Übersetzung von Jendis, danke.
Gestatte mir, Dir und Deinen Lesern einen Beitrag von mir nahezulegen,
in dem ich die Jendis-Übersetzung mit der von Friedhelm Rathjen abgleiche.
(Beide sind eng und (beinahe dramatisch) verknüpft.
http://lustauflesen.de/moby-dick-zwei-ubersetzungen/
Falls Dir diese Werbung an dieser Stelle zu penetrant erschein, lösche sie.
lg_jochen
Lieber Jochen,
vielen Dank für deine Worte und deinen Hinweis auf deinen Beitrag. Den lese ich mir natürlich nachher gleich durch, weil so ein Blick auf unterschiedliche Übersetzungen finde ich immer ganz interessant! Die Werbung kann hier gerne bleiben und passt sehr gut!
Liebe Grüße
Tobi
Ich habe schon mehrfach gelesen dass das Buch etwas sperrig sein soll und auch deine Rezension scheint das zu bestätigen. Nichtsdestotrotz eine sehr schöne Ausgabe, typisch Hanser eben.
Die Bücher vom Hanser-Verlag sind einfach klasse, aber da hab ich ja schon einige Male darüber geschrieben. Hast du das Buch auf deinem SuB/Wunschliste?
Nein, aber andere Bücher von Hanser und Mare. In der kommenden Woche fahre ich endlich mal in ein Antiquariat in Bamberg und hoffe dort ein paar Schätze zu finden.
Zum Thema „Beuteschema“ fiel mir gerade ein Buch ein: B.Traven, „Das Totenschiff“.
Vielen Dank für den Lesetipp. Gleich mal auf die Wunschliste gesetzt, der Klappentext liest sich ganz gut!
Das wurde mal im Rolling Stone groß besprochen. Um den Autor scheinen sich ja viele Mythen und Gerüchte zu ranken, seine Identität ist ja offenbar nicht zweifelsfrei geklärt.
Hallo Tobi!
Vielen, vielen Dank für deine Eindrücke. Ich möchte mich „Moby Dick“ in diesem Jahr ja auch endlich widmen – und trotz deiner kritischen Anmerkungen hast du es geschafft, mich noch neugieriger auf das Buch zu machen. Mir ist damals bei meiner ersten näheren Beschäftigung mit „Moby Dick“ bereits aufgefallen, dass die Meinungen stark auseinandergehen und es viel Kritik an der Umsetzung gab/gibt. Doch gerade die kritisierten Punkte sind es, die damals mein Interesse am Buch richtig geweckt haben. Ich bin gespannt, ob mich „Moby Dick“ so begeistern wird, wie ich denke, oder ob ich das Buch am Ende doch so ernüchtert zuklappe wie du.
Liebe Grüße
Kathrin
Liebe Kathrin,
da bin ich gespannt und du musst unbedingt darüber bloggen. In dem Buch steckt eine Menge und kann durchaus nachvollziehen, dass es einige begeistert. Je nachdem, was man darin sucht oder was einen aktuell reizt, das ist ja durchaus auch abhängig von der aktuellen Stimmung und Ausrichtung die man hat.
Liest du das Buch im englischen Original, oder hast du schon eine übersetzte Ausgabe daheim?
Liebe Grüße
Tobi
Hallo Tobi,
da stimm ich dir zu: Ich denke, wie man „Moby Dick“ (oder auch andere Klassiker gerade des 19. Jahrhunderts) aufnimmt, hängt stark auch davon ab, aus welchen Gründen man es liest und was man sich davon erwartet. Wer z.B. „Les Miserables“/“Die Elenden“ nur wegen der Tragik der geschilderten Leben lesen möchte, wird wohl enttäuscht. Wer bei „Moby Dick“ nur temporeiche Action erwartet, dem geht es genauso. Mich hatte nur ein wenig überrascht, dass gerade du, der die Vielschichtigkeit der Bücher aus dem 19. Jahrhundert so schätzt, „Moby Dick“ ohne große Begeisterung beendet hat. Deine Kritikpunkte an sich kann ich aber durchaus verstehen.
Ich werde „Moby Dick“ auf Englisch lesen. Ich hatte keine Lust, wieder erst monatelang herauszufinden, welche Übersetzung wohl am wenigstens gekürzt und gleichzeitig gut lesbar ist. Und während meiner Suche kündigte Calla Editions eine leinengebundene, illustrierte Ausgabe an – da konnte ich einfach nicht widerstehen. Allerdings hoffe ich, dass ich auch alles gut verstehe – wenn es schon in der deutschen Übersetzung Begriffe gibt, die weniger gebräuchlich sind bzw. zum Teil auch Seemannsjargon sind, wird das Lesen auf Englisch garantiert nicht allzu einfach 😉 Aber ich werde auf jeden Fall berichten!
Liebe Grüße
Kathrin
Hallo Tobi,
das war eine sehr spannende und ausführliche Rezension.
Ich selbst habe „Moby Dick“ gelesen, als ich ca. 12 war. Im Nachhinein frage ich mich wirklich, wie ich damals auf diese Idee gekommen bin und wer in unserer Stadtbibliothek das Buch in der Jugendabteilung stehen lassen hat. Auf jeden Fall blieb mir vor allem die Geschichte und die detaillierte Beschreibung der Sezierung etwas abschreckend in Erinnerung. Ich weiß noch, dass ich grundsätzlich auf der Seite des Wals war. Die weitschweifenden Ausführungen, von denen du berichtet hast, habe ich auch noch als störend im Kopf, allerdings habe ich mir damals nicht halb so viele Gedanken über ihre Bedeutung gemacht, wie du. Das Buch sitzt seit dem verschwommen und in meinem Kopf und löst immer gemischte Gefühle bei mir aus. Daher lese ich sehr gerne Rezensionen darüber, um mir selbst klar zu werden, was mich damals wohl so sehr daran gestört haben kann. Nach deiner Rezension, bin ich da schon einige Schritte weiter. Vielen Dank dafür!
Viele liebe Grüße
Ciri
Liebe Ciri,
ich bin mir sicher, wenn mir das Buch viel früher in die Hände gefallen wäre, bevor ich schon so viel über das Meer und die Seefahrerei gelesen habe, dann hätte ich gewiss einen anderen Blick auf das Buch gehabt. Das ist immer auch eine Frage, welche Erwartungen man hat. Seine Beschreibungen haben schon was für sich, da erfährt man schon eine Menge und mit den Vergleichen und den vielen Seitenblicken ist das schon eine Leistung.
Ich kann deine unentschlossenen Gefühle durchaus nachvollziehen, denn das ist genau das Empfinden, was ich meine, wenn mir das Buch irgendwie wie ein „vollständiger Entwurf“ erscheint.
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar!!
Tobi
Vielen Dank für die ausführliche und umfassende Besprechung! Ich selbst habe „Moby Dick“ während meines Studiums im englischen Original gelesen, was vermutlich noch einmal zur Intensivierung der Atmosphäre beigetragen hat. Eine deutsche Ausgabe würde ich bei Gelegenheit aber auch gerne einmal lesen. Vielleicht wird es dann auch die von Hanser.
Ich kann mich an keine Störungen meines Leseflusses durch allzu detaillierte Beschreibungen erinnern, es sei denn, ich musste in diesem Zusammenhang englische Vokabeln nachschlagen, die mir nicht geläufig waren… Das Buch „Moby Dick“ gehört jedenfalls zu meinen persönlichen Favoriten, wie ich auch Herman Melville nach wie vor für einen unterschätzten Autor halte. Aber „Einen Klassiker, den kaum jemand kennt“ – das ist doch sicherlich und hoffentlich ironisch von Dir gemeint, oder?! Ich kenne jedenfalls kaum jemanden, der „Moby Dick“ nicht kennt. Es haben natürlich nur wenige das Buch gelesen; aber kennen dürften es doch die meisten…
Beste Grüße,
A. Goldberg
Lieber Anton,
also im englischen Original ist das wahrscheinlich nochmal ein ganz anderes Erlebnis. Allerdings lesen sich die Übersetzungen vom Hanser Verlag schon sehr gut, da kann man wirklich nicht meckern.
Ich habe Moby Dick nicht als eine Geschichte empfunden, die mich so richtig gepackt hat und in die ich komplett eingetaucht bin, weil sie mich so mitgerissen hat. Wieso beschreibe ich ja in meiner Rezension. Aber hier sind die Geschmäcker und auch die Vorstellung von einer Erzählung durchaus unterschiedlich. In „Horcynus Orca“ habe ich diesen sehr mitreißenden Lesefluss sehr stark empfunden, auch wenn das Buch auch die üblichen Spannungsbögen völlig verzichtet und noch wesentlich langsamer als Moby Dick ist. Einfach weil mich die Sprache da gepackt und die wunderbare Darstellung des Meeres so in das Buch gesaugt hat.
Moby Dick ist alles andere ein Geheimtipp. Meine Einleitung spielt darauf an, dass dieses Buch zu Lebzeiten von Melville völlig unbekannt war und erst in den 1920er Jahren wiederentdeckt wurde. Ich glaube Moby Dick kennt wirklich jeder, auch wenn es vielleicht nur ein kleiner Teil gelesen hat. Alleine schon wegen den vielen Filmadaptionen.
Liebe Grüße
Tobi
Ich sehe das wie Anton Goldberg : Moby Dick kennt wirklich jeder! Ich lese es auch gerade 🙂
Liebe Tinka,
natürlich ist Moby Dick kein Geheimtipp, das Buch kennt wirklich jeder, sogar die, die nicht viel Lesen. Es gibt ja ungefähr 1000 Verfilmungen von dem Buch. In meiner Einleitung schreibe ich ja, dass meine Rezension so beginnen würde, wenn es in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht von einigen Literaturwissenschaftler neu entdeckt worden wäre.
Liebe Grüße
Tobi
Lieber Tobi,
danke für die Vorstellung dieses Klassikers….und ich muss gestehen, es noch nicht gelesen zu haben, ob wohl ich die viel knappere Jugendausgabe im Regal stehen habe. Das wäre doch wenigstens ein Anfang 😉
Viele Grüße,
Heike
Liebe Heike,
ich kann mir gut vorstellen, dass bei der Jugendausgabe die Ausführungen über den Wal und Walfang gestrichen wurden. Und dann bleibt eine ziemlich spannende Geschichte. Für den Anfang könnte es also nicht besser sein 😉
Liebe Grüße
Tobi
Lieber Tobi,
Ich bin schockiert! 1048 Seiten hat das Buch (die reine Erzählung um die 800)? Ich wusste nicht, dass das Buch im Original so umfangreich ist und dachte, ich hätte mit meiner Edition aus dem Anaconda Verlag schon die ungekürzte Version gelesen. Wie ärgerlich!
„Moby Dick“ hat mir beim Lesen ganz gut gefallen, hat mich aber nicht nachhaltig beeindruckt. Ich bin mit der Seemannssprache nunmal nicht wirklich vertraut und jedesmal zu googeln hätte mir die Freude genommen. Ich kann dein Fazit also gut verstehen.
Seemannsgeschichten magst du aber? Und Jack London auch? Vielleicht sagen dir ja seine Geschichten rund um den Abenteurer David Grief zu: „Ein Sohn der Sonne und andere Südseegeschichten“ 😉
Liebe Jenny,
320 Seiten ist schon krass gekürzt. Aber das würde ungefähr hinkommen, wenn man alle allgemeinen Ausführungen über den Wal und Walfang weg lässt. Meine Ausgabe hatte ja ein sehr gutes Glossar mit den Begriffen aus der Seefahrerei. Aber ich muss gestehen, einen Teil kenn ich schon ganz gut, aber manche vergisst man dann einfach recht schnell wieder. Die Büchergilde-Ausgabe von „Über Bord“ von Kipling hat eine sehr schöne Skizze, die alle Teile eines Schiffs benennt. Zusammen mit dem Glossar bekommt man da ein recht guten Überblick.
Von einem Buch von Jack London gibts bald eine Rezension hier. Aber von ihm hab ich noch einiges auf meiner Wunschliste.
Btw: Ich wollte schon ein paar Mal bei deinem Blog kommentieren, aber da kann man leider nicht anonym (d.h. mit Name/URL) schreiben.
Liebe Grüße
Tobi
Lieber Tobi,
so ein Glossar scheint wirklich hilfreich zu sein und hätte mir auch sehr geholfen. Wobei: eine Zeichnung wie bei Kipling hätte mir wohl noch mehr geholfen. Aber gut, auch so bin ich beim Lesen noch gut mitgekommen. Anscheinend „muss“ ich „Moby Dick“ nochmal lesen – kann es sich ja gleich hinter „Les Miserables“ anstellen.
Ouh, danke für den Hinweis! Ich habe das mit den Kommentareinstellungen direkt geändert. So ist das, wenn man aus Unwissenheit einfach alle Standardeinstellungen beibehält. Da bin ich immer sehr dankbar, wenn mich jemand darauf aufmerksam macht.
Liebe Grüße
Jenny
Ave,
eine wirklich gewaltige Rezension, die mir aber trotz aller „Abschweifungs-Kritik“ nur noch mehr Lust auf das Buch gemacht hat. Ich glaube, ich werde mich trotz allem an die Langfassung wagen – es gibt ja auch eine gekürzte Übersetzung, die eben diese Sperrigkeit durch die vielen Fakten etwas aufhebt. Allerdings bin ich mir nun nicht mehr ganz so sicher, ob ich mich, wie ursprünglich geplant, tatsächlich an der englischen Version versuchen soll oder die Geschichte nicht doch lieber durch die Muttersprache etwas vereinfachen soll.
Mit freundlichen Grüßen,
Seitenfetzer
Lieber Seitenfetzer,
komplett durchgefallen ist das Buch bei mir ganz sicher nicht. Melville legt hier schon was gewaltiges vor und ich glaube nicht, dass du es bereuen wirst, das Buch zur Hand genommen zu haben. Die Übersetzung vom Hanser Verlag ist schon ziemlich gut. Aber im Original ist das wahrscheinlich nochmal was anderes. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was du dazu sagst. Also vergiss nicht darüber zu bloggen 😉
Liebe Grüße
Tobi
Hallo Tobi,
daß man sich mit Moby Dick keine einfache Lektüre ins Haus holt, sollte einem bewußt sein. Herman Melville war mit dem konzipierten Text seiner Zeit weit voraus. Der Schriftsteller stellt gewiß einige Ansprüche an seinen Leser, die über die reinen Beschreibungen der Jagd auf den weißen Wal und einem Segeltörn über die sieben Meere weit hinausgehen. Melville erwartet so unter anderem von seinem Leser Kenntnisse biblischer und mythologischer Bezüge sowie diverser Klassiker des angelsächsischen Raumes.
Vollkommen neu und selbst für heutige Leser ungewohnt ist die Montagetechnik des Romans mit seinen vielen Versatzstücken. So gibt es die Arbeitsbeschreibungen der Jagd auf See, zahlreiche mythologische Anspielungen und vieles andere mehr. Auch die psychischen Reflektionen sind damals wie heute keine Lektüre, die es dem Leser leicht macht. Es liegt hier kein Roman zugrunde, der einen kontinuierlichen Handlungsstrang mit einem festen dramaturgischem Höhepunkt besitzt, sondern dem Leser Gedankensprünge, Assoziationen, Überlegungen etc. vorstellt, diese regelrecht abringt und somit hautnah erlebbar macht.
Solche literarischen Montagetechniken wie beispielsweise den Alltag an Bord eines Walfängers zu Anfang des 19. Jahrhunderts, die polyglott zusammengewürfelten Charaktere, die auf dem Schiff segeln, die Berufssprache der Seeleute und Fischer, eingehende Selbstreflektionen, ökonomische und philosophische Aspekte etc. findet man erst wesentlich später in den Romanen von John Dos Passos („Manhattan Transfer“) oder aber Alfred Döblin („Berlin-Alexanderplatz“).
Wer sich durch Melvilles Roman geduldig und neugierig gearbeitet, nein, gelesen hat, der kann wirklich ein außergewöhnliches Stück Literatur sein eigen nennen.
Hallo Tobi,
Danke für diese ausserordentlich interessante Rezension. Moby Dick ist auf jeden Fall eines meiner Lieblingsbücher. Von dieser Übersetzung im Hanser Verlag habe ich vorher noch nichts gehört, ich bedanke mich, denn die 300 Seiten Version war die einzige deutsche Ausgabe, die ich gefunden habe.
Hallo Tobi,
ja, diese enzyklopädischen Einschübe im Text sind schon manchmal störend. Aber ich finde, die gehören zum Buch einfach dazu – ohne sie und ohne die Ironie im Erzählton könnte das Ganze leicht ins christliche Lehrstück abkippen.
Was ich getan habe und keinem raten kann: Den ganzen Schmöker (ungekürzt) und auf Englisch zu lesen. Man versteht zwar genug, aber nicht alles, und ich bin mir sehr sicher, dass man da bei Moby Dick was verpasst.
Weil ich tatsächlich keine ungekürzte Ausgabe zum erschwinglichen Preis bei thalia gefunden habe, stammt die deutsche Ausgabe auf meinem SuB aus dem Antiquariat.
Was ich dir aber unbedingt noch empfehlen möchte, ist ein anderes Werk von Melville: Bartleby, der Schreiber. 74 Seiten kurz ist die deutsche Übersetzung (insel taschenbuch) und erzählt in herrlicher Sprache von einem Menschen, der sich dem blinden Erfolgseifer der Arbeitswelt entzieht. Ich kanns keinem verdenken, wenn er den dicken Wal nicht liest, aber Bartleby ist knackig kurz und einfach cool.
Liebe Katrin,
dass das Buch Englisch echt schwer zu lesen ist glaube ich sofort. Schon alleine wegen den verschiedenen Stilrichtungen, die Melville darin anschlägt. Bartleby ist ein Tipp, der kommt auf meine Liste. Ob Melville auch knackig und kurz kann muss ich natürlich wissen 😉
Liebe Grüße
Tobi